Die Leben von Millionen Menschen allein in Deutschland sind beeinträchtigt durch nicht-diagnostizierte oder unzureichend behandelte Schilddrüsenunterfunktionen. Diese Menschen leben mit Müdigkeit, Schlappheit, Haarausfall, trocknen Augen, depressiven Verstimmungen, Kälteempfindlichkeit, Verstopfung oder mangelndem Antrieb – das sind mögliche Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion.
Zu diesen Menschen gehört Ulrike, die meinen Rat sucht wegen ihrer Schlappheit und ständigen depressiven Verstimmungen. Ihre Ärzte haben ihr immer wieder eingeredet, mit ihr sei alles in Ordnung, sie müsse sich daran gewöhnen und solle sich nicht so anstellen. Außerdem sei sie schließlich schon älter und das sei dann ganz normal. Letzteres stimmt: Die Volksgesundheit ist so mies, da ist so etwas normal – ersteres ist Quatsch. Ulrike ist 38. Sie hat die besten Jahre noch vor sich und muss mit diesen Symptomen keinesfalls leben. Und mit ihr ist eben nicht alles in Ordnung. Sie leidet an einer Unterfunktion der Schilddrüse. Diese ist auch verantwortlich für zwei weitere Symptome, an die Ulrike sich gewöhnt hat, weil man damit eben leben kann: Eine Neigung zu Verstopfung und zusehends ausfallende Haare.
Bereits in unserem ersten Beratungsgespräch wird klar, was ihr eigentlich fehlt. Daraus entstand diese Episode mit Antworten auf folgende Fragen:
- Was ist die Schilddrüse und welche Funktion hat sie?
- Wie arbeitet die Schilddrüse?
- Was kann bei der Schilddrüse schiefgehen?
- Warum scheitern Schulmedizin und Krankenkassensystem beim Thema Schilddrüse?
- Wie sieht umfassende Schilddrüsendiagnostik aus?
- Was stellt man mit diesen Werten an?
- Wie beeinflusst die Schilddrüse die Gesundheit der Knochen?
Schilddrüse? Was ist das und was macht sie?
Die Schilddrüse ist eine hormonproduzierende Drüse im vorderen Halsbereich. Sie liegt unterhalb des Kehlkopfs, vor der Luftröhre.
Die Schilddrüse ist so etwas wie das Energieministerium des Körpers: Sie erzeugt keine Energie, sondern teilt Energie zu. Fast jede Zelle im Menschen hat Rezeptoren für Schilddrüsenhormone. So reguliert die Schilddrüse den Stoffwechsel und damit Energieverbrauch (und den Energie-Grundumsatz in den Zellen) und Wärmeproduktion. Auch steuert sie Wachstum und Entwicklung besonders im Kindesalter, wichtig jedoch auch für Gehirn und Knochen.
Sie beeinflusst das Nervensystem, die Konzentrationsfähigkeit und das emotionale Wohlbefinden. Regulierend wirkt sie auch auf Herzfrequenz und Blutdruck, also das Herz-Kreislauf-System.
Schilddrüsenhormone sind essenziell für gesunde Muskeln, Ausdauer und Regeneration. Sie regulieren das Muskelwachstum, beeinflussen die ATP-Produktion, stellen also Energie für Muskelaufbau und Regeneration bereit und verstärken die Wirkung des menschlichen Wachstumshormons (HGH) und IGF-1, welche für Muskelwachstum entscheidend sind.
Und wer interessiert sich für Muskelwachstum? Jeder, der gesund bleiben möchte (auch, wenn er es nicht weiß). Muskeln sind ein endokrines Organ mit weitreichender Bedeutung für die gesamte körperliche, geistige und psychische Gesundheit. Jeder sollte möglichst viel Kraft und Muskelmasse aufbauen und so dem altersbedingten Verlust von Muskelmasse und Kraft entgegenwirken.
Zurück zur Schilddrüse: Sie beeinflusst ebenfalls Verdauung und Darmbewegung und ist beteiligt an Fortpflanzung und Fruchtbarkeit.
Wie arbeitet die Schilddrüse?
Die Schilddrüse betrachet man am besten zusammen mit der Hypophyse, einer Drüse an der Basis des Gehirns, und dem Hypothalamus, der höchsten Instanz des endokrinen und vegetativen Regulationszentrums im Gehirn. Der Hypothalamus kontrolliert, steuert und reguliert lebenswichtige Vitalfunktionen, Hormonhaushalt, Immunsystem und Sexualfunktionen. Dafür integriert er Informationen aus der Umwelt.
Dabei arbeitet der Hypothalamus wie eine Art Stabschef: Er empfängt Informationen, analysiert sie, entscheidet daraufhin, wie zu reagieren ist und gibt entsprechende Befehle. Im Falle der Schilddrüse sendet er das Hormon TRH aus, das thyroid releasing hormone, also Schilddrüsenfreisetzungshormon. Diesen Befehl empfängt die Hypophyse – in diesem Beispiel so etwas wie der Betriebsleiter. Die Hypophyse wiederum stößt daraufhin das Hormon TSH aus – thyroid stimulating hormone. Und das nimmt dann endlich die Schilddrüse – eine Produktionsabteilung – entgegen als Befehl, mehr Schilddrüsenhormone zu produzieren. Und diese Schilddrüsenhormone, die Produkte, landen dann in den Zellen, bei den Verbrauchern.
Wenn die Hypophyse – der Betriebsleiter – der Ansicht ist, der Körper verfüge über zu wenig Schilddrüsenhormone oder die Situation erfordere dies aus anderen Gründen, dann steigt der TSH-Wert an und die Schilddrüse soll mehr produzieren, letztlich: Mehr Energie zuteilen.
Und was genau produziert die Schilddrüse? Sie stellt eine Reihe von Hormonen her, die prominentesten darunter sind T4 und T3. Nur für T3 gibt es letztlich in fast jeder Körperzelle Rezeptoren. Damit T4 wirken kann, muss der Körper es erst in T3 umbauen. Der Umbau von T4 in T3 geschieht hauptsächlich in der Leber, sekundär in der Niere und in einigen anderen Geweben. T4 ist also so etwas wie ein Bausatz, für den kein Endkunde das Werkzeug hat und damit eher uninteressant. Und selbst dem Fachpersonal mit dem Spezialwerkzeug – zum Beispiel der Leber – gelingt das nicht immer, dann entstehe das das sogenannte rT3 – reverses T3. Und das ist kein triviales Missgeschick, aber dazu kommen wir später.
