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Fett durch Konflikte: Wie Streit und Stress krank und dick machen — und was du dagegen tun kannst

Wilhelm und Alberta haben ihr halbes Leben mit Zipperlein und einem kleinen Schwabbelbauch gekämpft. An die Wehwehchen hatten sie sich gewöhnt und sie hingenommen, weil das normal schien – ein Trugschluss. Über das Fett am Baucht haben sie sich jedoch stets geärgert. Als disziplinierte und begeisterte Sportler passte es für sie einfach nicht dazu und es störte ihr ästhetisches Empfinden. Das ist nun vorbei, denn beide freuen sich nun über einen knackigen Bauch. Auch die Zipperlein sind verschwunden, die Lebensqualität insgesamt ist gestiegen. Geschafft haben sie das nicht durch eine spezielle Diät oder noch mehr Sport, sondern durch reine Kopfarbeit: Sie haben sich von einem Coach beraten lassen und dadurch ihr Verständnis von Stress und Konflikten drastisch erweitert. Das hat ihre Geisteshaltung verändert und sie gehen nun anders – besser – mit den Herausforderungen des Alltags um.

In dieser Episode erläutere ich im ersten Teil …

  • … die Verbindung zwischen Stress, Konflikten und dem Körper.
  • Was passiert im Körper, wenn du gestresst bist?
  • Wie machen schwelende Konflikte krank und fett?
  • Warum sabotiert besonders psychosozialer Stress das Abnehmen?
  • Was sind Beispiele für schwelende Konflikte?

In der zweiten Hälfte lege ich dar, …

  • …wie die Elemente des Lebenswandels als Lösung wirken und
  • … was du sofort tun kannst gegen dick- und krankmachenden Stress durch Konflikte.

Teil 1: Stress, Konflikte und dein Körper: Die versteckte Verbindung

Oder: Jaja, Stress macht krank. Blabla.

Chronischer Stress macht krank – das ist ein alter Hut. Wenn der Hausarzt darauf hinweist, dann ist das mittlerweile die Jaja-Stress-macht-krank-blabla-Rede. Hat praktisch jeder schonmal gehört und längst akzeptiert. Aber irgendwie zieht kaum jemand die Konsequenz. Woran liegt das? Das wird verschiedene Gründe haben:

Erstens leben wir in einer Gesellschaft, in der die meisten Menschen für die Lösung jedes Problems – besonders vom Arzt – eine Pille wünschen. Anweisungen wie »essen Sie weniger Zucker, hören Sie mit dem Rauchen auf, bewegen Sie sich mehr« werden meist erst befolgt, wenn es einen deutlichen Warnschuss in Form schwerer Erkrankung gab – bestenfalls. Eine schnelle Lösung ohne Bemühung, am besten eine Abkürzung soll her. Medikamente mit Nebenwirkungen, je schwerer desto besser, werden als handfeste Lösung empfunden. Anweisungen zum Lebenswandel hingegen – Ernährung, Bewegung, Schlafhygiene, Stressbewältigung und so fort – die große Wirkungen und keine negativen Nebenwirkungen haben, sind verpönt und gelten als Gewäsch. Und viel zu mühselig.

Zweitens halten viele Menschen Stress, Hektik und Unruhe für unvermeidbar. Sie machen das Leben in der Moderne, die schwierigen Zeiten, die Gesellschaft, die Industrie, die Medien dafür verantwortlich. Da gibt es in der Tat Verbindungen, doch die sind nicht ursächlich. Ob jemand gestresst, hektisch und unruhig ist, bleibt grundsätzlich ihm selbst überlassen. »Die meisten Menschen sind dauernd gestresst, das ist normal«, ist ein hundsmiserables Argument, zumal wir längst wissen: Normal ist nicht gesund. Richtig ist: Viele Menschen wuseln ihr Leben lang reaktiv durch den Alltag und verhalten und fühlen sich wie ein Spielball ihrer Umstände und Lebensereignisse. Das muss aber nicht so sein und es hat nichts zu tun mit dem sozioökonomischen Status und alles mit der Geisteshaltung. Am Ende ist es eine bewusste Entscheidung, ob man gelassen bleibt oder sich hetzen lässt. Es gibt sie, die Mütter von sieben Kindern, die als achtes Kind noch ihrem arbeitenden Ehemann – kein Großverdiener – den Rücken freihalten; alleinerziehende Väter von vier Kindern, die sich aus einem Schuldenberg freiarbeiten und ein eigenes Unternehmen gründen; Schüler, die trotz erhöhter Belastung und ohne Unterstützung der Eltern erfolgreich und ohne Panikattacken, Ängste und Stress Abitur machen. Und sie alle bleiben dabei gesund und zufrieden – bis ins hohe Alter. Die mögen nicht normal sein, aber sie sind auch nur Menschen; jedoch solche, die mit ihren Herausforderungen anders umgehen. Ein Leben ohne Dauerstress, Hektik und Unruhe ist möglich – und sinnvoll. Darauf komme ich später zurück.

Drittens fehlt den meisten Menschen schlicht das Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen. »Stress macht auch körperlich krank« ist eine recht dünne Erläuterung. Für viel mehr haben die meisten Ärzte allerdings per Kalkulation kaum Zeit. Und weiteres Verständnis fehlt für die Tatsache, dass die unter Punkt eins genannten Gewohnheiten des Lebenswandels teils stärker wirken als die wirkungsvollsten Medikamente. Wenn dann die Stress-blabla-und-Lebenswandel-blabla-Rede kommt, geht das bei den meisten Patienten zum einen Ohr rein und zur Nase direkt wieder raus. Wenn man etwas nicht versteht, kann es schlecht wirken. Auch das ist nachgewiesen. Deswegen erläutere ich im folgenden Abschnitt:

Was passiert im Körper, wenn du gestresst bist?

Stress oder ein Stressor ist ein Reiz, der eine Anpassung erfordert. Man spricht auch von Adaption oder definiert: Die Stressreaktion des Körpers ist ein adaptiver Mechanismus.

