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Ist Bio ungesund und umweltschädlich?

Bio ist ungesundDas Bio-Siegel nach EG-Öko-Verordnung ist gezielte Irreführung. Bio-Produkte schaden der Umwelt, sind potentiell ungesund und qualitativ minderwertig. Sie stammen aus einem industriell kontrollierten System, welches eine Erosion der Esskultur fördert.

Das klingt nach einer Reihe grotesker Behauptungen. Sind diese Vorwürfe haltbar?

Ist Bio nicht die beste Qualität?

„In bester Bio-Qualität!“ ist eine Phrase, die die Industrie erfolgreich in die Köpfe vieler Verbraucher gebrannt hat. Anders als sie suggerieren möchte, ist Bio allerdings alles andere als das Maß der Dinge wenn es um Qualität geht.

Bio nach EG-Öko-Verordnung (im Folgenden einfach ‚Bio‘) ist ein Industrieprodukt. Es ist eine Imitation des konventionellen Systems mit leicht veränderten Regeln. Das Ziel ist nach wie vor die Gewinnmaximierung, nicht die Versorgung mit nachhaltig erzeugten Lebensmitteln. Wer lediglich einen politisch korrekten Sticker auf seinen Lebensmitteln sehen möchte, sich aber für tatsächliche qualitative, ökologische oder humanitäre Auswirkungen nicht interessiert, ist damit gut bedient.

Warum ist Bio nicht die beste Qualität?

Bio garantiert keine artgerechte Tierhaltung

Die Richtlinien für das Bio-Siegel sehen bessere Bedingungen für Tiere vor als die konventionelle Tierhaltung. Und besser ist durchaus erstrebenswert. In diesem Fall jedoch ist es noch immer weit von art- oder tiergerechter Haltung entfernt. Das erkennt jeder, der mal die zerzausten, blassen Tiere in einem Bio-Legehennenstall mit mehreren Tausend Tieren gesehen hat.

Es mag diesen Tieren besser gehen als ihren Genossen im Käfig, sie mögen etwas besseres Futter bekommen. Doch ihre Haltung ist nicht artgerecht. Dass es anders geht, zeigen besonders Kleinbauern immer wieder, die Hühner im Dutzend halten – im Freien. Und das hat auch Einfluss auf die Qualität der Eier, welche durch Wiesenhaltung eine signifikant höhere Nährstoffdichte aufweisen.

Bio garantiert keine Weidehaltung

Rinder sind Grasfresser. Ihr Magensystem ist für die Verdauung von Gras und Kräutern optimiert. Die Bio-Richtlinien bedingen jedoch keine reine Weidehaltung und sie gestatten die Fütterung von Getreide. Durch Getreide wachsen die Tiere schneller, werden schneller schlachtreif.

Durch Getreide übersäuern die Wiederkäuer jedoch, der pH-Wert ihres Verdauungsystems verändert sich, sie werden anfällig für Krankheiten. Und ihr Fleisch verändert sich: Die Qualität sinkt. Ob es sich dabei nun um Bio-Getreide handelt oder nicht: Artgerechte Ernährung für Rinder besteht aus Gras und Kräutern.

Bio ist Monokultur

Bio ist in vielerlei Hinsicht nicht der beste Umgang mit dem Land. Die Richtlinien erlauben intensive Landwirtschaft, sehen keine Pflege des Bodenlebens, des Humus vor.

Und so laugt auch die Bio-Landwirtschaft streng nach EG-Öko-Verordnung den Boden aus, denn gefüttert werden lediglich die Pflanzen mit Bio-Dünger; jedoch nicht der Boden und seine Lebewesen selbst. Bio ist ungesund für die Böden.

Ob es nun eine Fruchtfolge gibt oder nicht: Wenn Furche neben Furche mit Brokkoli bestückt ist, handelt es sich um eine Monokultur. Die mit Bio-Tomatenpflanzen besetzten Bio-Gewächshäuser sind Monokulturen. Mit all ihren Folgen: Das Ökosystem, die Pflanzen werden anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Und das führt zum nächsten Punkt:

Bio-Insektizide schaden der Umwelt

Zur Schädlingsbekämpfung nach Bio-Richtlinie setzen viele Betriebe zum Beispiel spezifische Marienkäfer-Spezies (Harmonia axyridis (Pallas)) ein. Diese importieren sie aus Asien (was per se kaum nachhaltig ist). Diese Marienkäfer geraten in die freie Wildbahn und können dort andere, lokale Spezies verdrängen, so Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen und auch selbst zur Plage (u.a. im Obst- und Weinbau).