Steigen die Hormonspiegel T3 und T4 zu stark an, gelangt die Hypophyse irgendwann zur Ansicht, das sei zu viel und senkt den TSH-Wert.
Wenn die Schilddrüse zu wenig arbeitet, ist das eine Hypothyreose, eine Schilddrüsenunterfunktion. Die Symptome und Folgen können sein: Müdigkeit, Gewichtszunahme (durch niedrige Stoffwechselrate, sog. »langsamer Stoffwechsel«), Kälteempfindlichkeit, trockene Haut, Haarausfall, Depression, langsamer Herzschlag, leichte Reizbarkeit, Osteoporose.
Eine Schilddrüsenüberfunktion, eine Hyperthyreose, äußert sich unter anderem als Nervosität, Zittern, Herzrasen, Gewichtsverlust trotz gutem Appetit, Schwitzen oder Durchfall.
Genau das sollte die Achse aus Hypothalamus, Hypophyse und Schilddrüse verhindern. Das gelingt nicht immer.
Die Schilddrüse – Was kann da schon schiefgehen?
Einiges. Die Schilddrüse ist ein recht empfindliches Organ, dessen Funktion leicht durch innere und äußere Einflüsse gestört werden kann. Davon abgesehen können auch andere Fehlfunktionen entlang der genannten Achse mit Hypothalamus und Hypophyse und deren fein abgestimmte Kommunikation durch Hormone die Funktion der Schilddrüse beeinträchtigen.
Zu den häufigsten Ursachen für direkte Störungen der Schilddrüse gehören Defizite bei Mikronährstoffen, welche in der Regel zu einer Schilddrüsenunterfunktion führen: Verbreitete Symptome sind dann unter anderem Gewichtszunahme, Müdigkeit, Kälteempfindlichkeit, Haarausfall, leichte Reizbarkeit oder Osteoporose. Das Schilddrüsensystem benötigt für gute Funktion Zink, Selen, Eisen, Aminosäuren, Vitamin D und den in diesem Zusammenhang wohl prominentesten Nährstoff: Jod. Bevor wir uns die weiteren Schilddrüsen-Störenfriede wie Toxine, Stress und psychische Belastungen, Autoimmunerkrankungen, Hormone und weitere Probleme anschauen, gehen wir bei den Nährstoffen kurz ins Detail.
Schilddrüsenrelevante Nährstoffmängel
Letztlich kann jeder Nährstoffmangel das Gesamtsystem Mensch beeinträchtigen und somit auch die Funktion der Schilddrüse. Doch eine Handvoll Nährstoffe sind direkt am Schilddrüsensystem beteiligt und ein Defizit oder Mangel in diesem Bereich kann schnell zu einer Unterfunktion mit all ihren Symptomen führen. Sinnvolle Blutspiegel in diesem Zusammenhang folgen in einem späteren Abschnitt.
Aminosäuren sind praktisch die Baustoffe für alles, was im Körper funktionieren soll: Zum Beispiel Muskeln und Enzyme, Immunsystem, Hormone und Organe. Wenn Aminosäuren fehlen kann auch die Schilddrüse ihr Werk nicht vollbringen und es kommt zur Unterfunktion. Besonders wichtig ist dafür Tyrosin, welches der Körper aus der essenziellen Aminosäure Phenylanalin gewinnen kann. Aminosäuren gewinnen wir aus proteinhaltigen Lebensmitteln wie Fisch, Fleisch, Eiern, Milchprodukten und einigen pflanzlichen Erzeugnissen.
Jod ist essenziell für die Produktion der Schilddrüsenhormone T3 und T4. Fehlt Jod, kommt es zu einer Schilddrüsenunterfunktion – auch kann sich ein Kropf bilden. Jodmangel ist in Deutschland wieder ein Thema, nachdem jodiertes Speisesalz teils aus der Mode gekommen ist – nicht ganz zu unrecht, weil jodiertes Salz meist auch fluoridiert ist. Allerdings essen Menschen hierzulande deutlich zu wenige jodhaltige Lebensmittel wie Meeresalgen, Fisch, Eier und Milchprodukte. Nahezu ganz Deutschland ist Jod-Mangelgebiet, deswegen enthalten viele Agrarprodukte sehr wenig Jod, schreiben sowohl das Bundesinstitut für Risikobewertung als auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.1 Bei Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto oder Morbus Basedow kann zu viel Jod schädlich sein.
Selen benötigt der Körper in diesem Zusammenhang zur Umwandlung von T4 in das aktive T3, außerdem wirkt es entzündungshemmend. Ein Selenmangel kann Autoimmunreaktionen verstärken und das Risiko für Hashimoto erhöhen. Einige Quellen gehen von einem Selenmangel bei 70 Prozent der deutschen Bevölkerung aus – kein Wunder, da die Böden nicht nur in Deutschland sondern in ganz Europa nicht (mehr) viel Selen enthalten. Als Quellen für Selen eignen sich – oft durch Supplementierung des Tierfutters: Fisch, Fleisch und Eier. Häufig erscheinen Paranüsse in der Liste der besten Selenlieferanten. Aber woher kommen Paranüsse? Vom Baum, der im Boden wächst, meist von einer Plantage. Und was, wenn der Boden dort kaum noch Selen enthält? Da hilft auch der Messwert schwarz auf weiß von vor zehn bis fünfzig Jahren kaum weiter.
Zink war erst vor Kurzem Thema einer ganzen Episode dieses Podcasts: Zink: Wichtig für Haare, Haut und Nägel, Immunsystem, Wachstum und mehr | Häufiger Nährstoffmangel. Zink ist wichtig für die Hormonproduktion und die Umwandlung von T4 in T3. Ein Mangel kann Symptome einer Unterfunktion verstärken, besonders Haarausfall und Müdigkeit. Umgekehrt beeinträchtigt eine Schilddrüsenunterfunktion die Aufnahme und Verwertung von Zink (und Magnesium). Gute Quellen für Zink sind Fisch, Fleisch und Eier aus Weidehaltung – siehe dazu auch die Podcast-Episode über Zink.
