Bio ist als Schlagwort nahezu allgegenwärtig. Überall sehen und hören wir dieses Wort als Heilsbringer und Versprechen einer besseren Zukunft. Bio wird so viel verwendet und bedeutet doch so wenig – auch in der Lebensmittelproduktion. Deswegen hat die EU das Bio-Siegel erfunden. Wer „Bio“ sagt, meint meist eben diese „EG-Öko-Verordnung“. Das Siegel soll dem Verbraucher Klarheit darüber verschaffen, welche Produkte denn nun „echt Bio“ sind und umweltfreundlich hergestellt werden. Das ist nett gemeint, aber tatsächlich sind nur die wenigsten derart deklarierte Produkte wirklich ökologisch nachhaltig entstanden.
Was ist an Bio nicht nachhaltig?
Es ist nicht schwer, die Mängel an den nach EG-ÖKO-Richtlinie hergestellten Produkten zu erkennen, wenn man sich nicht von dem grün-weißen Siegel als Absolution blenden lässt. Diese Mängel betreffen die gesamte Kette vom Erzeuger über den Handel bis hin zum Verbraucher. Es folgen einige Beispiele:
Erzeugung
Monokultur nennt man den Anbau nur einer einzigen Pflanze auf einer großen Fläche. Monokultur ist außerdem eine Art Schimpfwort geworden und konventionell arbeitenden Landwirten wird vorgeworfen, sie würden durch ihre riesigen Maiswüsten, Kartoffelacker und Weizenfelder die biologische Vielfalt gefährden. Das ist auch richtig.
Jedoch wird im ökologischen Landbau ebenfalls mit Monokulturen gearbeitet. Riesige Gewächshäuser enthalten dort Tomaten, Tomaten und nichts als Tomaten. Nebenan steht auf großen Feldern nichts anderes als Rotkohl so weit das Auge reicht. Es mag sein, dass hier mit Fruchtfolgen gearbeitet wird, doch dies findet mit dem Wechsel zwischen Beispielsweise Mais und Soja im konventionellen Ackerbau ebenfalls statt.
Diesbezüglich wäre erst eine echte Polykultur, das heißt der Anbau von Beispielsweise Bohnen, Kürbissen und Süßkartoffeln gemeinsam auf der gleichen Fläche, ein wesentlicher Fortschritt in Richtung des Erhalts biologischer Vielfalt.
In diesem System nutzen sich die Pflanzen gegenseitig und die Erträge sind, das zeigen Versuche immer wieder, höher als in der Monokultur. Der Grund, warum dieses System trotzdem höchst selten und meist nur von Hobbyisten umgesetzt wird, liegt darin, dass die Ernte und Pflege eines solchen Systems aufwendiger ist.
Im Ökologischen Landbau werden keine chemischen Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Um Schädlinge zu bekämpfen, werden daher natürliche Mechanismen genutzt. Gegen Blattläuse setzt man hier Marienkäfer ein, jedoch nicht irgendwelche: Harmonia axyridis heißt ein Marienkäfer, der tausendfach aus Asien importiert wird um in unseren Bio-Gewächshäusern für Ordnung zu sorgen.
Abgesehen davon dass ein jährlich neuer Import von Käfern kaum nachhaltig ist, beschränkt sich dieser eine Kandidat natürlich nicht auf die Blattläuse in Gewächshäusern. Und so frisst er sich munter durch die Landschaft und vertilgt dabei auch die Larven unserer heimischen Marienkäfer-Arten. Auf dem gesamten eropäischen Kontinent ist er nun weit verbreitet und in der Überzahl. Gefördert vom ökologischen Landbau wurde er vom Nützling zum Schädling.
Transport
Bio-Tomaten aus Spanien oder Bio-Erdbeeren aus Israel scheinen harmlos angesichts eines Regals voller Süßkartoffeln aus Südamerika oder Kiwis aus Neuseeland. Der Transport von Lebensmitteln um die halbe Welt wirkt kaum nachhaltig. Selbst wenn wir ihn eines Tages ohne Hilfe fossiler Brennstoffe bewerkstelligen können, bleibt ein gestörte Stoffkreislauf zurück. Man könnte es auch Raubbau an Bodenfruchtbarkeit nennen. Die Ökosysteme, von denen auch wir uns ernähren, können sich nur bei Einhaltung regionaler, lokaler Kreisläufe regenerieren.