Wenn du den Säbelzahntiger auf dich zulaufen siehst, ist das ein Stressor. Du möchtest nun weglaufen oder auf einen Baum klettern, jedenfalls dich raus aus der Gefahr bringen und in Sicherheit. Damit du das tun kannst, benötigst du schnell viel Energie. Das ist die Adaption deines Körpers: Es wird Cortisol ausgestoßen. Cortisol wiederum mobilisiert unter anderem gespeichertes Glycogen und erhöht so den Blutzucker, damit du genügend Energie für deinen Rettungsversuch hast. Beim Weglaufen oder Klettern verbrauchst du diese Energie. Hat sich der Säbelzahntiger wieder verkrümelt und die Gefahr ist gebannt, ist der Stress vorbei und die Energie verbraucht.

Das ist ein akutes Stressereignis, so hat sich der Mechanismus per Evolution entwickelt und gesundheitlich ist das kein Problem. Etwas ähnliches passiert zum Beispiel auch beim Krafttraining mit hohen Gewichten und in ähnlichen Situation: Viel Energie wird für ein kurzfristiges Ereignis angefordert, freigesetzt und direkt verbraucht.

Deswegen ist Stress kein grundsätzliches Problem. Ein Problem wird Stress dann, wenn er chronisch ist. Es müsste also die Jaja-chronischer-Stress-ist-ungesund-blabla-Rede heißen. Chronischer Stress bedeutet: Dauernd erhöhter Blutzuckerspiegel und Blutdruck und alles, was man noch in einer Flucht-oder-Kampf-Situation benötigt. Zugleich dauernd nichts, was man in solch einer Situation nicht benötigt: Verdauung, Fortpflanzung, Schlaf und so fort. Dementsprechend Verstopfung, Libidoverlust, Erektionsstörungen, Erschöpfung. Die Wirkung des Stresshormons Cortisol kommt mit noch mehr schweren Nebenwirkungen. Darunter Insulinresistenz, Beeinträchtigung des Fettstoffwechsels und Appetitgefühls sowie zum Beispiel die Unterdrückung des Immunsystems.

Hast du dich schonmal gewundert, warum du nur am Wochenende oder im Urlaub krank wirst? Bedanken darfst du dich beim Cortisol, welches dein Immunsystem in Schach hält, solange du leisten musst oder korrekt: So lange du glaubst, du müsstest um jeden Preis leisten. Nicht krank werden unter Leistungsdruck klingt zwar praktisch, hat jedoch nachteilige Folgen, denn bei unterdrücktem Immunsystem haben natürlich Viren einen Freischein – die Krankheit nach Abfall des Cortisols ist umso schwerer.

Und: Cortisol macht fett! Oder genauer: Cortisol macht krank und ein Symptom dieser Erkrankung ist häufig Übergewicht – die Zunahme von Körperfett. Cortisol fördert die Fettspeicherung besonders im Bauchbereich, fördert den Muskelabbau und somit den Anstieg des Körperfettanteils, erhöht den Appetit und senkt die Widerstandskraft gegen Versuchungen. Im Detail beschreibe ich diese und weitere Mechanismen in der Episode Knackiger Bauch: Stehen die Hormone im Weg? Du hast die Kontrolle | Hormone und Fettabbau.

Chronischer Stress ist also ungesund und macht fett, weil er entsprechende physiologische Folgen hat. Was ist nun chronischer Stress? Dauerstress. Das dauernde Gefühl, überfordert zu sein: Cholerisch brüllende Vorgesetzte, Lärmbelastung, Mobbing, Überarbeitung, dauernde Ängste zum Beispiel durch Nachrichtenkonsum, Anspannung, Sorgen – und schwelende Konflikte, das spezifische Thema dieser Episode.

Auch ein Konflikt ist ein Stressor: Ein Ereignis, das eine Anpassung erfordert. In diesem Zusammenhang nennen wir die Anpassung meist: Lösung. Führt man diese Lösung nicht herbei, bleibt der Stress. Und wird chronisch. An dieser Stelle nehmen wir die Fährte des Kernthemas dieser Episode auf:

Schwelende Konflikte machen krank (und fett)

Man kann Konflikte auf viele Arten unterscheiden, zum Beispiel so:

  • Heiße Konflikte (offen ausgetragen) werden oft direkter bearbeitet und können schneller gelöst werden.
  • Kalte Konflikte (unausgesprochen, subtil) bergen ein höheres Stresspotenzial, da sie langfristig untergründig wirken und körperliche Symptome wie Magenprobleme auslösen können.

Nicht jeder Konflikt wirkt automatisch als Stressor, aber ungelöste oder chronische Konflikte entwickeln sich häufig zu einer signifikanten Stressquelle. Aus meiner Sicht kann das auf beide Konfliktarten, wiederkehrende heiße, also offen ausgetragene, und kalte Konflikte zutreffen.

Dabei bin ich kein Freund solcher Schubladen, was ich mit diesem Beispiel umreißen möchte: Die Mutter streitet sich jede Woche mit ihrer Tochter, weil diese wieder den Müll nicht rausgebracht hat. Das passt in die Schublade der wiederkehrenden heißen Konflikte. Die Mutter wird sauer und ermahnt die Tochter, welche rumdiskutiert und letztlich aber ihren Fehler zugibt und Besserung verspricht. Bis zur nächsten Woche. Wie gesagt: Oberflächlich ein wiederkehrender heißer Konflikt.