Eisen ist ein wichtiger Baustoff für das Enzym Thyroid-Peroxidase, welches wiederum ein Schlüsselenzym der Schilddrüsenhormonsynthese ist. Ein Eisenmangel oder -defizit führt schnell zur Schilddrüsenunterfunktion und ist besonders bei Frauen verbreitet. Warum? Weil Frauen durch die Monatsblutung regelmäßig Eisen verlieren. Details zum Mikronährstoff Eisen gibt es in der Episode Eisen: Mängel erkennen, verstehen & beheben – Müdigkeit & Erschöpfung beseitigen (Ferritin) Auch hier kommt es zur Wechselwirkung: Eine Schilddrüsenunterfunktion kann die Eisenaufnahme verschlechtern, unter anderem durch verringerte Magensäureproduktion. Gute Eisenquellen sind rotes Fleisch, Innereien (besonders Leber), Thunfisch, Sardinen, Lachs und Eier. Eisen aus pflanzlichen Quellen nimmt der Mensch meist deutlich schlechter auf, Details dazu finden sich in der eben genannten Episode.
Vitamin D wirkt regulierend auf das Immunsystem, was sich massiv auswirken kann auf die Anfälligkeit für Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto. Ein Vitamin-D-Mangel ist bei Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen weit verbreitet, zumal die Schilddrüse ihrerseits durch die Hormone Parathormon und Calcitonin auf den Kalziumstoffwechsel wirkt, an dem Vitamin-D maßgeblich beteiligt ist. Quellen für Vitamin D sind Sonnenlicht, fetter Fisch, Eigelb und, wie übrigens alle anderen Mikronährstoffe, Nahrungsergänzungsmittel. Siehe dazu die Episode über Vitamin D3.
Vitamin B12 ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert, weil eine Hashimoto-Thyreoiditis die Vitamin-B12-Aufnahme im Darm verschlechtern kann. B12-Mängel sind ohnhein weit verbreitet. Gute Quellen für Vitamin B12 sind Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte.
Ein halbes Dutzend Nährstoffe sind also direkt kritisch am Schilddrüsensystem beteiligt und schon ein leichtes Defizit kann zu einer Unterfunktion der Schilddrüse führen.
Auf diesem Weg werden wir bei Ulrike fündig: Sie hat Defizite bei Eisen, Selen, Jod und Zink. Damit ist ihre Leistungsfähigkeit und Lebensqualität zwangsläufig eingeschränkt – das Zinkdefizit allein kann ihre ausfallenden Haare erklären – und die von der Schilddrüse verwendeten Rohmaterialien sind damit Mangelwaren. Wie soll das System unter diesen Umständen korrekt funktionieren?
Doch es gibt weitere mögliche Störquellen:
Toxine
Gifte wie die Schwermetalle Quecksilber und Blei, Pestizide und Weichmacher können die Hormonproduktion stören. Auch Brom und Fluorid können störend wirken, da sie die Jodaufnahme blockieren. Fluorid kommt vor in Leitungswasser und es kann bereits in Mengen unterhalb der weit verbreiteten Höchstgrenze von 0,5 Milligramm pro Liter der Schilddrüsenfunktion schaden.2 Der Griff zu Mineralwasser ist hier oft kaum hilfreich, denn das enthält nicht selten mehr Fluorid als das Leitungswasser. Das ist kein Grund zur Panik, sondern soll hinweisen auf die Sensibilität der Schilddrüse. Der Griff zu fluoridfreier Zahnpasta ist in diesem Zusammenhang durchaus sinnvoll.
Besonders auf radioaktive Strahlung, zum Beispiel durch Röntgen-Untersuchungen, reagiert die Schilddrüse empfindlich.
Auch damit endet die Liste der Schilddrüsenbelastungen nicht:
Stress & psychische Belastungen
Cortisol als wichtigstes Stresshormon, wird ausgestoßen, wenn physische und psychische Belastungen vorliegen. Das macht chronischen Stress zu einem Problem für die Schilddrüse, denn Cortisol kann die Funktion der Schilddrüse auf mehreren Wegen beeinträchtigen:
Es kann die Ausschüttung von TRH im Hypothalamus und TSH in der Hypophyse unterdrücken. Das reduziert auch die Stimulation zur Produktion von Schilddrüsenhormonen.
Cortisol kann die Aktivität des Enzyms Typ-I-Deiodinase (DIO1), das T4 in T3 umwandelt, verringern. Gleichzeitig fördert es die Bildung von rT3 (reverses T3), einer inaktiven T3-Form, welche die Wirkung von T3 blockiert.
Chronisch erhöhte Cortisolwerte können die Sensitivität der Körperzellen für T3 reduzieren. Dann reagieren die Zellen trotz normaler oder sogar erhöhter T3-Werte die nicht auf das Hormon. Das beschreibt man als funktionelle Hypothyreose.
Chronischer Stress und hohe Cortisolspiegel können das Immunsystem beeinflussen und Autoimmunerkrankungen wie die Hashimoto-Thyreoiditis verursachen oder verschlimmern, eine häufige Ursache für eine Schilddrüsenunterfunktion.
Cortisol kann die Leberfunktion und Darmflora verändern. Da Schilddrüsenhormone in der Leber und im Darm metabolisiert werden, kann Cortisol auf diesem Weg indirekt die Schilddrüsenhormon-Balance stören.
Chronischer Stress kann durch Einfluss auf die Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsenachse sowohl zu einer Schilddrüsenüber- als auch zu einer Schilddrüsenunterfunktion führen.
Autoimmunerkrankungen
Eine Autoimmunerkrankung ist eine Fehlreaktion des Immunsystems, bei der körpereigene Zellen oder Gewebe fälschlicherweise als fremd erkannt und angegriffen werden. Ursache einer solchen Fehlfunktion des Immunsystems können Nährstoffmängel sein oder Umweltgifte, Stress oder andere Mängel im Lebenswandel. Dies kann zu chronischen Entzündungen und Funktionsstörungen in verschiedenen Organen führen, zum Beispiel Hashimoto-Thyreoiditis oder Morbus Basedow.
Hashimoto wird häufig gleichgesetzt mit einer Schilddrüsenunterfunktion, kann jedoch auch phasenweise zu Symptomen einer Überfunktion führen, wenn zum Beispiel die Zerstörung von Schilddrüsenzellen zur Freisetzung gespeicherter Hormone führt.
Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) bildet, welche die Schilddrüse übermäßig stimulieren. Dies führt zu einer dauerhaften Überfunktion (Hyperthyreose) mit Symptomen wie Herzrasen, Gewichtsverlust, Zittern und oft Augenveränderungen.
