Wer mit seiner Wut nicht richtig umgehen kann, schadet entweder anderen Menschen oder sich selbst. Wut kann zerstören. Allerdings ist Wut unvermeidlich und geradezu lebenswichtig: Wer seine Wut unterdrückt, kann daran sterben. Wie sieht gesunder Umgang mit Wut aus? Wie drückt man seine Wut richtig aus und nutzt sie als kreative Kraft? Und wie stellt man sicher, dass man durch Wut niemanden verletzt oder Schäden anrichtet?
Wut ist lebenswichtig
Wofür benötigst du Wut? Wut ist eine mächtige Emotion, ein Werkzeug für den Alltag, das praktisch alle Tiere seit hunderten Millionen Jahren einsetzen. Wut ist häufig eine aggressive Reaktion auf einen als unangenehm empfundenen Reiz – eine Situation oder ein Ereignis. Ein Tier, das angegriffen wird, entwickelt Wut und wehrt sich. Zwei rivalisieren Katzen kämpfen nicht sofort, sondern stellen durch Laute und Körpersprache ihre Wut zur Schau – und vermeiden so häufig einen Kampf, der möglicherweise tödlich enden könnte. Die Mutter haut wütend auf den Tisch und macht deutlich, dass ihr das Geschrei der Kinder zu viel wird.
Mit Wut setzt du Grenzen und mobilisierst Energie. Das Beutetier macht klar: Wenn du, Jäger, mir näher kommst, schlage ich zurück. Die wütende Mutter signalisiert: Euer Lärm greift in meinen persönlichen Raum ein und überschreitet meine Grenze. Beutetier und Mutter reagieren aggressiv auf Reize, die sie als Angriff empfinden. Wut schützt das jeweilige Individuum und führt eine Lösung des Konflikts herbei. Die Emotion Wut rettet Leben.
Ohne Wut schwelen viele Konflikte und richten große Schäden an. Weit verbreitet ist mangelnde Trennungsaggression: Die Partnerin geht fremd und gibt reichlich Gründe, um die Beziehung zu beenden. Aber ihr Mann entwickelt nicht genug Trennungsaggression (Wut), diesen aggressiven Schritt zu gehen. Vielleicht aus Angst vor der Reaktion seiner Partnerin, möglicherweise auch aus Furcht vor der Ungewissheit nach einer Trennung oder schlicht mangels Reflexion. Also lässt er Betrug, Verrat und unmoralisches Verhalten weiter über sich ergehen, leidet darunter und entwickelt psychische, und darauf folgend körperliche Krankheiten.
Emotionen interagieren mit Nerven-, Hormon- und Immunsystem
Immun- und Nervensystem schützen den Körper vor Bedrohungen. Das Immunsystem produziert Antikörper; das Nervensystem beurteilt Situationen und leitet Reaktionen ein: Gefahren ausweichen oder vorbeugen. Genauso schützen Emotionen den Körper vor Bedrohungen – zum Beispiel die Wut des in die Ecke getriebenen Tieres.
Emotionen stehen allerdings nicht nur neben den Organen des Nerven-, Hormon- und Immunsystems. Sondern sie sind Teil davon: Emotionen und die Psyche stehen in vielfacher Wechselwirkung mit jedem Organ des Körpers, mit deinen Hormonen, den Nerven und Immunzellen; mit dem Darm, der Leber, der Muskulatur. Alles hängt zusammen. Körper, Geist und Seele sind untrennbar.
Wut als Teil des Immunsystems
Wut verdeutlicht Grenzen. Auch dein Immunsystem setzt und nutzt Grenzen: Dies gehört zu mir, jenes ist ein Fremdkörper. Dies ist gut für mich, das ist eine Bedrohung. Verschwimmt diese Grenze, kommt es zur Autoimmunerkrankung: Das Immunsystem kann die Grenze zwischen Fremdkörper und eigenem Körper nicht mehr unterscheiden und greift das eigene Gewebe an: Diabetes Typ 1, Multiple Sklerose, Hashimoto und mehr sind die Folge.