Allerdings kann man argumentieren, dass darunter ein kalter, unausgesprochener Konflikt liegt. Der kann zwischen den Parteien liegen, weil vielleicht die Tochter ihre Mutter nicht respektiert oder die Mutter unvernünftige Forderungen stellt – etwa weil der Müllsack grundsätzlich 50 Kilo wiegt und die Tochter ihn gar nicht allein heben kann. Oder es ist ein interner Konflikt der Mutter, die sich im Grunde über ihre eigene Inkonsequenz bei der Erziehung ärgert oder über ihre mangelhafte Abgrenzung. Oder sie empfindet das Verhalten der Tochter als persönlichen Angriff, hebt es damit auf die Beziehungsebene und durch ihren schlechten Selbstwert sieht sie sich zutiefst in einem Grundbedürfnis bedroht. Oder die Tochter sehnt sich nach Aufmerksamkeit und sieht ihr Verstoßen gegen die Vereinbarung als einzige Möglichkeit zum Befriedigen dieses Bedürfnisses. In all diesen Fällen wäre das Rausbringen des Mülls – der heiße Konflikt – nur ein Auslöser und der eigentliche kalte Konflikt liegt viel tiefer.

In jedem Fall bereitet der Konflikt Stress. Und mangelndes Selbstwertgefühl der Mutter oder die Sehnsucht nach Aufmerksamkeit der Tochter (im Grunde auch ein mangelhaftes Selbstwertgefühl) sind schwelende Konflikte, die chronischen Stress verursachen. Somit besteht bei beiden die Wahrscheinlichkeit, durch diesen Konflikt krank zu werden und in dem Zuge zum Beispiel überschüssige Fettdepots auf- oder nicht abzubauen.

Es hilft, wenn man möglichst viele Beispiele und die zugrundeliegenden Muster von Konflikten kennt, damit man diese im eigenen Leben identifizieren und folgerichtig auflösen kann. Einige häufige davon werde ich später umreißen und darüber hinaus weitere hilfreiche Quellen nennen.

Schauen wir uns zuvor Faktoren der Beziehung zwischen Konflikten und Stress an:

Dauer und Lösungskompetenz: Kurzfristige Meinungsverschiedenheiten müssen nicht zwangsläufig stressen, solange sie konstruktiv geklärt werden. Wilhelm und Alberta haben ein Haus gekauft, stehen nun im Wohnzimmer und sind unterschiedlicher Meinung über die passende Wandfarbe. Alberta hätte es gern Altrosa, Wilhelm zieht Warmgrau vor und beide bringen gute Argumente für ihre Position vor. Das ist ein Konflikt. Aber Wilhelm vertritt die Position, dass er hier keine Armee auf dem Schlachtfeld hat. Er diskutiert durchaus ein paar Minuten mit Alberta, denn ganz egal ist ihm die Farbe nicht. Aber recht bald gibt er nach und der Konflikt ist vorbei. Er kann mit Altrosa leben. Die Lösung ist gut und es folgt kein Stress.

Das war ein kurzer Konflikt, geprägt von Lösungskompetenz, denn keiner der beiden packt alte Kamellen aus und bringt vergangene Konflikte auf den Tisch, niemand nimmt die Farbwahl persönlich, sondern es herrschen Argumente und respektvoller Umgang im Austausch.

Erst wenn Konflikte persistieren oder ignoriert werden, steigt die Cortisolbelastung und das Risiko für Bluthochdruck oder Schlafstörungen. In diesem Beispiel könnte das passieren, wenn Wilhelm eben nicht mit Altrosa leben kann, weil er die Farbe fürchterlich findet. Er könnte trotzdem nachgeben, aber Alberta dann ständig durch passive Aggression triezen und das belastet am Ende beide. Oder Alberta könnte grundsätzlich enttäuscht sein, dass sie nicht von vornherein immer einer Meinung sind. Oder sie könnte sich Sorgen machen, dass Wilhelm zwar ihrem Wunsch zustimmt, aber dafür zu viel zurücksteckt, sozusagen eine Kröte schluckt und dadurch einen Groll hegt.

Auch, und das ist besonders wichtig, geht es Wilhelm und Alberta um die Sache und nicht ums Rechthaben. Viele Diskussionen arten aus, weil eine oder beide Parteien ihr Ego ins Spiel bringen und unbedingt gewinnen möchte. Doch was geschieht, wenn einer gewinnt? Der andere verliert! Das fühlt sich schlecht an und belastet die Beziehung, die Folge ist häufig chronischer Stress. Ziel eines Konflikts ist nie das Gewinnen, sondern eine Lösung. Das Rechthaben steht dem im Weg und spielt überdies meist gar keine Rolle. Rechthaben nimmt uns häufig die Empathie, eben weil wir uns im Recht sehen und keinen Anlass für Zugeständnisse sehen. Der Blick auf den Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit verdeutlicht schnell die Fallstricke des Rechthabens. Du kannst alles richtig machen, immer recht haben und am Ende doch falsch liegen oder alles verlieren.

Individuelle Resilienz: Die persönliche Fähigkeit, mit Spannungen umzugehen, bestimmt maßgeblich, ob ein Konflikt als Stressor wahrgenommen wird. Hier komme ich zurück zu jenen, die mit Druck umgehen können und jenen, die jede Woche oder gar täglich schreiend die Hände in die Luft werfen: Auch die stärksten Kämpfer brechen mal ein und sehen sich überfordert. Menschen sind verwundbar. Das ist allerdings ein völlig anderes Thema.

Die Frage ist nicht, ob du verwundbar bist oder dich überfordert siehst. Wer nicht auf dem Grat zwischen Forderung und Überforderung wandelt, kann sich nicht weiterentwickeln. Die einzige Frage ist, wie man mit dem Kippen in die Überforderung umgeht. Sieht man darin ein Versagen? Schreit man auf und wirft alles hin, versteckt sich unter der warmen Kuscheldecke? Fühlt man sich makelbehaftet, seine Gegner bestätigt, sein Selbstbild, seine Identität bedroht? Sinkt der Selbstwert in den Keller?