Beide Autoimmunerkrankungen gelten in weiten Kreisen als unheilbar und werden in der Regel medikamentös behandelt. Allerdings haben Autoimmunerkrankungen auch immer Ursachen beziehungsweise Auslöser. Häufige Ursachen sind psychosozialer Stress, Ernährung, Chemikalien und Infektionen. Es gibt genetische Veranlagungen für diese Krankheiten. Eine Veranlagung bedeutet allerdings nur eine höhere Wahrscheinlichkeit – mit solchen Genen ist man nicht zur Krankheit verdammt. Die Epigenetik zeigt: So eine genetische Veranlagung ist wie eine geladene Waffe – der Lebenswandel wäre dann der Finger am Abzug. Das heißt: Oft geben Entscheidungen des täglichen Lebens den Ausschlag über Ausbruch und Schwere einer solche Krankheit. Viele Fälle von Hashimoto konnten bereits erfolgreich mit einer Anpassung von Nährstoffzufuhr, Ernährung und anderen Maßnahmen des Lebenswandels behoben werden.
Hormonelle Veränderungen (z. B. Schwangerschaft, Wechseljahre)
Hormonelle Veränderungen und damit einhergehende Veränderungen im Nährstoffbedarf können ebenfalls zu Schilddrüsenfehlfunktionen führen.
Während der Schwangerschaft steigt der Hormonbedarf, das kann eine Unterfunktion der Schilddrüse begünstigen. Auch der erhöhte und meist unzureichend ausgeglichene Nährstoffbedarf in dieser Zeit kann zu Problemen mit der Schilddrüsenfunktion führen. Eine Schilddrüsenunterfunktion oder mangelhafte Schilddrüsenversorgung während der Schwangerschaft wirkt sich erfahrungsgemäß auf die Entwicklung nicht nur des Fötus, sondern später auch des heranwachsenden Kindes aus.
Während der Wechseljahre, davor und danach kommt es zu hormonellen Schwankungen, welche die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigen können.
Solche Probleme können sich auch als Hashimoto manifestieren.
Weitere Probleme
Schilddrüsenknoten sind in den meisten Fällen harmlos, können aber auch zum Problem werden. Sie können Druck auf benachbarte Strukturen ausüben und zum Beispiel Schluckbeschwerden verursachen; die Hormonproduktion beeinflussen; auf Entzündungen oder auf eine bösartige Veränderung hinweisen. Ursachen für Schilddrüsenknoten können sein:
- Jodmangel
- Genetische Veranlagung
- Hormonelle Einflüsse
- Entzündliche Prozesse (Thyreoiditis), auch durch Bakterien, Viren oder Hashimoto
- Autonome Adenome
- Zysten
- Schilddrüsenkrebs
In jedem Fall sollte man solche Knoten untersuchen und gegebenenfalls überwachen.
HPU: Die Stoffwechselstörung HPU (Hämopyrrollaktamurie) führt zu einer erhöhten Ausscheidung von Vitamin B6, Zink und Mangan. Vitamin B6 ist wichtig für die Bildung von Neurotransmittern wie Dopamin und Serotonin, welche indirekt die Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse beeinflussen. Ein Vitamin-B6-Mangel kann die TRH- und TSH-Freisetzung stören und auf diesem Weg eine Schilddrüsenunterfunktion verursachen.
Zink ist wie bereits beschrieben ein kritischer Nährstoff für das Schilddrüsensystem, aber auch das Immunsystem. Eine Immunsystem-Schwäche erhöht das Risiko für Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis.
Manganmangel erhöht oxidativen Stress, das kann die Schilddrüsenzellen schädigen und Entzündungen fördern.
Die Entgiftungskapazität von Menschen mit HPU ist oft eingeschränkt. Da die Schilddrüse besonders empfindlich auf Schwermetalle und Umweltgifte reagiert, kann HPU die Schilddrüsenfunktion weiter beeinträchtigen.
Vitamin-B6- und Zinkmängel beeinträchtigen auch die Funktion der Nebennieren, das erhöht die Stressanfälligkeit.
Das größte Problem für die Schilddrüse liegt allerdings in der Erkennung und Behandlung solcher Probleme. Darunter leidet auch Ulrike: Ihr TSH-Wert ist unauffällig und auch wenn sie immer wieder darauf hinweist, dass ihre Probleme sich seit ihrer Schwangerschaft massiv verschlechtert haben, weisen ihre Ärzte sie ab mit dem Gemeinplatz: »Das ist normal in ihrem Alter.«
Schulmedizin und Krankenkassensystem versagen bei der Schilddrüse
Anfangs nannte ich die Zusammenhänge der Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse und den Werten für TRH und TSH und Schilddrüsenhormone. Dabei habe ich den Vergleich von Hypophyse und Schilddrüse mit Betriebsleiter und Produktionsabteilung genutzt. Wenn zu wenig Schilddrüsenhormone kursieren, gibt die Hypophyse, der Betriebsleiter, die Anweisung zur Erhöhung der Produktion – diese Anweisung heißt TSH. Daraus ergeben sich diese vereinfachten Folgerungen:
- TSH hoch = Die Schilddrüse arbeite zu wenig
- TSH normal = Die Schilddrüse arbeite normal
- TSH niedrig = Die Schilddrüse arbeite zu viel
Und mit dieser Vereinfachung beginnen die Probleme. Denn nach diesem Prinzip kümmern sich Schulmedizin und Krankenkassensystem zunächst nur um den TSH-Wert. Und damit machen sie den gleichen Fehler, den die meisten Manager machen: Sie glauben, wenn der Betriebsleiter in seinen Bericht schreibe, es sei alles in Ordnung, dann müsse auch alles in Ordnung sein. Völlig ungeachtet der Realität im Produktionsraum und beim Verbraucher. Denn was ist, wenn der Betriebsleiter zwar ruft: »Hey Leute, ihr müsst mehr produzieren!« aber ein Drittel der Belegschaft ist krank? Dann steigt TSH, aber es wird trotzdem nicht mehr T4 und T3 produziert. Das bedeutet: TSH ist normal oder hoch, aber die Schilddrüse arbeitet trotzdem zu wenig.
Und genau das liegt bei Millionen Menschen allein in Deutschland undiagnostiziert vor: Ein normaler TSH-Wert und trotzdem sind sie schlapp, müde, leicht reizbar und frieren (überdurchschnittlich oft sind das Frauen – aus guten Gründen, zu denen wir auch später kommen). Weil eben die Schilddrüse doch nicht genug produziert. Zum Beispiel weil das Rohmaterial fehlt. Jod, Selen, Aminosäuren. Oder die Leber ist durch Alkoholkonsum belastet und kann nicht genügend T4 in T3 umbauen. Diese mechanistischen Zusammenhänge sind bestens bekannt und belegt. Aber die wenigsten Hausärzte oder auch Fachleute wie Endokrinologen gehen darauf ein.