Durch diese weiten Transporte bleibt auch das System der globalen Konkurrenz bestehen und so müssen lokal agierende Landwirte gegen international agierende Konzerne antreten. Das Ausbluten der regionaler Wirtschaftssysteme ist oft die Folge. Eine interessante Parallele zu den Ökosystemen.
Auch die Futtermittel für die Produktion tierischer Produkte werden über sehr weite Strecken transportiert, so legt manches Hühnerfutter eine Reise aus der Ukraine über die Ost- und Nordsee bis in die Niederlande und von dort nach Deutschlad zurück, bis Bio-Legehennen daraus Bio-Eier machen.
Verpackung
Bio-Produkte sind in der Regel mindestens so aufwendig verpackt wie ihr konventionelles Pendant. Oft sogar noch aufwendiger: So finden sich in den Supermärkten Bio-Karotten oft nur in Plastikschachteln und zusätzlicher Plastiktüte, während die konventionelle Ware ganz ohne Verpackung angeboten wird. Auch Naturland- oder Bioland-Milchtüten mit zusätzlichem PVC-Sichtfenster kommen vor. Was will uns der Verband damit sagen? Etwa: „Ja, auch bei uns ist die Milch weiß!„?
An Bio-Marktständen werden oft viele billige (natürlich grüne) Plastiktüten ausgehändigt, statt auf Papier- oder noch besser Mehrwegtaschen auszuweichen. Eine Praxis, die so mancher konventioneller Gemüsehändler als selbstverständlich umsetzt.
Es gibt noch viele weitere Beispiele, aber schon jetzt dürfte klar sein, dass ein Bio-Siegel keinesfalls das Ende unserer Bemühungen sein kann und darf, schonender mit unserem Planeten umzugehen.
Und was ist mit Naturland, Bioland und Co.?
Die ökologischen Anbauverbände gehen in ihren Richtlinien meist ein Stück weiter als das, was die EU mit ihrem Öko-Siegel vorsieht. Während es sich dabei durchaus um Verbesserungen zugunsten der Ökologie handelt, bleibt es jedoch das Flickwerk an einem grundsätzlich mangelhaften System. Die EU hat viele Kompromisse zugunsten der Lebensmittelindustrie in die Richtlinien einfließen lassen und diese finden sich ebenfalls bei den Anbauverbänden.
Darüber hinaus agieren einige der Verbände international mit den gleichen Vorgaben. Das heißt, dass ein spanischer Hähnchenzüchter seinen Stall genau so ausstatten muss wie sein norddeutscher Kollege; ganz gleich, ob die lokalen Gegebenheiten wie das Klima dies im Sinne einer ökologischen Wirtschaftsweise überhaupt erfordern. Die Industrialisierung des ökologischen Landbaus ist zugleich sein Ende, denn sie bedeutet Standardisierung und eine solche ist mit der Vielfalt der Natur nicht in Einklang zu bringen.
Fazit
Das Bio-Siegel und auch die ökologischen Anbauverbände sind ein gut gemeinter Schritt in die richtige Richtung. Und die EG-ÖKO-Richtlinie hat wichtige Veränderungen in Gang gesetzt, viele Anbauflächen werden nicht mehr mit Chemikalien besprüht.
Und selbst wenn sie einen kleinen Schritt weiter gehen, so sind die Öko-Anbauverbände ebenfalls noch weit von einer wirklich nachhaltigen Landwirtschaft entfernt. Doch um wirklich nachhaltig wirtschaften zu können, ist es in den meisten Bereichen nötig, sich endlich von den industriellen Strukturen und Vorbildern zu lösen und strikt regionale Lösungen zu fördern.
Es ist sinnvoll, Bio-Produkte zu kaufen anstelle solcher aus konventioneller Erzeugung. Dies setzt ein klares Zeichen und sendet ein Signal an die Landwirte. Doch wir sollten weiterhin stets hinterfragen, woher die Produkte in unserem Einkaufskorb stammen und wie sie hergestellt werden. Am besten Antwort geben kann der Landwirt um die Ecke.
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