Selbstwert ist das Stichwort: Ein starkes Selbstwertgefühl gibt Souveränität. Starker Selbstwert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man eben keinen Makel in Fehlschlägen sieht und sich nicht bedroht fühlt. Damit stellt sich auch nicht die Frage, ob man allen empfundenen Anforderungen – und dementsprechend beteiligten Menschen – gerecht wird. Die Souveränität hohen Selbstwerts ist damit die ultimative Ressource im Umgang mit Konflikten und Stress im Allgemeinen. Souveränität bedeutet hier uneingeschränkte Macht über sich selbst oder vollständige Selbstbestimmung. Wer darüber verfügt, braucht keinen Konflikt zu fürchten, denn er hat die Gewissheit: »Egal, wie es ausgeht – ich bin und bleibe Souverän.« Er weiß weiterhin: »Ein Fehlschlag ist keine Niederlage, sondern er gibt mir Informationen darüber, was nicht funktioniert und was ich verbessern kann.« Der Souverän macht das Hinfallen, die Überforderung, zum Wachstumsreiz. Das geht über Resilienz hinaus; der Forscher Nassim Taleb taufte diese Eigenschaft: Antifragilität. Ein antifragiles System übersteht Belastungen nicht nur, sondern es wird dadurch stärker.

Umgekehrt ist häufig bei Menschen, die ihre Anforderungen ständig als Überforderung empfinden und daran verzweifeln, ein Mangel im Selbstwertgefühl zu beobachten. Wer sich tief im Inneren nach Anerkennung und Bestätigung seiner Mitmenschen sehnt, glaubt schnell, er müsse alle Anforderungen mit Perfektion meistern. Allein die morgendliche Vorstellung, nicht alle Aufgaben des Tages zu schaffen kann solche Menschen aus der Fassung bringen. Hinter der Fassade und in der Regel auch für den Betroffenen selbst völlig unerkannt läuft diese Folgerung ab: »Wenn ich nicht absolut alles perfekt hinbekomme, enttäusche ich meine Mitmenschen und werde ihnen nicht gerecht. Dann bekomme ich keine Anerkennung oder Bestätigung und meine Bindungen sind in Gefahr.« Dieses Prinzip gilt natürlich umso mehr bei Konflikten zwischen zwei Personen und noch mehr, wenn diese sich nahestehen wie in einer romantischen Beziehung. Überforderung ist eine Art Kontrollverlust – das Gegenteil von Souveränität.

Genau hier kommen auch problematische Beziehungen von Kindern zu ihren Eltern zum Tragen: Unser Verhalten im Fall eines Konflikts ist geprägt durch Erfahrungen aus der Kindheit – auch wenn wir das meist so nicht wahrnehmen. Eine detaillierte Beschreibung würde eine ganze Episode füllen. Es genügt zu wissen: Unser Verhalten als Erwachsene in Konfliktsituationen beruht weitestgehend auf Kindheitserfahrungen – durch eine Verbindung die uns meist gänzlich unbewusst ist. Erst, wenn man diesen Zusammenhängen nachgeht und sie begreift, kann man nachteiliges Verhalten in und Erleben von Konflikten abstellen.

Zum Beispiel haben meine Eltern sich extrem selten gestritten. Sie waren beide überangepasst: Zu nett. Wenn es doch mal eine Auseinandersetzung gab, ging mein Vater an irgendeinem Punkt raus und kam später wieder, als wäre nichts gewesen. So lief das auch mit seinen Kollegen. Mein Vater war ein sehr lieber, großartiger Mensch. Aber Konflikte gehörten nicht zu seinen Stärken. Meine Mutter hingegen, eine großartige Frau, wurde schnell unsachlich – wenn auch nicht persönlich feindselig – und stur. Viele Konflikte blieben ungelöst. Das mag ein Grund dafür sein, dass ich lange Zeit Schwierigkeiten hatte, die Bedeutung einer Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit für eine zwischenmenschliche Beziehung einzuschätzen. Meine Eltern jedenfalls waren beide zu nett. Die tödlichen Tücken der Nettigkeit beschreibe ich in der Episode: Wie Nettigkeit dir und deinen Mitmenschen schadet – Neinsagen, Grenzen und Aufgabentrennung.

Wenn Eltern sich streiten, sollten sie dies nicht vor ihren Kindern verstecken. Sonst lernen die Kinder gar keine Streitkultur.

Genug aus der Kinderstube. Wer gesundheitliche Konsequenzen wie ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen, Immunschwäche, psychosomatische Beschwerden (siehe den Ausdruck »Das schlägt mir auf den Magen.«) und andere Folgen chronischen Stresses wie Übergewicht vermeiden will, sollte seine Konflikte bearbeiten: Die Äußeren und die Inneren.

Innere Konflikte sind solche mit sich selbst. Solche Momente zum Beispiel, in denen man damit ringt, das zu tun, was man selbst möchte oder das, was andere vielleicht erwarten oder noch schlimmer, was man glaubt, das sie erwarten. Wer dieses innere Wertesystem nicht aufräumt und keine Prioritäten setzt, leidet häufig lebenslang unter einem schlechten Gewissen. Gegenüber dem Vater, weil man nicht den Beruf gewählt hat, den er sich gewünscht hat; gegenüber der Mutter, weil man ihren Traum nicht weiterführt, den sie der Geburt ihres Kindes wegen aufgegeben hat; gegenüber den eigenen Kindern, weil man glaubt, nicht genug für sie da zu sein.

Solche Konflikte lösen sich nicht von selbst auf. Sie erfordern proaktive Bewältigung – nur Reflexion kann so eine Stressspirale unterbrechen. Konkrete Strategien stelle ich gleich vor. Zunächst fasse ich zusammen:

Warum besonders psychosozialer Stress das Abnehmen sabotiert

Konflikte im Sinne dieser Episode sind psychosozialer Stress. Unter Stress ändert sich das Essverhalten. Das ist hormonell bedingt und auch dem Verlust mentaler Kraft geschuldet: Wir greifen zu mehr Zucker und Fett, haben weniger Kontrolle über unsere Impulse.