Das ist zu einem nennenswerten, aber dennoch nur kleinen Anteil direkt der Arroganz, Faulheit oder Dummheit einzelner Ärzte geschuldet. Sondern es liegt schlicht daran, dass unser Krankenkassensystem eine direkte Messung von T3 und T4 ohne guten Grund nicht oder nur selten vorsieht. Hinzu kommt das übliche Problem der Referenzwerte: Solange TSH im Referenzbereich liegt, liege demnach keine Schilddrüsenfehlfunktion vor. Dieser Referenzbereich wurde allerdings ursprünglich festgemacht anhand der Daten einer bereits erkrankten Bevölkerung. Das bedeutet: Wenn TSH-Wert (und Schilddrüsenhormone) im Referenzbereich liegen, deutet das gar nicht auf Gesundheit hin, sondern traurigerweise bestenfalls auf Normalität. Und wir wissen längst: Normal ist nicht gesund.
Das hängt auch zusammen mit der Definition von Gesundheit. Wer viel mit Ärzten und Krankenhäusern zu tun hat versteht schnell: Als Gesund gilt, wer nicht tot umfällt oder schwer leidet (dazu passen Anweisungen wie »Essen Sie ruhig weiter Süßigkeiten, sie haben doch noch keinen Diabetes!«). Krankenkassensystem und Schulmedizin verstehen sich offenbar nicht als Institutionen zum Herstellen bestmöglicher Gesundheit, sondern eher als Verwaltungsapparat für Kranke. Das ist nicht die Schuld einzelner Ärzte, sondern schlicht politischer Wille, an dessen Bildung die Pharmaindustrie beteiligt ist.
Die Empfehlung der Leitlinie von 2023 lautet dementsprechend:
- »Ein TSH-Screening bei asymptomatischen Erwachsenen sollte nicht
erfolgen. - Ein routinemäßiges TSH-Screening bei Frauen mit Kinderwunsch
oder Schwangerschaft ohne bekannte Schilddrüsenerkrankung
sollte ebenfalls nicht erfolgen.« - Darüber hinaus: »Die Bestimmung des fT3 hat bei erhöhtem TSH keinen Zusatznutzen.«3
T3 ist das wirklich wichtige, das aktive Schilddrüsenhormon. Und ausgerechnet das soll nicht gemessen werden?
Auch schreibt die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin in ihrer Leitlinie, ein Selenmangel sei »in Deutschland sehr selten.« Allerdings muss sie sich diese Angabe aus der Nase gezogen haben, denn offiziell gibt es dazu keine Daten, wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in einer Stellungnahme vom Februar 2021 schreibt: »Für die Selenaufnahme in Deutschland über die Ernährung liegen gegenwärtig keine aktuellen Daten vor.«4
Auch die folgende Anweisung der Leitlinie lässt tief blicken: »Eine Therapie mit T3, T3/T4-Kombinationen bzw. natürlichen Schilddrüsenhormonpräparaten sollte nicht verordnet werden.« Also bloß keine natürlichen Präparate nutzen.
Und obwohl eine systematische Übersichtsarbeit von 2014 über 58 Studien anhand subjektiv berichteter Symptome Hinweise auf eine positive Wirkung einer Selentherapie gab, könne »eine Empfehlung zur Selensupplementierung in der Schwangerschaft […] aufgrund der schwachen Evidenz zum Nachweis der Wirksamkeit von Selen auf den menschlichen Metabolismus (generell) nicht abgeleitet werden.« Als Begründung gibt die Leitlinie an: Es wurden keine erprobten und validierten Messinstrumente zur Erhebung genutzt. Wenn der Patient sagt: »Mir geht es mit mehr Selen besser!« gilt das also einfach nicht.
Genau das ist allerdings der zentrale Fehler dieses Systems: Die Missachtung des persönlichen Wohlbefindens. Wenn der Patient alle Anzeichen einer Schilddrüsenunterfunktion zeigt und auf dem Zahnfleisch geht, aber die Werte, wenn sie überhaupt gemessen werden, im (kranken) Referenzbereich liegen, dann folgen meist Aussagen wie: »Das bilden Sie sich nur ein.« oder »Das ist das Alter, gewöhnen Sie sich dran.« oder »Ruhen Sie sich ein wenig aus. Das wird einfach so wieder besser.« Denn was laut Laborbericht nicht sein kann, darf auch nicht sein. Dabei gibt es bei den Schilddrüsenwerten so etwas wie einen individuellen Wohlfühlbereich: Ein fT3-Wert, der für den einen gut ist, kann für den nächsten nicht ganz optimal sein. Ein Grund mehr, die Verantwortung für das eigene Wohlergehen selbst zu übernehmen.
Genau das tut Ulrike. Sie ist bereit, für die Bestimmung der nötigen Blutwerte ein paar Euro selbst auszugeben – das ist ihr Wohlbefinden ihr wert.
Wie sollte eine vernünftige Untersuchung der Schilddrüse aussehen?
Umfassende Schilddrüsen-Diagnostik
Über den tatsächlichen Stand der Schilddrüsenhormonproduktion kann nur eine Messung der Hormone fT3 und fT4 informieren. Das f steht dabei für frei, denn wir wollen die freien Hormone messen. TSH zusammen mit fT3 und fT4 geben ein ordentliches Bild – wenn hier allerdings eine Störung besteht, dann kann man allein mit diesen Werten nicht unbedingt sehen, was die Störung verursacht.
Deswegen ist eine Messung der relevanten Mikronährstoffe sinnvoll: In jedem Fall Jod und Selen, auch Zink und Eisen beziehungsweise Ferritin und Vitamin D3, um die wesentlichen Rohstofflieferanten zu klären. Zugleich kann man sich auf die Suche nach Antikörpern machen: TAK, TPO-AK und TRAK erlauben Rückschlüsse über ein Autoimmungeschehen. In jedem Fall lohnt sich das manuelle Abtasten (Palpieren) und eine Ultraschalluntersuchung, also Sonografie, um ein Bild von der Größe, Definition und etwaigen Knoten zu bekommen. Misst man rT3, das sogenannte reverse T3, bekommt man einen weiteren Hinweis, was vor sich geht und warum etwas gegebenenfalls nicht funktioniert.