Da Emotionen und Immunsystem eins sind, führen auch die durch unterdrückte Wut mangelhaften Grenzen zu Autoimmunerkrankungen: Wer seine Grenzen psychologisch nicht setzen kann, belastet (auch durch daraus folgenden Stress) sein Immunsystem und beeinträchtigt damit auch seine physiologischen Grenzen. Es kommt zur Verwirrung des Immunsystems und zu Autoimmunerkrankungen.
Der Großteil des Immunsystems sitzt im Darmbereich und daher verwundert kaum, wie wir über Emotionen sprechen: Wut im Bauch, etwas in sich hineinfressen, es schlägt mir auf den Magen. Der Stress unterdrückter Wut beeinträchtigt direkt die Gesundheit.
Wut muss (richtig) ausgedrückt werden
Das Unterdrücken von Wut ist eine Dissoziation und kann so Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Bewusstsein oder die eigene Identität beeinträchtigen. Dabei geschieht die Unterdrückung von Wut oft unbewusst. Häufig ist es bereits das Kind, das seine Wut nicht zeigt, um sein Verhältnis zu den Eltern nicht zu verschlechtern. Dann richtet es diese Wut – abermals unbewusst – gegen sich selbst. Daraus entsteht unangemessene Selbstkritik. Darunter leidet der heranwachsende Mensch oft ein Leben lang, das Muster setzt sich dann fort und belastet Beziehungen und Alltag, sofern es nicht aufgedeckt und abgeschaltet wird.
Wird die Wut unterdrückt, schadet sie. Doch auch beim Ausdrücken von Wut kann sie schaden: Beim Wutausbruch.
Wutausbrüche schaden allen
Wutausbrüche sind abnormale Emotionsfreisetzungen. Kinder leiden oft unter den Wutausbrüchen ihrer Eltern, selbst wenn diese Ausbrüche gar nicht auf die Kinder zielen. Unkontrollierte Wut, die sich in Gebrüll, geknallten Türen oder geworfenen Gegenständen oder anderer physischer Gewalt äußert, macht nicht nicht nur Kindern Angst – sie verursacht auch dem Wütenden Stress und verhindert vernünftige Diskussionen.
Dabei sind sowohl die Unterdrückung von Wut als auch Wutausbrüche gleichermaßen eine Angst vor dem Erleben der Wut. Der Wutausbruch ist eine Verteidigung gegen die Angst, die man meist bereits als Kind mit Wut verbindet. Denn Wut führt zu einer Angriffsenergie und die empfindet ein Kind wie eine Gefahr für Beziehungen – zum Beispiel die Beziehung zu den Eltern, die man als Kind freilich nicht verschlechtern möchte. Auch wegen dieses Gefühls der Angriffsenergie verursacht Wut auf einen Lieben große Angst und Schuldgefühle. Die Angst vor der eigenen Wut führt oft zum Geschrei – dem Wutausbruch.
Wut richtig ausdrücken
Gesunde Wut ermächtigt und entspannt. Es ist ein Energierausch, eine Mobilisierung zum Angriff – und das Verschwinden jeglicher Anspannung: Die Grenze ist gezogen, es herrscht Klarheit.
Du kannst deinem Ärger durch Worte oder Taten Luft machen, doch du musst keinen unkontrollierten Wutanfall ausleben. Bei gesunder Wut hat das Individuum die Kontrolle, nicht die Emotion. Wer seine Wut gesund äußert, wird meist ruhiger als gewöhnlich, spricht leiser, langsamer und deutlicher.
Wut respektiert Grenzen. Für sich selbst einzustehen erfordert nicht das Übertreten der Grenzen anderer. Keine Beleidigungen, kein Gebrüll, keine Gewalt.
Manchmal bist du am Rande deiner Belastbarkeit. Vielleicht war es ein langer Tag und abends nörgeln die Kinder unvernünftig herum. Dann kann die Wut als Impuls aus dir herausplatzen und du wirst vielleicht etwas lauter. Solange dir das bewusst ist und du dich gegebenenfalls entschuldigst, geht auch das als gesunde Wut durch. Beleidigungen und Gewalt gehen zu weit.