Unter psychosozialem Stress missbrauchen wir Essen als Befriedigung oder Trost. Besonders Salz, Zucker und Fett können, vereinfacht ausgedrückt, Glücksgefühle auslösen, welche erstens eine innere Leere zu füllen scheinen, zweitens jedoch auch von der Lösung des Konflikts ablenken.

Psychosozialer Stress durch Konflikte führt häufig zu Schlafmangel und Erschöpfung und beeinträchtigt dadurch den Stoffwechsel. Wer erschöpft ist, greift tagsüber instinktiv zu energiereicheren Snacks. Wenn man die halbe Nacht wach liegt und Wut oder Frust ungelöster Konflikte durch den Kopf geistern, hat das drastische Auswirkungen auf die Gesundheit.

Es entsteht ein Teufelskreis aus Konflikten, emotionalem Essen und Gewichtszunahme, welche meist die eigene Unzufriedenheit verschlimmert. Unzufriedenheit mit sich selbst wiederum ist eine häufige Quelle von Konflikten und Eskalationen.

Dabei betone ich: Fettwerden ist nur ein sichtbares von vielen Symptomen psychosozialen Stresses. Andere Auswirkungen habe ich bereits angesprochen: Zum Beispiel Herz-Kreislauferkrankungen, Immunschwäche oder psychosomatische Beschwerden. Das Übergewicht durch schwelende Konflikte kann sich drastisch zeigen oder nur als kleine Beule am Bauch, der häufigsten Position stressbedingter Fettdepots. Egal welches Ausmaß: Es ist ein ernstzunehmendes Symptom und schwelende Konflikte sind eine mögliche Ursache.

Und bereits zuvor hatte ich dies versprochen:

Weitere Beispiele für schwelende Konflikte

Der Vater, der seine Zeit zwischen seiner Frau und seinen Kindern, seinen Freunden und seiner Arbeit aufteilen muss. Sein Konflikt: Er glaubt erstens, eigentlich müsse er allen jeweils 100 Prozent geben und zweitens, er müsse sich für seine Entscheidung rechtfertigen. Er steht ständig im Konflikt mit sich selbst und hat ein schlechtes Gewissen allen gegenüber. Woher rührt das? Er sucht die Anerkennung, Zuneigung oder Bestätigung dieser Mitmenschen und hat tief im Inneren Angst, wenn er ihnen nicht – nach seinem Empfinden – gerecht wird, verliert er die Bindung. Dahinter steckt der meist unsichtbare Glaubenssatz: Um geliebt zu werden muss ich etwas tun.

Die Mutter, die ihrem längst volljährigen Sohn eigentlich mal so richtig den Kopf waschen möchte, weil er sich hängen lässt, nichts zu Ende bringt, jeglicher Herausforderung ausweicht. Letztlich macht sie sich Sorgen um ihn. Der Sohn telefoniert regelmäßig mit seiner Mutter – im Grunde haben sie ein gutes Verhältnis. Doch er klagt ständig sein Leid und natürlich sind immer die anderen Schuld. Die Mutter verzweifelt, weil keiner ihrer Ratschläge angenommen wird; der Sohn kann die Anstöße seiner Mutter nicht mehr hören. Die Mutter findet keinen Weg aus ihrer Mutterrolle und kann sich zugleich nicht ausreichend abgrenzen, ist also zu nett und will die Beziehung nicht belasten; der Sohn hat einen ganzen Haufen psychologischer Baustellen und im Konflikt mit seiner Mutter steht seine Angst vor dem Verlust von Selbstbestimmung – Autonomie – wenn er ihren Rat annimmt im Vordergrund. Und dahinter steckt mangelnder Selbstwert.

Der Sohn, dessen jedes Telefonat mit seiner Mutter zwar friedlich verläuft, der jedoch ständig die Enttäuschung seiner Mutter über seine Lebensentscheidungen hört, auch wenn seine Mutter nie wirklich darüber spricht. Dadurch sind die Gespräche immer auch angespannt. Er fühlt sich nicht akzeptiert, wie er ist; weiß allerdings auch, dass sein Selbstwert nicht der beste ist. Was er nicht sieht: Seine Mutter liebt ihn – so wie die meisten Mütter – bedingungslos. Tatsächlich ist er selbst nicht ganz zufrieden mit seiner Lebenssituation, denn durch seinen mangelnden Selbstwert stellt er viele seiner Entscheidungen in Frage. Diese Verunsicherung projiziert er auf die Telefonate mit seiner Mutter und im Grunde sieht er hinter jedem Vorschlag eine versteckte Kritik an seinem Lebenswandel.

Ich, der jahrzehntelang zu nett war und deswegen wiederholt gegen die eigenen Werte verstoßen und mir dadurch massive gesundheitliche Probleme zugezogen habe. Ich habe mich Menschen zu verpflichtet gefühlt, mich von ihnen emotional missbrauchen und bis zur Depression aussaugen lassen, weil ich keine ausreichende Abgrenzung gelernt habe. Wie kam es dazu? Mit dem Selbstwert hatte ich nie Probleme, allerdings habe ich aufgrund verschiedener Umstände erst spät Erfahrungen sammeln können, und konnte die nötigen Fähigkeiten zu spät in der Praxis üben. Hinzu kommt eine fantastische, starke Mutter, die allerdings selbst zu aufopferungsvoll war und anderen Menschen zu viel von sich gegeben hat. Und ein unglaublich lieber, friedvoller, aber in seiner Rolle als Gegenpol und maskulines Vorbild leider schwacher Vater – und das ist mühelos nachvollziehbar für fast die gesamte Generation der Nachkriegsväter, ihrerseits Söhne von zu früh gestorbenen oder emotional schwer belasteten Vätern, also mangelhaften maskulinen Vorbildern. Der Verstoß, das Handeln wider der eigenen Werte zerstört die Integrität – eine häufige Konflikt- beziehungsweise Stressquelle.