Oft steht in der Liste sinnvoller Maßnahmen die Szintigraphie – angesichts der Strahlenempfindlichkeit der Schilddrüse sei die Zweckmäßigkeit dahingestellt. Ich habe erfahrene Schilddrüsenpraktiker mit einem einfachen Ultraschallgerät währe Wunder wirken sehen.
Man kann all diese Maßnahmen auf einmal angehen. Meist findet das Vorgehen jedoch schrittweise statt, weil Untersuchungen Geld kosten und der Arzt sie gegenüber dem Krankenkassensystem rechtfertigen muss. Dabei scheitert die Diagnostik an Leitlinien wie den oben genannten und man kommt sehr früh nicht weiter, beziehungsweise kommt es zur falschen Folgerung.
Die Lösung? Man trägt die Untersuchungskosten selbst. Wer gesund sein will, muss investieren. Dennoch sollte man zugleich einen Arzt aufsuchen, der sich mit dem Thema wirklich auskennt und auch Lust hat, es anzugehen – das ändert nichts an den Kosten, erhöht aber massiv die Erfolgswahrscheinlichkeit. Es kommt nicht von ungefähr, dass meistens solche Ärzte, Heilpraktiker oder Coaches sich mit dem Thema gut auskennen, die selbst Probleme damit hatten oder jemanden in ihrem direkten Umfeld hatten.
Und was stellt man mit diesen Werten an?
Einerseits ist aus den genannten Gründen eine pauschale Aussage zu den richtigen Werten nicht möglich. Andererseits gibt es unter fortschrittlichen Schilddrüsen-Fachleuten wenigstens eine Art Konsens darüber, welche Werte nicht gut sind und auch ein ungefährer Zielbereich ist definiert. Folgendermaßen kann man die Werte deuten, dabei orientiere ich mich als Beispiel an Angaben von Dr. Orfanos-Boeckel5 – man könnte sich ebenso gut die Arbeiten von Dr. Simone Koch oder Jenny Reetmeyer anschauen:
TSH: Referenzbereich 0,27 bis 4,20 µIU/ml; für Schilddrüsengesunde sollte dieser Wert eher unter 2,0 liegen, unter T4-Monotherapie um 1,0 und unter T3-Therapie sogar unter 0,5.
fT4: Referenzbereich 0,9 bis 2,0 ng/dl; therapeutischer Zielbereich wäre 1,4 – lieber nicht höher, da sonst in zu viel rT3 umgewandelt wird
fT3: Referenzbereich 2,0 bis 4,4 pg/ml; Ziel wäre mindestens über 3,0, besser 3,5; individuell kann auch ein noch höherer Wert sinnvoll sein.
Gibt es hier Abweichungen, sollte als erste Handlung keine Verschreibung von Medikamenten wie Levothyroxin erfolgen, sondern die Frage: Warum? Warum passen die Werte nicht. Ist T3 zu niedrig, könnte zu wenig T4 vorliegen – oder es kommt zu einer Umwandlung rT3 anstelle von T3. rT3, das Reverse T3, stört die Wirkung des erwünschten T3. Dann muss man nach dem Grund für diese Umwandlungsstörung forschen: Stress, Entzündungen, Diabetes, Schwermetallbelastung, niedrige Eisenwerte und so fort.
rT3 sollte unter 140 pg/ml liegen.
Vielleicht fehlt Jod, vielleicht Selen, vielleicht Tyrosin oder Phenylanalin: Es gibt immer einen Grund für Fehlfunktionen. Als sanfteste Maßnahme könnte der nächste Schritt die Messung der genannten Nährstoffe sein. Wenn Nährstoffe fehlen, kann man keine volle Funktionsfähigkeit erwarten. Die naheliegende Lösung sind dann nicht Medikamente (die Nebenwirkungen haben und an denen die Pharmaindustrie verdient), sondern Mikronährstoffe (die keine Nebenwirkungen haben und an denen die Pharmaindustrie nichts verdient).
Wie sollten die Blutspiegel aussehen? Es folgen wie üblich keine Verschreibungen, denn jeder ist für seine Gesundheit selbst verantwortlich, sondern Erfahrungswerte für Gesundheit im Allgemeinen und besonders der Schilddrüse:
Jod im Serum darf gerne bei 70 bis 100 µg/l liegen anstelle der normalen Mangelwerte 40 bis 80. Fehlt etwas? Supplementation je nach Defizit mit täglich 150 bis 250 µg Jod.
Selen im Vollblut zeigt einen guten Wert bei 140 bis 160 µg/l (mit übrigens auch geringster Gesamtmortalität) anstelle der Referenz von 90 bis 230. Alles unter 120 ist deutlich suboptimal. Die meisten Deutschen liegen demnach im Defizit, wie übrigens auch beim Jod. Supplementation je nach Bedarf mit 100 bis 200 µg Natriumselenit.
Zink im Vollblut sollte um 6,0 ml/l liegen, Details dazu in der Episode Zink: Wichtig für Haare, Haut und Nägel, Immunsystem, Wachstum und mehr.
Ferritin im Serum, das Speichereisen, sollte bei Männern bei 100 bis 300 und bei Frauen bei 70 bis 200 ng/ml liegen, in jedem Fall gerne über 100. Die Referenz, also die Normalität des Krankenkassensystems, akzeptiert Werte runter bis 30 respektive 15 – damit kann man zwar leben, sollte sich aber nicht wundern, wenn es zu Problemen und Einschränkungen kommt. Wichtig bei diesen Werten: Sie gelten bei niedrigen Entzündungswerten, also CRP unter 0,6 mg/l. Details zu diesem Mikronährstoff in der Episode Eisen: Mängel erkennen, verstehen & beheben – Müdigkeit & Erschöpfung beseitigen (Ferritin).
Gesamteiweiß sollte um 7,5 und auf jeden Fall über 7,0 g/dl liegen. Die Normalität lässt Werte bis runter zu 6,2 zu – was besonders bei veganer oder vegetarischer Ernährung häufig der Fall ist. Protein – Aminosäuren – ist lebenswichtig.
Vitamin D3 ist essenziell für die Funktion des Immunsystems und somit als Vorbeugung gegen Autoimmunerkrankungen, welche die Schilddrüse angreifen können. Darüber habe ich eine ganze Episode veröffentlicht: Vitamin D3: Defizite, Mängel, Dosierung und Mangelerscheinungen. Der Vitamin-D3-Wert im Serum (25-OH-VD = Calcidiol) sollte nicht wie in der Referenz vorgesehen bei 10, 20 oder 30 sondern sinnvollerweise bei über 40, gerne auch 50 bis 70 ng/ml liegen. 5000 IE täglich als Supplementation sind fast immer sinnvoll.
