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Langsamer Stoffwechsel: Gibt es das? Was ist die Lösung? | Basale Stoffwechselrate, Appetit & Hunger

Regina und Siegfried stecken in einer erhitzten Debatte. Sie habe sich über Gesundheit und Ernährung unterhalten und sind sich nur soweit einig: Übergewicht ist immer ungesund. Siegfried klagt immer wieder über seinen Schwabbelbauch, der einfach nicht weggeht. »Ich habe einfach einen langsamen Stoffwechsel. Deswegen muss ich mit dem Bauch leben«, hält er fest. Regina widerspricht ihm deutlich: »Das ist Unfug. Du isst wahrscheinlich einfach nur zu viel und bewegst dich zu wenig.« »Aber mein Bruder isst viel mehr als ich und der bleibt trotzdem schlank«, entgegnet Siegfried. Eine uralte Diskussion. Kalorien, Kohlenhydrate und Insulin, die Energiebilanz, Bewegung und der gute alte langsame Stoffwechsel. Was ist dran an den Argumenten? Und vielmehr: Woran liegt es, dass einige Menschen dicker sind als andere, obwohl sie weniger essen, Kalorien zählen oder viel Sport treiben?

In dieser Episode gehe ich diesen Fragen auf den Grund:

  • Warum ist die Kalorienbilanz oder Energiebilanz und somit auch das Kalorienzählen zwar prinzipiell ein korrekter Ansatz, aber in der Praxis nicht zuverlässig?
  • Gibt es so etwas wie einen langsamen oder schnellen Stoffwechsel beziehungsweise: Warum verbrauchen Menschen mit vergleichbaren Daten wie Statur, Gewicht, Alter, Geschlecht, Aktivitätslevel und Lebenswandel unterschiedlich viel Energie?
  • Welche Probleme entstehen daraus? Sind einige Menschen einfach zum Dicksein verdammt und haben keine Chance, jemals abzunehmen, ihre Traumfigur oder ein Sixpack zu erreichen?
  • Wie kann man diese Hürden überwinden, seine Gesundheit verbessern und sein Körpergewicht unter Kontrolle bringen?

Die Theorie der Kalorienbilanz ist korrekt, aber in der Praxis unzuverlässig

Wer mehr Energie (Kalorien) zu sich nimmt, als er verbraucht, erzeugt eine positive Bilanz – einen Überschuss – und nimmt zu. Wer weniger zu sich nimmt, als er verbraucht, erzeugt ein Defizit und nimmt ab. Das ist das Prinzip der Kalorienbilanz und es basiert auf den allgemein anerkannten Gesetzen der Thermodynamik. Tiere und Menschen können nur dicker werden, ganz gleich ob durch Fett oder Muskelmasse, wenn sie mehr essen, als sie verbrauchen. Das ist unumstößlich. Das ist auch unangefochten selbst von Forschern mit diametral gegensätzlichen Ansichten zu den Ursachen von Übergewicht. Das Konzept der Kalorienbilanz stimmt. Eines ist es allerdings in der Praxis nicht: Ganz einfach.

Regina und Siegfried können nicht ganz einfach ihren Kalorienbedarf ausrechnen, dann ganz einfach Kalorien zählen und ganz einfach die richtige Menge Kalorien essen. Eine ganze Reihe von Tatsachen und Umständen stehen diesem Ansatz im Weg. Einige wenige davon stelle ich vor:

Erstens kennen die meisten Menschen ihren genauen Kalorienbedarf gar nicht, können also auch nicht zielgerichtet mit der Kalorienbilanz arbeiten. Die Feststellung des Kalorienbedarfs ist nicht trivial und kein Rechner im Internet kann dir deinen Kalorienbedarf mitteilen – auch wenn er Schwarz auf Weiß Werte mit zwei Nachkommastellen ausgibt. Darauf komme ich später im Detail zurück.

