Dieser Artikel ist auch als Podcast bzw. Netcast zum Anhören verfügbar: Urgeschmack-Podcast #8: Was ist so schlimm an Getreide?
Dieser Artikel ist veraltet. Eine aktuelle differenziertere Auseinandersetzung mit Getreide als Lebensmittel finden Sie hier:
Ist Getreide wirklich ungesund?
Getreide ist überall. Längst geht die Verwendung weit über den Lebensmittelbereich hinaus, Mais-Bestandteile finden sich sogar in Batterien wieder. Überall auf der Welt essen Menschen Getreide und die Pflanze ist ein wichtiger Rohstofflieferant geworden. Was kann daran so schlimm sein? Ist Getreide ungesund?
Wachstum…
Der Aufstieg des Getreides, einer Pflanze aus der Familie der Süßgräser, begann vor rund 10.000 Jahren. Ein wichtiger Termin für die Menschheit, markierte dieser Zeitpunkt den Beginn der Landwirtschaft und somit auch den Aufbau der ersten Zivilisationen. Erst durch die Landwirtschaft konnten Menschen sich niederlassen, Siedlungen gründen, sich spezialisieren und Gesellschaften aufbauen. Die langfristige Lagerfähigkeit des Getreides stabilisierte die Versorgung mit Lebensmitteln und in der Folge erreichte das Bevölkerungswachstum neue Höhen. Das klingt nach einer vorteilhaften Entwicklung für die Spezies Mensch.
…auf Kosten der Gesundheit
Begleitet wurde diese Revolution allerdings von einer deutlichen Verschlechterung der Zahngesundheit und des Körperwachstums. Es ist unklar, ob dies direkt auf das Getreide als Nahrungsmittel zurückzuführen ist. Sicher war die vorherige Beute als Jäger und Sammler vielseiter und Nährstoffreicher für den Menschen. Die teilweise Unterernährung nach Beginn der Landwirtschaft könnte jedoch ihren Grund auch darin finden, dass die Nahrungsproduktion mit dem Bevölkerungswachstum nicht schritthalten konnte.
Proponenten der Steinzeiternährung argumentieren, Getreide sei ein völlig neues Lebensmittel für den Menschen gewesen. Die Evolution habee ihn darauf nicht vorbereitet und sein Verdauungssystem sei entsprechend nicht optimal daran angepasst gewesen. Dies sei der Grund für die gesundheitlichen Probleme. Tatsächlich liegen archäologische Hinweise vor, dass der Mensch bereits rund 90.000 Jahre vor Beginn der Landwirtschaft Getreide verarbeitet und wahrscheinlich auch verzehrt hat. Und allein die Neuheit eines Lebensmittels bedeutet nicht, dass ein Tier sie nicht problemlos verdauen könnte.
Getreide enthält mit Gluten, Lektinen und Phytinsäure potente Anti-Nährstoffe, die den Nutzen als Nahrungsmittel in Rohform dämpfen. Die in Getreide gelobten Vitamine und Mineralstoffe kommen in fast allen anderen Lebensmitteln –Obst, Gemüse, Nüsse, Fleisch– in wesentlich größeren Mengen vor. Und die einige der enthaltenen Mineralstoffe sind durch die enthaltenen Phytate praktisch unzugänglich. Das erklärt auch viele der gesundheitlichen Probleme beim Verlass auf Getreide als einzigen Nährstofflieferanten. Erst durch eine geeignete Verarbeitung kann Getreide dem Menschen sinnvoll als Nahrungsmittel dienen.
Keine Besserung in Aussicht
Aber 10.000 Jahre sind eine lange Zeit, bestimmt hat der Mensch sich weiterentwickelt? So gut wie gar nicht, meinen die Paleo-Proponenten. An seinem Verdauungssystem habe sich praktisch nichts verändert. Das ist allerdings Spekulation. Wir können zumindest davon ausgehen, dass eine leichte Selektion zugunsten Getreidetoleranter Bevölkerungen stattgefunden hat – ähnlich wie bei der Ausbreitung der Laktasepersistenz in Europa, welche Menschen auch im Erwachsenenalter ermöglicht, von Nährstoffreicher Milch anderer Tiere zu profitieren.