Omega-3-Fettsäuren sind ebenfalls essenziell für fast alles im Körper. Gemessen wird der Omega-3-Index und der sollte über 10, gerne auch bei 12 Prozent oder darüber liegen. Details erläutere ich in der Episode Sollte man Omega-3-Fettsäuren einnehmen? Täglich 1000 mg oder mehr EPA und DHA nutzen fast jedem. Produktlink: omega-3-zone*
Ist – was selten vorkommt – bei den Nährstoffen alles im grünen Bereich (merke: der grüne Bereich ist nicht der Referenzbereich, siehe dazu meine Episoden über zum Beispiel Eisen, Zink oder Vitamin D)? Dann lohnen sich Blicke aufs Ultraschallbild und die Antikörper. Für letztere gelten diese Empfehlungen:
TAK: Referenzbereich negativ bis 115 U/ml; Ziel: negativ.
TPO-AK: Referenzbereich negativ bis 34 U/ml; Ziel: negativ.
TRAK: Referenzbereich negativ bis 1,5 U/ml, Grenzbereich bis 3,0; Ziel negativ; wichtig eher zum Abklären einer Schilddrüsenüberfunktion.
Gibt es hier Auffälligkeiten, kann man eine Autoimmunerkrankung diagnostizieren, oder man fragt wieder: Warum? Darauf sollte der Blick auf den Lebenswandel erfolgen. Stimmt alles bei Ernährung und Bewegung, Schlafhygiene und Stressbewältigung? Dabei bietet die Ernährung meist das größte Potenzial, denn viele Autoimmunerkrankungen entstehen durch unentdeckte Probleme im Darm wie Leaky Gut, das Leckdarmsyndrom, oder andere Belastungen der Darmwand. Auch dem Thema Darmpflege habe ich bereits eine ganze Episode gewidmet: Anleitung zur Darmsanierung. Viele sogenannte Autoimmunerkrankungen sind einfach kontrollierbar, Medikamente sind oft nicht zwingend erforderlich.
Der Lösungsweg nicht nur zur Schilddrüsengesundheit, sondern zur Gesundheit im Allgemeinen, hat mehrere Gabelungen, aber man muss am Ursprung beginnen und nach der Ursache der Ursache der Ursache fragen – und der Lebenswandel ist immer ein wesentlicher Faktor: Bewegung und Schlafhygiene, Stressbewältigung und Geisteshaltung haben genauso Einfluss auf die Gesundheit wie Ernährung und einzelne Nährstoffe. Der Lebenswandel ist das Fundament der Gesundheit.
Jedenfalls führt das schulmedizinische Standardvorgehen, wenn überhaupt ausschließlich ein T4-Präparat (Levothyroxin) zu verschreiben (siehe dazu die zuvor genannte Leitlinie) häufig nicht zur Lösung der tatsächlichen Probleme der Patienten, jedoch immer zu langfristig höheren Kosten für das Gesundheitssystem, volleren Kassen der Pharmaindustrie und kurz- bis mittelfristig weniger Arbeit für überarbeitetes Gesundheitspersonal.
Auch und besonders in Deutschland beliebt sind Thyreoidektomien, also operative Entfernungen der Schilddrüse, wenn zum Beispiel eine vermeintlich unheilbare Autoimmunerkrankung diagnostiziert wurde. Dann ist das Organ futsch, die Nebenschilddrüsen oft auch (dazu gleich mehr) und der Patient ist sein Leben lang auf Präparate angewiesen. Dabei kommt es regelmäßig auch zu Verletzungen der Stimmbänder. Wenn das Organ nicht tut, was es soll, schneiden wir es einfach heraus. Operation gelungen, Patient tot.
Wenn man einfach nur T4 verschreibt, verlässt man sich darauf, dass der Körper es schon irgendwie in die nötige Form T3 umwandle. Dafür benötigt man unter anderem reichlich Selen und eine funktionierende Leber sowie den passenden Lebenswandel (siehe oben).
Ein T3/T4-Kombinationspräparat greift dem vor, wird jedoch selten verschrieben. Für viele Patienten funktioniert auch das nicht. Die können dann zu natürlichen Schilddrüsenhormonpräparaten greifen: Solche gibt es zum Beispiel aus Rinder-, Schweine- oder Schafschilddrüsen. Diese werden gefriergetrocknet, zerkleinert und in Kapseln verpackt. Der Vorteil: Sie enthalten nicht nur T3 und T4, sondern auch andere Schilddrüsenhormone (über die wir noch nicht so viel wissen). Viele Schilddrüsenpatienten und solche ohne Schilddrüse (nach einer Thyreoidektomie) fahren mit diesen Produkten am besten.
Statt auf Sonderfälle und weitere Details einzugehen, nutzen wir die übrige Zeit für einen wichtigen Themenbereich, der bei Schilddrüsenproblemen oft übersehen wird.
Nebenschauplatz: Parathormon, Calcitonin & Knochendichte
Eine Schilddrüsenunterfunktion geht oft einher mit verringerter Knochendichte, also Osteopenie oder Osteoporose. In diesem Zusammenhang ist der Calciumstoffwechsel beeinträchtigt. Für gesunde Knochen muss man Calcium nicht nur essen, sondern auch in die Knochen einbauen. Damit das funktioniert, muss der Darm es aufnehmen – dafür benötigt man ausreichend Vitamin D3. Ist das Calcium im Blut, muss es noch immer durch die Osteoblasten in die Knochen eingebaut werden. Ob und wie das geschieht, beeinflussen unter anderem die Hormone Calcitonin aus der Schilddrüse und Parathormon aus den Nebenschilddrüsen – vier etwa linsengroße Drüsen im Randbereich der Schilddrüsen. Probleme der Schilddrüse treffen häufig auch die Nebenschilddrüsen und bei einer Thyreoidektomie werden sie nicht selten mit entfernt.
Wenn der Calcium-Spiegel im Blut steigt, steigt auch der Calcitonin-Spiegel und sorgt für eine Speicherung des Calciums in den Knochen. Arbeitet die Schilddrüse nicht richtig, kann auch dieses System beeinträchtigt sein und das Calcium landet nicht in den Knochen.