Es gibt eine Million und mehr solcher Geschichten. Was mich fasziniert: Die zugrundeliegenden Muster sind nur eine Handvoll. Am Ende läuft es fast immer auf den Selbstwert hinaus. Dem Thema habe ich bereits mehrere Episoden gewidmet, es ist zentral für die Arbeit am Lebenswandel. Hör zum Beispiel rein in die Episode: Wie liebt man sich selbst?

Wer lernen möchte, diese wenigen Muster schnell zu erkennen, damit er sie auch bei sich selbst identifizieren und abstellen kann, dem empfehle ich den Podcast von Stefanie Stahl: Stahl aber Herzlich. Mich beeindruckt zutiefst, wie viel diese Frau in einer Podcast-Therapiestunde wegschafft, wo andere Therapeuten nach zehn Stunden noch nicht einmal die Ursache gefunden haben. Dabei mag das Thema der jeweiligen Episode zunächst irrelevant für den eigenen Fall sein – letztlich findet man sich dennoch fast immer wieder.

Weiterhin empfehle ich das Buch Du musst nicht von allen gemocht werden von Kishimi und Koga, dem ich ebenfalls eine eigene Podcast-Episode gewidmet habe. Es nimmt Bezug auf die Arbeit Alfred Adlers und zeigt den Weg zu unerschütterlicher Zufriedenheit – anhand von Themen wie Selbsterkenntnis, Unabhängigkeit und Zugehörigkeit, Akzeptanz, Zuversicht und Selbstliebe. Als Kurzzusammenfassung biete ich dazu Adlers Anleitung zur Zufriedenheit an.

Denn letztlich kann die Lösung zwischenmenschlicher Konflikte nur gelingen, wenn man mit sich selbst im Reinen ist. Jeder äußere Konflikt lässt sich auf einen inneren Konflikt zurückführen. Wer also Zufriedenheit mit sich selbst erlangt, wird zwischenmenschliche Konflikte entweder stets schnell lösen können oder sich zumindest von ihnen nicht stressen lassen.

Weiter kann man formulieren: Wer mit sich selbst zufrieden ist und hohen Selbstwert genießt, ist schwer aus der Ruhe zu bringen. Denn es gibt dann keine Spannungen hinsichtlich eigener, empfundener äußerer oder unerfüllter Erwartungen.

Wirklich blühen kann solch innerer Frieden allerdings nur in einem gesunden Körper und Geist. Diese bieten darüber hinaus eine ganze Reihe weiterer Ressourcen für die wirklich harten Momente im Leben, an denen man zu brechen droht oder diesen Punkt bereits überschritten hat.

Erlangen kann man diese Ressourcen durch Gewohnheiten des Lebenswandels.

Teil 2: Die Elemente des Lebenswandels als Lösung: Konflikte entschärfen, Körper entlasten

Der Lebenswandel besteht aus den Routinen, den Gewohnheiten des Alltags. Sie können der Anker des Selbstwerts sein und ihrerseits als Quelle von Zufriedenheit dienen. Der Lebenswandel ist kein Ziel, sondern ein Standard. Das ist wichtig. Denn in Notsituationen, in Momenten der Schwäche oder wenn wir am Limit sind, also wenn wir fallen, dann fallen wir nicht hoch zu unseren Zielen, sondern hinunter in unsere Gewohnheiten. Wenn Disziplin und Motivation im Bett bleiben oder sich mit Wärmflasche aufs Sofa verkriechen, tragen Gewohnheiten uns durchs Leben. Ein Ziel ist außerdem ein Endpunkt. Und mit einem Ende kommt man im Leben nicht voran.

Über Gewohnheiten gesunden Lebenswandels geht es in meinem Buch Der Weg – Wie du einen gesunden Lebenswandel entwickelst und beibehältst und nicht zuletzt in praktisch jeder Episode des Urgeschmack Podcasts. Wie können diese Gewohnheiten in Ernährung und Bewegung, Schlafhygiene und Stressbewältigung, Geisteshaltung und Sozialleben beim Entschärfen von Konflikten helfen, Stress reduzieren und Körper und Geist entlasten? Schauen wir uns die Möglichkeiten in einem kurzen Überblick an:

Ernährung: Ausreichend Protein, maßvoller Umgang mit Kohlenhydraten oder zum Beispiel reichlich frische Lebensmittel liefern dem Körper die nötigen Nährstoffe, um auch in stressreichen Situationen keinen Engpass zu erleiden. Der Verzicht auf Zucker, Getreideprodukte, Fast Food und Fertiggerichte hilft dem hormonellen Ausgleich und reduziert oxidativen Stress (also Stress) direkt.

Bewegung: Krafttraining ist für ein gesundes Leben nicht verhandelbar, dient ebenfalls dem hormonellen Ausgleich und hilft besonders beim Stressabbau, verbessert die psychologische Resilienz, mindert Depressionen und gibt körperlich und geistig Kraft, die man auch zum Aushalten, Überstehen und Lösen von Konflikten nutzen kann.

Schlafhygiene: Ein Abendritual, vernünftiger Umgang mit Kunstlicht oder natürlich absolute Regelmäßigkeit und mindestens sieben, besser neun Stunden Schlaf pro Nacht sind das Minimum für vernünftige Erholung. Wer diese Gewohnheiten nicht pflegt, darf sich über mangelnde Ressourcen, Nerven oder Energie in der Konfliktbewältigung oder im Umgang mit Stress allgemein nicht wundern. Wer zu wenig schläft, muss mit verringerter Geduld, Empathie und Fähigkeit zur Lösungsfindung allgemein rechnen. Das behindert nicht nur die Konfliktbewältigung sondern erzeugt häufig erst viele neue Konflikte.

Stressbewältigung: Die wichtigste Lektion der Stressbewältigung ist, dass Stress nicht von außen kommt. Stress ist die Reaktion auf einen Reiz. Diese Reaktion findet nicht außen statt, sondern in dir. Wie man auf den Reiz reagiert hängt unter anderem ab von den eigenen Erwartungen: Muss ich überhaupt reagieren? Glaube ich, dass es eine richtige oder falsche Reaktion gibt? Glaube ich, dass ich bestmöglich reagieren muss? Glaube ich, dass ich alles stehen- und liegenlassen muss? Glaube ich, dass ich allen Erwartungen gerecht werden muss? Glaube ich abhängig von meiner Reaktion Ansehen, Anerkennung oder Zuneigung zu verlieren?

