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Warum ist regionale und saisonale Ernährung wichtig?

Regionale ErnährungWas Sie essen, entscheiden nicht Sie selbst, sondern ein Manager mehrere tausend Kilometer entfernt. Dafür sorgen Sie mit jedem Einkauf im Supermarkt. Doch die Macht liegt in Ihrer Hand. Die Alternative lautet: Regionale Ernährung. Aber kann die Wahl Ihrer Lebensmittel Einfluss nehmen auf mehr als Ihre Ernährung und Gesundheit? Können Sie das Preisgefüge beeinflussen, die wirtschaftliche Situation Ihrer Gemeinde, soziale Bedingungen, die Umwelt und die Kultur?

Was ist regionale und saisonale Ernährung?

Einfach ausgedrückt bedeutet das, sich nur solche Lebensmittel zu essen, die in der eigenen Region und in der aktuellen Jahreszeit erzeugt wurden. Die Größe der Region ist Auslegungssache. 150 Kilometer klingt in der heutigen Zeit nach einem vernünftigen Radius. Der Grundgedanke ist, zwischen Erzeugung und Verbrauch möglichst kurze Wege zurückzulegen.

Streng genommen ist eine regionale Ernährung immer eine saisonale Ernährung, denn in der eigenen Region herrscht immer nur eine Saison. Umgekehrt bedingt eine saisonale Ernährung keinerlei Einschränkungen, denn wenn die regionale Beschränkung wegfällt, ist alles offen: Irgendwo auf der Welt ist immer Sommer. Wirklich relevant ist daher nur eine regionale Ernährung.

Warum ist regionale Ernährung wichtig?

Diese Frage beantwortet ein Blick auf die aktuelle Situation: Verbraucher kaufen den Großteil ihrer Lebensmittel in Supermärkten. Hier handelt es sich in der Regel um Filialen großer Ketten und oft international agierender Konzerne. Die beziehen ihre Ware von Erzeugern aus aller Welt. Bedeutsam ist dabei vorrangig, welche Produkte den größten Gewinn versprechen. Alle anderen Kriterien wie die Qualität, die externalisierten Kosten, die Schäden an der Umwelt, soziale Ungerechtigkeiten oder Auswirkungen auf die Kultur geraten dabei unter die Füße der Aktionärsversammlung. Zwischen dem Verbraucher und dem Erzeuger steht eine praktisch unüberwindbare Mauer: Auf dem Esstisch landen anonyme Produkte, deren genaue Herkunft kaum jemand nachvollziehen kann.

Der Einkauf im Supermarkt ist in jeder Hinsicht das diametrale Gegenteil regionaler Ernährung. Selbst ein Produkt, das möglicherweise in der eigenen Region produziert wird, reist oftmals einen großen Umweg zu Logistikzentren, geht durch diverse Hände und ist einzig dem Preisdruck unterworfen.

Was bedeutet das im Detail?

Die mangelnde Transparenz des Supermarktsystems bedingt offensichtlich regelmäßige Lebensmittelskandale. Da an erster Stelle die Profitmaximierung steht, sparen Konzerne an jeder Ecke. Sie nutzen jede Gesetzeslücke (oder schaffen sie durch Lobbyarbeit), schöpfen jeden Grenzwert voll aus. Kaum jemand ist direkt verantwortlich, menschliches Versagen oder vorsätzlicher Betrug kann sich stets hinter der juristischen Person des Unternehmens verstecken.

Das ist nur ein Bruchteil der Folgen einer globalisierten Ernährung. Welche Ware im Supermarkt landet, unterliegt der Entscheidung weniger Manager: Was auf Ihrem Teller landet, entscheiden nicht Sie selbst, sondern ein unbekannter Manager weit weg. Was es im Supermarkt nicht gibt, können Sie nicht essen. Welchen Preis Sie zahlen, entscheidet nicht der Erzeuger, sondern ebenfalls ein Manager. Denn große Konzerne haben die Marktmacht. Als Konsument sind Sie demnach in Bezug auf Auswahl und Preis abhängig von den Entscheidungen einer handvoll Manager, deren Tagesstimmung und Einschätzung das weltweite Essverhalten maßgeblich beeinflussen.

Eine handvoll Manager entscheidet, was Millionen von Menschen essen?

In der Tat. Zumindest solange diese Menschen als Verbraucher ihre Lebensmittel im Supermarkt kaufen und dem System so Macht verleihen. Am Ende liegt die Macht in den Portemonnaies der Verbraucher, die mit jedem Einkauf eine Wahl treffen: Die Wahl darüber, wer für ihre Lebensmittel verantwortlich ist und wer über deren weitere Geschicke entscheidet.