Sinkt der Calcium-Spiegel, geben die Nebenschilddrüsen das Parathormon ab, welches letztlich die Osteoklasten stimuliert zum Abbau der Knochensubstanz. Eine Fehlfunktion der Nebenschilddrüsen kann demnach langfristig zu Osteoporose führen.
Aufgrund dieser Zusammenhänge lohnt sich bei Problemen mit der Schilddrüse immer auch ein Blick auf Knochengesundheit und Calcium, Parathormon und Calcitonin. Besonders – aber nicht nur – mit steigendem Alter.
Zugunsten der Knochendichte lohnt sich eine Maßnahme, die für ein gesundes Leben ohnehin unumgänglich ist: Krafttraining. Die Arbeit mit schweren Gewichten stimuliert die Erhöhung der Knochendichte – auch im gehobenen Alter. Darüber hinaus bietet Krafttraining unzählige Vorteile für die Gesundheit von Muskeln, Organen, Hormonsystem und Gehirn und es gilt als eines der wirksamsten Mittel gegen Depressionen.
Thema Schilddrüse: Mehr als nur Übergewicht, Müdigkeit und ein paar Blutwerte
Auch die Schilddrüse verdeutlicht: Gesundheit ist nicht Sache der Krankenkassen oder des Hausarztes, einiger Laborwerte oder einzelner Symptome. Der gesamte Lebenswandel ist von Bedeutung für das Wohlbefinden. Wer seinen Stress nicht bewältigt und keine Zufriedenheit mit sich selbst herstellt, beeinträchtigt seine Gesundheit genauso wie jemand, der sich täglich nur von Marmeladenbrötchen und Pommes ernährt und zwischendurch als Alibi einen Apfel isst.
Das Thema verdeutlicht auch die Grenzen der Möglichkeiten der Schulmedizin in unserem Krankenkassensystem. Schulmedizin kann Großes leisten in akuten Fällen, zum Beispiel ein gebrochenes Bein richten oder am offenen Herzen operieren. Doch das Verhindern von Erkrankungen oder Vermeiden schleichender Minderung der Lebensqualität ist nicht Fokus des Krankenkassensystems nach aktuellem Stand.
Die Diagnose »Wenn Sie eine Schilddrüsenunterfunktion hätten, wären Sie dick – also kann das nicht sein!« ist Unfug. Gesundheit kann man nicht an Referenzwerten festmachen und nicht jeder Patient mit einer Schilddrüsenunter- oder -überfunktion zeigt die gleichen Symptome. Was zählt ist das Wohlbefinden. Leider missachten das noch immer viele Ärzte und verfahren nach dem Prinzip: »Es kann nicht sein, was nicht sein darf!« – eine Arroganz, welche die dunkle Seite der Schulmedizin offenbart.
Eine Schilddrüsenunterfunktion kann jeden Tag den ganzen Tag stark beeinträchtigen. Müdigkeit, Schlappheit, Haarausfall, trockne Augen, depressive Verstimmungen, Kälteempfindlichkeit, Verstopfung oder mangelnder Antrieb muss man nicht hinnehmen – auch nicht mit 40 oder 50, 60 oder 70 Jahren.
Zusammenfassung
Die Schilddrüse ist ein zentrales Organ des Körpers für den Energiestoffwechsel. Eine Unterfunktion führt zu Symptomen des Mangels und der Schwäche. Bei Millionen Menschen ist dieses Problem nicht diagnostiziert oder unzureichend behandelt.
Als empfindliches Organ reagiert die Schilddrüse schnell auf Nährstoffmängel und Toxine, Stress und psychische Belastung, Probleme des Immunsystems und hormonelle Veränderungen.
Das Vorgehen von Krankenkassensystem und Leitlinien in Deutschland ergibt vor dem Hintergrund der tatsächlichen Zusammenhänge wenig Sinn. Viele Fälle von Schilddrüsenproblemen werden daher gar nicht oder viel zu spät erkannt. Wer gesund sein will, muss selbst die Initiative übernehmen.
Eine umfassende Schilddrüsen-Diagnostik ist keine Hexerei und muss auch nicht teuer sein. Bereits ein Satz Blutwerte kann klare Hinweise auf etwaige Baustellen geben. Prüfe Selen und Jod, Ferritin und Zink, Gesamt-Eiweiß, am besten auch direkt Vitamin D3 und Omega-3-Index. Bei den Hormonen neben TSH in jedem Fall fT3 und fT4 messen. rT3 und die verschiedenen Antikörper kann man im zweiten Durchlauf angehen. Wirf dann bei tatsächlichen Schilddrüsenerkrankungen in jedem Fall einen Blick auf die Knochengesundheit.
Zur Unterstützung bei der Umsetzung stelle ich auch einen Spickzettel für den Alltag als kostenlosen Download zur Verfügung: Spickzette #2 – Schilddrüse.
Ulrike kommt an einem Schilddrüsenpräparat vorbei und kann sich durch die Supplementation von Eisen, Jod, Selen und Zink helfen. Innerhalb weniger Wochen spürt sie deutliche Besserungen in ihrem Energielevel, die depressiven Verstimmungen sind Geschichte und auch auf der Toilette flutscht es wieder. Auch merkt sie: Es bleiben weniger Haare in ihrer Bürste hängen. Vor ihr liegen in der Tat die besten Jahre ihres Lebens.
Was sind deine Erfahrungen mit dem Thema Schilddrüse? Zeigst du Symptome einer Unterfunktion? Sind deine Nährstoffspiegel alle im grünen Bereich? Schreib es in die Kommentare.
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Fußnoten
- https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/gesunde-ernaehrung/jodsalz-landingpage/jodsalz-landingpage_node.html; https://www.br.de/radio/bayern1/jodmangel-100.html
- Kheradpisheh, Z., Mirzaei, et al. Impact of Drinking Water Fluoride on Human Thyroid Hormones: A Case- Control Study. Sci Rep 8, 2674 (2018). https://doi.org/10.1038/s41598-018-20696-4
- https://register.awmf.org/assets/guidelines/053-046l_S2k_Erhoehter-TSH-Wert-in-der-Hausarztpraxis_2023-07.pdf
- https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Zulassung/ZulRelThemen/abgrenzung/Expertenkommission/stellungnahmen/2021-02.pdf?__blob=publicationFile
- s.a. Orfanos-Boeckel. Nährstoff-Therapie – Der Praxisleitfaden, 2024, 1. Auflage, TRIAS Verlag, Stuttgart