Bio garantiert nicht die beste Qualität

Bio resultiert nicht in den besten Tierprodukten, denn die Tiere werden nicht artgerecht gehalten. Bio-Fleisch ist nicht das beste Fleisch und Bio-Eier sind nicht die besten Eier.

Auch resultiert Bio-Landbau nicht in der besten Qualität des Gemüses, denn hier geht es wie im konventionellen Bereich vornehmlich um Leistung, um die Fütterung der Pflanze. Der Boden besteht aus mehr als nur Stickstoff, Phosphor und Kalium (NPK).

Und so kann es sein, dass auf dem gleichen Wochenmarkt zwei Bio-Gemüsebauern (Bioland, um genau zu sein) stehen, die beide Rotkohl verkaufen, welche jedoch trotz gleicher Sorte völlig unterschiedlich schmecken: Abhängig ist dies von der Gesundheit des gesamten Bodens – oder dem, was davon noch übrig ist. Bio-Qualität kann daher gar kein Maßstab sein.

Das Bio-Siegel ist irreführend in Bezug auf die Qualität und die Umweltfreundlichkeit der ausgezeichneten Produkte. Doch es versagt auch in Bezug auf weitere, wichtige Aspekte der Lebensmittelversorgung:

Bio ist nicht regional und saisonal

Zu praktisch jeder Jahreszeit finden sich in Supermärkten fast alle konventionell erhältlichen Produkte auch mit dem Bio-Siegel. Zitronen, Äpfel und Bananen sind nur drei von unzähligen Beispielen, die zeigen, dass beim Bio-Siegel weder der regionale noch der saisonale Bezug Relevanz hat.

Bio bedeutet lange Transportwege

Äpfel und Kiwis aus Neuseeland, Bananen aus Südamerika, Tomaten aus Israel oder Spanien: Die Strecken variieren, sind jedoch keinesfalls stets die kürzesten. Was wir mühelos auch lokal produzieren könnten (Äpfel, Tomaten) wird dennoch über den halben Globus transportiert und ist entsprechend nicht mehr frisch und verursacht den Verbrauch fossiler Brennstoffe.

Bio fördert keine transparente Nahrungskette

Genau die langen Transportwege, vielen Mittelsmänner und der mangelnde lokale Bezug verhindern den Aufbau einer transparenten Nahrungskette. Dies ermöglicht und fordert Lebensmittelskandale geradezu heraus und es erschwert den Erhalt von Familienbetrieben. Kommunale Netzwerke gehen verloren und die wirtschaftliche Grundlage besonders ländlicher Gemeinden leidet.

Aber Bio ist doch trotzdem immer gesund, oder?

Praktisch alles kann Bio-zertifiziert werden. Auch Zucker. Bio-Zucker ist jedoch noch immer Zucker, mit all seinen potentiell negativen Nebenwirkungen. Und Bio-Weizen ist noch immer Weizen, auch er enthält Gluten und andere Anti-Nährstoffe.

Bio-Produkte im Vergleich zu ihren konventionellen Pendants sind daher per se keinen Deut gesünder als Zigaretten, denen man Filter aufsteckt. Der Marketing-Trick ist übrigens der gleiche: Ein Produkt weniger ungesund machen und es dabei als gesund verkaufen.

Ob Bio ungesund ist, hängt vom Produkt ab. Und von der verzehrten Menge. Das Siegel schützt auf keinen Fall vor dem Verzehr ungesunder Lebensmittel.

Was ist Bio?

Bio ist vornehmlich ein Etikett, das nur wenig Aussage über das Produkt trifft. Es suggeriert die Lösung aller Probleme, ist jedoch selbst Teil des Problems. Der Gedanke ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch die aktuelle Ausführung führt in eine Sackgasse.