Den meisten Verbrauchern ist diese Wahl nicht bewusst und das industrielle System (welches das EU-Bio-Siegel umfasst) wird sich hüten, ihnen das unter die Nase zu reiben.

„Ist es nicht merkwürdig, dass Menschen mehr Zeit damit verbringen, die richtige Autowerkstatt oder den besten Maler zu finden, als für die Suche nach der Person, die ihre Lebensmittel erzeugt?“

Ist das so schlimm? Wie kann ich als Verbraucher von regionaler Ernährung profitieren?

Regionale Ernährung bietet eine ganze Reihe von Vorteilen. Sie betreffen alle Bereiche des Alltags.

Lebensmittelqualität, Preise und Gesundheit:

Der Kauf regionaler Ware bedeutet kurze Wege. Kurze Wege zwischen Produktion und Zielort ermöglichen neben der Ernte zum optimalen Reifezeitpunkt einen geringen Qualitätsverlust. Mehr Nährstoffe bleiben erhalten, die Ware ist frischer, schmeckt besser und hält beim Käufer gegebenenfalls länger. Mehr Nährstoffe ermöglichen eine gesündere, reichhaltigere Ernährung. Und kurze Wege, sowie wenige Mittelsmänner ermöglichen niedrigere Preise. Hohe Transportkosten entfallen, Lager bleiben klein. Es bleibt weniger Geld beim Händler und mehr beim Produzenten, welcher wiederum mehr Spielraum hat, in die Qualität zu investieren. Bei weniger Zwischenhändlern kann der Verbraucher so für das gleiche Geld höhere Qualität erhalten.

Ökonomie:

Ein Großteil jedes Cents, den Sie im Supermarkt ausgeben, landet in der Kasse eines international agierenden Konzerns in einem anderen Land. Das Geld verschwindet aus ihrer Region. Kaufen Sie hingegen bei regionalen Erzeugern, bleibt das Geld in der Region und kann re-investiert werden. Regionale Ernährung stärkt so neben kleinen Erzeugern die gesamte Kommune und Region.

Soziale Auswirkungen, Transparenz und Sicherheit:

Regionale Ernährung ermöglicht eine transparente Nahrungskette: Der Verbaucher kann den Erzeuger persönlich kennenlernen. Das ist keine Garantie, jedoch eine Voraussetzung für persönliche Verantwortung und Gewissenhaftigkeit. Wenn die amtlichen Prüfer abgezogen sind, kann der Milchviehwirt noch immer in den Milchtank spucken. Lernt er seine Käufer kennen und schätzen, wird er das jedoch nicht wollen.

Neben den verbesserten wirtschaftlichen Bedingungen für den Erzeuger ermöglicht auch die erhöhte Transparenz bessere soziale Verhältnisse. Verbraucher haben direkten Einblick in Arbeitsbedingungen und können durch ihre Kaufentscheidungen unmittelbar Einfluss nehmen.

Und teilweise ermöglicht regionale Ernährung überhaupt erst das Überleben kleinerer Landwirte oder die Entstehung einer lokalen Nahrungskette.

Ökologie und Umwelt:

Kürzere Transportwege bedeuten weniger Umweltbelastung durch Verbrennung fossiler Brennstoffe. Der Kauf regionaler Produkte gestattet darüber hinaus durch die damit verbundene Transparenz eine Einflussnahme des Verbrauchers auf die Erzeugungsmethoden. Der verringerte Preisdruck ermöglicht ökologisch verträgliche Produktionsmethoden, was sich auf alle Produkte wesentlich auswirkt. Und das gleichermaßen auf die Qualität wie den ökologischen Fußabdruck.

Kultur und Esskultur:

Erst regionale Ernährung ermöglicht den persönlichen Kontakt zwischen Verbrauchern und Erzeugern, fördert den Austausch, das gegenseitige Verständnis der täglichen Herausforderungen und Bedürfnisse. Aus diesem persönlichen Kontakt kann eine gemeinsame Kultur der Wertschätzung wachsen. Wertschätzung echter Lebensmittel und echten Handwerks.

Diese Wertschätzung kann den Verbraucher ermutigen, wieder mehr Acht zu geben beim Kauf von Lebensmitteln. Acht zu geben auf seine eigene Ernährung, sich bewusster und gesünder zu ernähren. Diese Achtsamkeit erhebt Lebensmittel und verleiht ihnen zusätzlich emotionalen Wert.