Spätestens durch die Entwicklung der Medizin (eine Errungenschaft der Zivilisation, ermöglicht durch die Landwirtschaft) können auch kranke und schwache Menschen ein langes Leben führen und sich fortpflanzen: der Selektionsdruck hat sich verringert. Eine nachteilhafte Ernährung wirkt sich entsprechend weniger stark aus. Die Anti-Nährstoffe im Getreide könnten also noch immer ein schwerwiegendes Problem sein, dessen Auswirkung durch moderne Technologie verscheliert wird.
Getreide kann fett machen?
In unseren heutigen Zeiten des Überflusses spielt ein weiterer Aspekt des Getreides eine wichtige Rolle: Der hohe Kohlenhydratgehalt. Rund 80% des Getreides besteht aus Stärke und da es weltweit ein Hauptnahrungsmittel ist, sei es Mais, Reis oder Weizen, konsumieren viele Menschen sehr große Mengen davon. Wer sich durch modernere wissenschaftliche Literatur arbeitet, der weiß: Zu viele Kohlenhydrate machen dick, besonders in Verbindung mit Bewegungsmangel. Dieses Problem sehen wir besonders bei Menschen in westlichen Nationen um sich greifen.
Getreide ist billig und steckt in einem Großteil aller Fertiggerichte, die immer größeren Absatz finden. Sicher gibt es noch andere Faktoren, doch wer dem Getreide als Nahrungsmittel aus dem Weg geht, kann demnach viele gesundheitliche Probleme und Beschwerden (und seien es nur Zipperlein) vermeiden.
Getreide ist nicht gleich Getreide
Jedes Getreide anders. Alte Sorten wie Einkorn und Emmer haben beispielsweise in Bezug auf den Glutengehalt ein geringeres Schadpotenzial als moderner Weizen. Bei einigen Naturvölkern wird Getreide traditionell vor dem Verzehr eingeweicht und fermentiert um die Verträglichkeit zu erhöhen. Tatsächlich können dadurch Lektine und Phytinsäure weitgehend unschädlich gemacht werden. Doch es bleibt dabei: Getreide bietet neben vielen Kohlenhydrate in Form von Stärke nur wenige Mineralstoffe und Vitamine. Oft verdrängt es in Form von Brötchen, Kuchen, Nudeln und Pizza frisches Gemüse und andere nährstoffhaltige Produkte vom Speiseplan, dann drohen ein Nährstoffmangel und Erkrankungen.
Fazit: Ist Getreide ungesund?
Ein besseres Marketing als „Unser täglich Brot…“ kann sich das Getreide kaum wünschen. Es ist eine sehr erfolgreiche Pflanze, die mit Hilfe des Menschen die Weltherrschaft unter den Nutzpflanzen erlangte. Wie es dazu kommen konnte, dass der Mensch als erfolgreicher Jäger und Sammler die mühselige Arbeit der Landwirtschaft aufnahm um ein vergleichsweise minderwertiges Lebensmittel zu erhalten, ist bis heute eine spannende Frage.
Getreide hat das Potenzial, die Gesundheit des Menschen zu beschädigen. Gluten hat einige bemerkenswerte Eigenschaften wenn es um die Verwendung als Backzutat geht. Traditionelle Methoden haben beachtliche kulinarische Werke aus dem einfachen Korn geschaffen. Daher ist auch die andere Seite des Getreidekorns zu beachten.
Wichtig ist, sich der potenziellen Gefahren bewusst zu sein, seinen Speiseplan entsprechend abwechslungsreich und vielseitig zu gestalten und die Lebensmittel sorgfältig vor- und zuzubereiten.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Ist Getreide wirklich ungesund?
- 5 Gründe, kein Getreide zu essen
- Was ist die Weizenwampe? (Video)
- Wikipedia: Zöliakie
- Wikipedia: Getreide
- Whole Health Source: Grains and Human Evolution
- Whole Health Source: How to Eat Grains
- Loren Cordain: Cereal Grains: Humanity’s Double-Edged Sword (.pdf)
- Was ist Gluten?
- Was sind Lektine?
- Was ist Phytinsäure?
- Wie viel Kohlenhydrate soll ich essen?
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