Zweitens kennen die meisten Menschen den Kaloriengehalt ihrer Lebensmittel nicht. Und selbst, wer fleißig auf die Verpackungen und Kalorientabellen schaut, findet dort häufig falsche Angaben. Merke: Nicht alles, was irgendwo geschrieben steht, stimmt. Zum Beispiel geht man pro Gramm Fett von rund neun Kilokalorien aus. Tatsächlich hat sich herausgestellt, dass etwa das Fett aus Nüssen mindestens 30 Prozent weniger Kalorien enthält als üblicherweise berechnet.1

Drittens beeinflusst unsere Energiezufuhr unseren Energieverbrauch. Wer mehr isst, verbraucht tendenziell mehr; und wer viel zu wenig isst, dessen Körper schaltet auf Sparflamme und verbraucht weniger.

Viertens missachten die meisten Menschen – Ärzte, Ernährungs­wissen­schaftler und Fitnesstrainer eingeschlossen – diese Tatsache: Kalorien, die du isst, sind nicht Kalorien, die du verdaust. Wenn Regina eine Tafel Schokolade isst – immerhin rund 660 kcal – und sich dann übergibt, dann hat sie zwar 660 kcal gegessen, aber ziemlich genau Null davon verdaut. Ähnlich funktioniert das mit Durchfall. Der Darm ist kein Kalorimeter, wir verbrennen keine Lebensmittel oder Kalorien, sondern wir verdauen Lebensmittel. Was dein Darm mit der Energie aus den verzehrten Lebensmitteln Tag für Tag anstellt, ist weitgehend unbekannt und noch immer unkennbar. Zumal dabei auch die Darmbakterien ein großes Wort mitreden und über die wissen wir noch immer recht wenig. Was wir sicher wissen ist: Die Gesamtheit der Darmbakterien reagiert direkt auf die Qualität der Nahrung, aber auch zum Beispiel auf den mentalen und psychologischen Zustand des Menschen und verändert sich entsprechend. Kurzgesagt: Der Darm ist eine Blackbox. Wir können zwar mit Mühe und Not unseren Energiebedarf bestimmen und auch mit viel Fleiß die Energiezufuhr in den Mund dokumentieren. Aber was der Darm mit dem Futter anstellt, wissen weder der Teufel, noch der Geier.

Belassen wir es bei diesen praktischen Problemen. Die Theorie der Kalorienbilanz ist unumstößlich korrekt, im Alltag für Regina und Siegfried, dich und mich jedoch nicht zuverlässig anwendbar.

Greifen wir stattdessen wieder die Eingangsfrage auf – warum haben einige Menschen solche Schwierigkeiten mit ihrem Gewicht oder ganz konkret:

Haben einige Menschen einfach einen langsamen Stoffwechsel?

Das ist Siegfrieds Klage: »Ich habe einen langsamen Stoffwechsel!« Hier erspare ich euch den Ritt auf meinem Steckenpferd der Semantik und kürze ab. Was Siegfried ausdrücken möchte ist: Seine basale Stoffwechselrate ist niedriger als bei anderen Menschen. Sozusagen sein Grundverbrauch im Leerlauf, nur für Herzschlag, Atmung und so fort.

Das ist tatsächlich gut möglich: Der Unterschied im täglichen Energieverbrauch des Stoffwechsels zweier hinsichtlich Alter, Geschlecht, Gewicht und Aktivitätsgrad vergleichbarer Menschen im Ruhezustand kann bis zu 400 kcal betragen.2 Das berücksichtigen die verbreiteten Formeln zur Berechnung des Grundbedarfs nicht. Was man dir im Internet an unzähligen Stellen als deinen Grundumsatz ausrechnet, stimmt mit größter Wahrscheinlichkeit nicht. Das könnte man höchstens in einem Labor genau ermitteln. 400 kcal pro Tag – das wären umgerechnet 44 Gramm Körperfett mehr oder weniger, immerhin rund 1,2 Kilo pro Monat.