Frei nach Eliot Coleman:

„Bio ist ein Industrieprodukt. Es imitiert die chemielastige, die konventionelle Landwirtschaft mit anderen Regeln. Sie betrachtet die Umwelt als unzureichend, greift zu Bio-Dünger aus der Tüte oder Flasche, zu Bio-Insektiziden. Sie behandelt die Symptome von Pflanzenstress – Schädlinge und Krankheiten – mit Bio-Waffen. Diese Bezieht sie aus dem industriellen Netzwerk der Bio-Lieferanten, welches ihnen diese teuren Lösungen gerne verkauft. Das Ziel der Bio-Etiketten ist, die Richtlinien zu befolgen und internationale Abkommen zu achten. Für die Industrie ist dies eine akzeptable Variante der chemiebasierten Landwirtschaft, leicht zu quantifizieren und zu kontrollieren. Das System setzt die Abhängigkeiten der Landwirte von Mittelsmännern und Düngemittellieferanten fort.“

Aber irgendwie müssen wir uns doch ernähren. Wie soll das sonst gehen?

Es gibt zahlreiche Ansätze, Landwirtschaft zu betreiben – oder Lebensmittel zu erzeugen – und zugleich die genannten Kritikpunkte positiv zu adressieren. Sie alle bedingen jedoch einen Perspektivwechsel. Die Frage darf offenbar nicht mehr lauten „Wie kann ich Lebensmittel Erzeugen und dabei möglichst viel Geld verdienen?

Stattdessen lautet eine Lösung „Wie kann ich Lebensmittel Erzeugen, ohne der Umwelt zu schaden?“ Diese Frage bedeutet nicht, dass dabei kein wirtschaftlicher Profit entstehen kann. Dafür, dass Lebensmittelerzeugung, Landheilung und Profit vereinbar sind, gibt es zahlreiche Beispiele, darunter Joel Salatin, Dan Barber, Landwirtschaftsgemeinschaftshöfe, Permakultur und die vielen biodynamische Ansätze.

Lebensmittelerzeugung im Einklang mit der Natur bedeutet nicht Verzicht auf Profit, sondern eher langsameres Wachstum. Es bedeutet auch den Wiederaufbau und den Erhalt lokaler, kommunaler Strukturen und menschlicher Beziehungen.

Das Bio-Siegel mag auf einem sinnvollen und zukunftsweisenden Gedanken basieren. Wichtig ist jedoch nicht der Aufkleber, sondern die Ausführung.

Sollte ich also keine Bio-Produkte mehr kaufen?

Verglichen mit den Produkten aus der konventionellen Landwirtschaft, sind Bio-Produkte fast immer die bessere Wahl für Ihre Gesundheit, den Geschmack und die Umwelt. Das Gute sollte nicht der Feind des Besseren sein. Dennoch sind Bio-Produkte nur ein winziger Schritt, der zugleich in eine Sackgasse führt. Eine weitere Unterstützung des industriellen Bio-Systems wird langfristig offenbar keine Lösung bringen. Ein Bio-Landwirt ist nicht automatisch der bessere Landwirt. Relevant ist die Methode, nicht das Zertifikat.

Wenn Sie wirklich eine Veränderung herbeiführen möchten, empfiehlt es sich, die oben genannten Lösungen zu wählen. Das heißt: Regionale, saisonale Lebensmittel zu kaufen und gegebenenfalls die solidarische Landwirtschaft als Lieferanten für ihre Lebensmittel zu wählen.

Das Bio-Siegel präsentiert sich auf Kosten vieler Landwirte als einfacher Ausweg aus der konventionellen Landwirtschaft, verschleiert jedoch mehr Probleme als es effektiv löst. Bio-Landbau ist nicht per se besser oder schlechter für uns oder die Umwelt. Relevant ist nicht das Zertifikat, sondern die Methode und die Einbindung in die Nahrungskette als Ganzes. Wir sollten uns über jeden Landwirt freuen, der bereit ist, sich mit dem Ziel, etwas zum Positiven verändern, in dieses Geschäft begibt. Und ihn unterstützen – und zwar möglichst direkt: Also regional.

Weiterführende Informationen:

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