Glaubenssätze. Hier unterscheiden sich die Menschen, die gut mit Stress umgehen können von jenen, die sich von einem vollen Alltag überlastet fühlen. Es ist immer viel zu tun. Für jeden. Woher nehmen einige Menschen ihre Gelassenheit, wo andere kurz vorm Nervenzusammenbruch stehen? Sie gehen mit den Zwischenfällen des Alltags anders um. Sie erwarten erstens weniger, dass alles gutgeht. Zweitens sind sie darauf vorbereitet, dass etwas schiefgeht. Und drittens fürchten Sie nicht das Scheitern. Das Scheitern nicht ertragen können Perfektionisten. Perfektionisten haben meist Angst zu versagen, weil sie damit eine Entwertung in Anerkennung oder Zuneigung verbinden – allerdings wissen sie das meist gar nicht.

Das Fazit? Wenn du vor einer unausweichlichen Herausforderung stehst, egal wie sehr sie dir widerstrebt: Akzeptiere sie, nimm sie an – und dann greif sie an und überwältige sie mit deinem Willen. Widerwille schwächt dich. Wille gibt dir Kraft.

Ein weiterer Unterschied zwischen den gelassenen Felsen in der Brandung und aufgescheuchten Hühnern besteht in der Perspektive. Letztere sehen in einem Stressor – einem Konflikt – etwas Unangenehmes und geben ihm eine negative Bedeutung. Folgerichtig wird auch die Auswirkung negativ sein. Erstere betrachten das Hindernis als Herausforderung, als Gelegenheit zum Wachsen: als Wachstumsreiz. Für sie ist der gleiche Konflikt etwas Positives.

Mehr zur wirksamen Stressbewältigung erfährst du in der Episode Negativen Stress vermeiden & meistern | Der Weg zur Gelassenheit oder in meinem Buch Der Weg – Wie du einen gesunden Lebenswandel entwickelst und beibehältst.

Geisteshaltung und Sozialleben gehen im Fall von Konflikten natürlich direkt miteinander einher. Durch die entsprechende Geisteshaltung kannst du Konflikte minimieren und ein Umfeld schaffen, das dir guttut. Auch dazu geben die zuvor genannten Quellen Stefanie Stahl und besonders das Buch von Kishimi und Koga äußerst hilfreiche Anregungen und auch ich habe in Der Weg einiges dazu geschrieben. Du musst eben wirklich nicht von allen gemocht werden. Du darfst dich selbst und dein Wohlergehen priorisieren. Das musst du sogar tun, weil du andernfalls krank wirst und nicht mehr für deine Mitmenschen da sein kannst. Auch hier gilt: Kehre zuerst vor deiner eigenen Tür. Grübele nicht über vergangene Probleme, konstruiere keine Horrorszenarien. Nichts auf der Welt ist so schlimm wie die schlimmsten Vorstellungen, die ein Mensch haben kann – besonders wenn er nachts um 3 Uhr wach liegt. Ich vertrete die Auffassung, dass ich nie Probleme habe, sondern höchstens auf der Suche nach der Lösung bin. Für jede Tür, die sich schließt, öffnet sich eine andere. Und mit der richtigen Perspektive wird alles immer nur besser.

Es sollte nicht nötig sein zu erwähnen: Ernährung und Bewegung, Schlafhygiene und Stressbewältigung, Geisteshaltung und Sozialleben – diese Elemente des Lebenswandels haben samt und sonders auch direkte Auswirkungen auf den Stoffwechsel und Körperfettanteil. Wer diese Episode hört, weil er sich nur fürs Abnehmen interessiert, wird also mit der Lebenswandel-Klappe mehr als nur die fette Fettpolster-Fliegen erwischen, sondern zugleich seine Fähigkeit mit Konflikten oder dem Leben im allgemeinen klarzukommen, verbessern.

Was du sofort tun kannst gegen dick- und krankmachenden Stress durch Konflikte

Wiederholte und langanhaltende Konflikte wirken sich besonders heftig auf die Psyche und in weiterer Folge auch auf den Körper aus. Deshalb sollte man schon bei einem aufkeimenden Konflikt ähnlich vorgehen wie bei einer sich anbahnenden Grippe, nämlich sofort Maßnahmen ergreifen, um einen heftigen Verlauf und mögliche unnötige Folgen zu verhindern. Anders als bei Grippeviren kann man bei einem zwischenmenschlichen Konflikt bewusst und proaktiv auf die andere Person zugehen und an einer zügigen Lösung vor der Eskalation arbeiten. Dabei helfen Reflexion und Achtsamkeit:

  • Ist das Thema wirklich wichtig oder kollidieren hier nur zwei Egos, die Recht haben beziehungsweise behalten wollen?
  • Ist die andere Partei an einer gütlichen Lösung interessiert oder handelt es sich gar um einen persönlichkeitsgestörten Menschen, mit dem jegliche Diskussion zwecklos ist?
  • Lohnt sich also eine Diskussion, muss ich zu anderen Mitteln greifen oder kann ich das Thema als schmerzlichen Verlust abschreiben und meine Lebenszeit sinnvoller anderen Dingen widmen?
  • Ist es überhaupt wirklich ein zwischenmenschlicher Konflikt oder hadere ich hier tatsächlich mit meinen eigenen Werten, unklaren Prioritäten oder mangelndem Selbstwert?