Hinzu kommt: Der Körper reagiert auf einen Kalorienüberschuss durch unbewusste Aktivitäten wie Zappeln, Fußwippen und ähnliches, Aktivitäten oft außerhalb des Bewusstseins (sog. NEAT, für nonexercise activity thermogenesis). Das Ausmaß dieser Bewegungen und des entsprechenden Energieverbrauchs ist unterschiedlich von Mensch zu Mensch. Der Unterschied liegt im Energieverbrauch bei über 700 kcal pro Tag.3

Zwei in Alter, Geschlecht, Gewicht und Aktivitätsgrad vergleichbare Menschen können also durchaus einen drastisch unterschiedlichen Energiegrundverbrauch haben. Siegfrieds Energie-Grundumsatz könnte tatsächlich niedriger sein als der seines Bruders, der viel mehr isst und dennoch schlank bleibt.

Na und? Das bedeutet ja auch nur, dass Regina Recht hat: Siegfried isst zu viel – oder bewegt sich zu wenig. Dass andere Menschen mehr essen und schlank bleiben, hat keinerlei Bewandtnis für Siegfried – Menschen sind verschieden. Wenn Siegfrieds Bedarf niedriger ist, muss er weniger essen. Das kann man als Vorteil betrachten: Er kann Ausgaben für Lebensmittel sparen. Im Grunde ist Siegfried das auch klar. Seinen Hintergedanken hat er nicht ausgesprochen: »Ich will aber auch so viel essen wie mein Bruder, ohne mir Gedanken um meine Gesundheit und Figur machen zu müssen!« Sorry Siegfried: Es gibt kein Recht auf viel essen und eine gute Figur. Dein Leben ist dein Leben und du hast nur dieses eine. Das ist nicht ungerecht, denn alles hat seine Vor- und Nachteile.

Und für Siegfried gibt es keinen Grund zur Verzweiflung, auch wenn der hartnäckige Schwabbel am Bauch ihn jeden Tag frustriert. Er ist seinem Stoffwechsel nicht ausgeliefert: Nicht nur kann er sein Verhalten daran anpassen, sondern er kann auch die basale Stoffwechselrate beeinflussen. Aber – pssst – dazu später mehr. Zuvor die dramatische Frage:

Können einige Menschen niemals abnehmen oder ihr heiß ersehntes Sixpack erreichen?

Siegfried wird seinen Schwabbelbauch nicht los, weil er zu viel isst – oder sich zu wenig oder auf die falsche Weise bewegt, jedenfalls: Weil er keine negative Kalorienbilanz herstellt. Dafür spielt gar keine Rolle, wie die Bilanzen anderer Menschen aussehen.

Die Kalorienbilanz. Wir können ewig auf diesen Umstand hinweisen, aber das wäre wie das Reiten auf einem toten Pferd: da kann man eine stärkere Peitsche herausholen oder einen anderen Reiter draufsetzen oder mehrere tote Pferde zusammenschirren oder seufzen: »Aber so sind wir doch schon immer geritten!« oder man konsultiert einen Berater der das tote Pferd analysiert. Es nützt nichts. Steigen wir also ab, suchen endlich eine Lösung und kommen voran mit der Frage: Warum? Wenn man antwortet »Weil er zu viel isst oder sich zu wenig bewegt«, könnte man auf die Frage »Warum ist es dunkel?« auch antworten »Weil das Licht nicht an ist!«

Warum schafft Siegfried keine negative Kalorienbilanz? Nehmen wir an, Siegfried ist eifriger Hörer meines Podcasts und hat auch mein Buch Der Weg – Wie du einen gesunden Lebenswandel entwickelst und beibehältst wenigstens gelesen und verstanden. Deswegen bewegt er sich regelmäßig und hat im Rahmen des für ihn Möglichen sein Bewegungspensum maximiert. Zweimal pro Woche Krafttraining mit dem Sandsack und einmal pro Woche Ausdauersport in Form einer langen Fahrradeinheit. Sagen wir, der Kalorienverbrauch ist maximiert.