Wenn du Wut wichtig ausdrücken möchtest, benötigst du Mut: Mut zur Loslösung, zur Autonomie. Du musst die Konsequenzen tragen; musst bereit sein, mit deinem Ausdruck allein zu stehen und mit den Folgen deiner Worte und Taten leben.
Das erfordert Selbstsicherheit: Selbstliebe, die Unabhängigkeit von der Bestätigung durch und die Zuversicht in Menschen. Wer sich selbst liebt, kann Wut gesund ausdrücken und das Fundament für Wohlbefinden legen.
So bist du richtig wütend
Wut hat viele Gesichter. Sie ist eine lebenswichtige Emotion, die du im Alltag unbedingt benötigst. Wut interagiert mit deinen Hormonen, deinem Nerven- und Immunsystem und ein falscher Umgang mit dieser Emotion verursacht oder begünstigt schwere Krankheiten von Arthritis und Krebs über Multiple Sklerose bis Zöliakie. Deswegen muss du Wut unbedingt richtig ausdrücken. Allerdings schaden Wutausbrüche und Wutanfälle ebenfalls dir und deinen Mitmenschen. Der richtige Umgang mit Wut ist eine Entladung von Energie, indem du Grenzen verdeutlichst und dich klar ausdrückst. Dafür benötigst du keine Beleidungen, keine Gewalt, kein Gebrüll. Atme tief durch. Denke, bevor du sprichst. Habe den Mut, für deine Grenzen einzustehen. Diesen Mut findest du, wenn du dich richtig selbst liebst.
Weiterführende Links
- Wie liebt man sich richtig selbst? – Echte Selbstliebe ist die Grundlage eines zufriedenen Lebens. Für den gesunden Umgang mit Wut, ist Selbstliebe unabdingbar. Dieser Artikel bietet eine umfassende Anleitung zu echter Selbstliebe.
- Diese Glaubenssätze schaden dir – »Ich darf nicht wütend sein« oder »Wenn ich wütend bin, bin ich keiner Liebe würdig« sind weit als Glaubenssätze weit verbreitet. Diese Irrtümer verheeren regelmäßig ganze Familien.
- Fehlt dir der Mut zur Zufriedenheit?– Zufriedenheit erfordert Mut. Den gleichen Mut, den auch gesunde Wut erfordert. In diesem kurzen Text geht um den Weg zur Anerkennung des Selbst, dem daraus folgenden Selbstwert und der Zuversicht, die Grundlage eines aufrichtigen Beitrags zur Gemeinschaft ist. Diese Pfeiler bilden einen Kreislauf.
- Adlers Anleitung zur Zufriedenheit – Kishimi und Koga bieten mit ihrer Interpretation Alfred Adlers einen umfassenden Weg zur Zufriedenheit. Schlüsselaspekte dazu sind Zuversicht und der Mut zur Fähigkeit, Grenzen zu ziehen.
- Buch-Zusammenfassung: Du musst nicht von allen gemocht werden (The Courage to be Disliked) von Kishimi/Koga – Eine ausführliche Zusammenfassung von Kishimis und Kogas Werk. »Alle Probleme sind zwischenmenschliche Probleme« ist ein wesentlicher Diskussionspunkt. Die Lösung aller Probleme erarbeiten die Autoren anhand des Dialogs eines Schülers mit seinem Lehrer. Dabei nennen die Autoren auch Wut als Mittel zur Mobilisierung von Energie und Wutausbrüche zum Unterwerfen anderer Menschen. Höchst empfehlenswerte Lektüre für jeden.
- Sieben Bausteine der Zufriedenheit nach Peterson – Noch mehr zum Thema Zufriedenheit. Denn wer wahrhaft zufrieden ist, besitzt mehr Sicherheit im gesunden Umgang mit Wut.
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