Konflikte reduzieren kann man auch, indem man seine Beziehungen grundsätzlich verbessert. Die Qualität deiner Beziehungen ist allein deine Aufgabe und es liegt bei dir, problematische Beziehungen aufzuwerten oder sie zu beenden. Dazu ist wichtig, dass du deine eigenen Grenzen kennen, setzen, selbst achten und verteidigen lernst. Du und deine Werte müssen in deiner Welt an oberster Stelle stehen. Sonst wirst du krank und kannst deinen Mitmenschen nicht dienen. Meide jegliche toxische Beziehung und beende möglichst alle Verhältnisse dieser Art. Bleib allerdings fair: Nur weil jemand dir widerspricht oder Dinge sagt, die dich ärgern oder aufregen, ist er nicht toxisch. Das ist höchstens ein Fall einer problematischen Beziehung – was dich ärgert, aufregt oder beleidigt ist einzig dir überlassen. Psychopathen, Narzissten, Machiavellisten und Sadisten geht man möglichst aus dem Weg.

Stärke deinen Selbstwert. Wer sich seiner selbst sicher ist, wer also weiß, wer er selbst ist und die eigenen Werte kennt, übersteht Konflikte mit größerer Gelassenheit und lässt sich dadurch weniger stressen. Nutze dazu meine Episoden über Selbstachtung, Selbstliebe und Kishimi und Kogas Arbeit.

Identifiziere deine Stressquellen. Welche Konflikte belasten dich am meisten? Schiebe dies nicht vor dir her, hege den Groll gegen deine Mutter nicht jahre- oder jahrzehntelang, sondern rede Tacheles mit ihr, das heißt: Klartext mit dem Ziel der Verbesserung eurer Beziehung. Ja, das ist schwierig. Nein, das ist nicht ihre Aufgabe. Ja, du wirst dich hinterher besser fühlen, ganz gleich wie es ausgeht. Nur die schwierigen Dinge im Leben lohnen sich.

Übe Techniken zur Stressbewältigung: Atemübungen, Meditationen wie NSDR, Waldbäder oder Naturaufenthalte allgemein. Reflektiere: Was ist das Schlimmste, das tatsächlich passieren kann? Wie wichtig ist der Ausgang dieses Konflikts? Stell dir vor, du stehst auf dem Mond und blickst von dort mit bloßem Auge auf die Erde: Welche Bedeutung hat dieses Problem? Scheiterst du gerade nur an deinem Stolz, deinem Ehrgefühl, deinem Ego? Kannst du das zugunsten einer guten Lösung einfach ausschalten?

Beachte dein Essverhalten. Entwickle Strategien gegen emotionales Essen. Kaufe keine ungesunden Snacks. Halte proteinreiche, gesunde Snacks (zum Beispiel Proteinriegel oder -pudding) für Notfälle bereit. Nutze feste Mahlzeiten als Anker deiner Essgewohnheiten, iss nur am Esstisch und mache dir vielleicht zur Gewohnheit, grundsätzlich nichts zwischen den Mahlzeiten zu essen. Dafür müssen die regulären Mahlzeiten nahrhaft und gesund sein und reichlich Protein enthalten. Wenn dieses Fundament der Ernährung stimmt, wenn du regelmäßige, feste Mahlzeiten einhältst und genügend hochwertiges Protein, Gemüse, reichlich Mikronährstoffe und Antioxidantien zu dir nimmst, gehört das zu den besten Schutzmechanismen gegen die Auswirkungen von Stress.

Nutze Bewegung als Ventil. Krafttraining ist für ein gesundes Leben ohnehin nicht verhandelbar. Sport und besonders Krafttraining hilft beim Stressabbau, lindert und beugt Depressionen vor, balanciert den Stoffwechsel auch der Stresshormone und sorgt insgesamt für einen gesunden und resistenten Körper. Ausdauersport ist gut. Intensives Krafttraining macht dich stärker – auch und besonders mental. Wer ein schweres Gewicht beim Kreuzheben 20 mal heben oder einen schweren Sandsack ein Dutzend mal schultern kann, geht auch an die Herausforderungen und Konflikte des Alltags ganz anders heran. Krafttraining trainiert dich zum Erledigen schwieriger Aufgaben. Das Überwinden von Hürden und Herausforderungen ist eine Fähigkeit, die man üben kann. Wenn du dich auf die Ladung Mist vorbereiten willst, die das Leben dir manchmal unausweichlich in den Weg kippt, ist der beste Weg ein Lebenswandel, der dich darauf vorbereitet.

Zusammenfassung

Konflikte und Stress sind oft unerkannte Ursachen für Übergewicht.

Chronischer Stress etwa durch schwelende, kalte Konflikte erhöht den Cortisolspiegel, das steigert den Appetit und führt zur Fettspeicherung insbesondere am Bauch; es stört den Haushalt appetitrelevanter Hormone wie Leptin, Ghrelin und Insulin; kann Wassereinlagerungen verursachen; und bevorzugt Muskelabbau mit allen Folgen wie erhöhtem Körperfettanteil und schlechterer Insulinsensitivität. Chronisch hohes Adrenalin kann den Blutzuckerspiegel destabilisieren

Viele Menschen greifen in Stress- oder Konfliktsituationen zu kalorienreichen Lebensmitteln als Trost, das nennt sich emotionales Essen. Stress raubt auch Energie wodurch man Versuchungen schlechter Widerstehen kann.

Konflikte können Schlafprobleme verursachen, was Stoffwechsel und Insulinhaushalt verschlechtert und das Hungergefühl verstärkt.

Wer mit Konflikten beschäftigt ist, hat oft weniger Energie oder Motivation für Sport. Das führt zu Bewegungsmangel.

Ein Streit mit Partner oder Familie kann ebenfalls die Essgewohnheiten beeinflussen, z. B. häufiger ungesunde Snacks oder größere Portionen.

Wer Stress reduziert, verbessert nicht nur sein Wohlbefinden, sondern auch seinen Stoffwechsel.

Kleine, gezielte Änderungen im Alltag können große Wirkungen haben. Das mächtigste und umfassend wertvollste Werkzeug dafür sind die Gewohnheiten des Lebenswandels.