Das Essen wird im Optimalfall zum Gespräch und fördert soziale Kontakte, verlagert sich wieder weg vom stillen Kämmerlein, vom Fernseher hin zum Esstisch und zum gemeinsamen Genuss. Regionale Ernährung kann so dem Essen den Stellenwert verleihen, den es als Grundlage des Lebens verdient.

Aber ist regionale Ernährung nicht eintönig? Ist die Auswahl nicht viel zu gering?

Regionale Ernährung ist zwar mit Beschränkungen verbunden, doch das bedeutet keinen Verzicht auf Vielfalt, keine Einschränkung. Zu jedem Zeitpunkt des Jahres sind verschiedenste Produkte frisch oder als Lagerware erhältlich.

Darüber hinaus fördert diese Art des Einkaufens gerade die Vielfalt: Statt das ganze Jahr über nur die gewohnten Tomaten zu kaufen, stehen nun je nach Saison andere Gemüse auf dem Einkaufszettel. Dies fördert eine abwechslungsreiche Ernährung. Und es fördert und fordert Kreativität bei der Zubereitung. Sowohl um aus den gleichen Zutaten unterschiedliche Mahlzeiten zu bereiten, als auch um zu lernen, die ständig wechselnden Gemüsesorten schmackhaft zu verarbeiten.

Darf ich dann nie wieder xyz essen?

Ernährung kann schnell zur Religion geraten, doch Dogmen sind selten hilfreich. Begriffe wie dürfen, erlauben und konform sind kaum angebracht, gerade wenn es um etwas so persönliches und intimes wie die Ernährung geht. Wichtig ist zunächst die Auseinandersetzung mit dem Thema, die Beschäftigung mit dem eigenen Essen. Danach kann und sollte jeder selbst entscheiden, welches Konzept er inwieweit umsetzt.

Darf man also bei regionaler Ernährung keine Kokosmilch mehr trinken? Es stimmt, dass Kokosmilch praktisch im gesamten deutschen Sprachraum ein Importprodukt und keinesfalls regional ist. Aber wie groß ist der Anteil der Kokosmilch an der Ernährung? Ersetzt sie alle anderen Getränke und verdrängt so möglicherweise lokale Getränke vom Einkaufszettel? Oder ist sie einfach nur eine gelegentliche Dreingabe, etwas besonderes, eine Art Gewürz? Wie groß ist in letzterem Fall die Auswirkung in den oben genannten Bereichen?

Ich möchte meine Ernährung auf regionale Produkte umstellen. Bislang kaufe ich alles im Supermarkt. Wo fange ich an?

Wer seine Ernährung auf regionale Produkte umstellen möchte, könnte zunächst seinen aktuellen Einkaufszettel prüfen und schauen, welche der Produkte direkt von regionalen Erzeugern erhältlich sind. Solche Erzeuger findet man in der Regel auf nahegelegenen Wochenmärkten. Dort treiben sich allerdings oft auch reine Händler herum, die letztlich nichts anderes als Supermarktware anbieten.

Wichtig ist das Stichwort „Aus eigener Erzeugung“. Oft handelt es sich dabei um Bio-Erzeuger, einige davon haben auch die Ware ihrer etwas weiter entfernten Kollegen im Programm. Eine weitere Anlaufstelle wären Hofläden oder Landwirtschaftsgemeinschaftshöfe. Mehr dazu in den weiterführenden Informationen unter diesem Artikel.

Wer so die regional verfügbare Ware prüft, wird schnell feststellen, welche Lebensmittel es aktuell gibt, die der Supermarkt gar nicht anbietet. So kann langsam ein Austausch der gewohnten, oft nicht-saisonalen Ware gegen das regionale (und somit saisonale) Angebot stattfinden.

Der so begonnene Weg der Umstellung führt sich meist von selbst weiter, denn die Begeisterung für persönliche Lebensmittel lässt selten lange auf sich warten und alle übrigen Schritte fallen immer leichter. Mit jedem geknüpften Kontakt wächst Ihr Netzwerk und schnell sind alle Geheimtipps bezüglich der Erzeuger ausgetauscht.

Fazit

Es gibt viele Gründe, sich regional zu ernähren. Ob nun qualitativ, sozial, ökonomisch, ökologisch oder kulturell: Die Argumente sind schlagkräftig. Die Beschränkung auf regionale Lebensmittel muss keine Einschränkung sein. Vielmehr ist sie in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung, auch gesundheitlich und kulinarisch.

Weiterführende Informationen:

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