Bleibt die Kalorienzufuhr. Siegfried hat sich bislang an den Mengen orientiert, die sein Bruder (nehmen wir das gleiche Bewegungspensum an) zu sich nimmt. Das war sein Fehler, denn sein Verbrauch ist geringer als der seines Bruders. Siegfried hat also zu viel gegessen, weil er sich falsch orientiert hat. Schuld an seinem Übergewicht ist also nicht seine niedrigere Stoffwechselrate oder sein, wie er es nennt, langsamer Stoffwechsel. Sondern er hat zu viele Kalorien zu sich genommen, weil er sich falsch orientiert hat.

Es gibt noch zahlreiche weitere mögliche Gründe, warum ein Mensch zu viel isst, also mehr, als er braucht. Manchmal trifft nur einer zu, häufig ist es eine Kombination aus Ursachen – das ist übrigens auch bei Siegfrid der Fall. Hier ein paar Beispiele:

Kalorienüberschuss durch falsche Einschätzung

Wer seinen Kalorienverzehr an einem Tag überschlägt oder auch einfach nur überlegt, was er gegessen hat, vergisst oft einiges. »Ich habe abends eine Bratwurst gegessen« bedeutet meist eher eine Bratwurst mit Soße, eine Cola und eine Pommes mit Majo. Aus den rund 300 kcal der Bratwurst wird so eine Mahlzeit mit 800 kcal.

Wer nebenher isst, also vor dem Fernseher, beim Zocken oder beim Autofahren, der unterschätzt ebenfalls meist seine Energiezufuhr. Wenn das Gehirn mit etwas anderem beschäftigt ist, kann es den Verzehr schlecht registrieren. Bewusst vergessen wir das gegessene und auch unterbewusst kann das Gehirn den Vorgang nicht mit einem Gefühl von Sättigung verbinden. Das gilt übrigens besonders für alles, was wir trinken: Smoothies, Säfte und Schorlen, überhaupt alle energiehaltigen Getränke werden vom Gehirn schlecht als Nahrungszufuhr registriert. Es fehlt die Kaubewegung. Ein Grund mehr, sich beim Trinken auf Wasser und ungesüßten Tee oder Kaffee (ohne Milch) zu beschränken.

Meist entsteht Übergewicht nicht durch die regulären Mahlzeiten, wenn zum Beispiel mal ein etwas zu großes Steak auf dem Teller liegt. Sondern es sind die Snacks zum Beispiel vor und nach dem Abendessen. Die kumulieren sich schnell auf 200 kcal pro Tag – pro Jahr immerhin acht Kilo Fett. Nur ein einziges Stück Schokolade zu viel am Tag gerät nach zwölf Monaten zu einer Fettwulst von 2,6 Kilo.

Besser eine Handvoll Nüsse, weil die doch so gesund sind? Lieber nicht. 15 Gramm Nüsse enthalten mit rund 100 kcal mehr Energie als ein durchschnittliches Stück Schokolade (selbst wenn man die zuvor genannten 30 Prozent abzieht, ist das als täglicher Überschuss keine gute Idee). Versteht mich nicht falsch: Nüsse sind toll und nährstoffreich. Hier geht es einfach nur um zusätzliche, unbewusste und vergessene Energiequellen, die manchen Menschen eine negative Kalorienbilanz – und damit häufig die ersehnte Traumfigur – zerstören. Die drastisch unterschiedliche Wirkung der Lebensmittelqualität zum Beispiel aufs Darm-Mikrobiom oder Hormonsystem klammere ich dabei bewusst aus. Auch die Möglichkeit, dass unser Verdauungssystem bedarfsabhängig Energie aufnimmt und die Kalorienzählerei daher nichts bringt, bleibt dabei nur im Hinterkopf.

Hier ein Haferkeks, da ein paar Nüsse, noch eine Maiswaffel, ein Dinkelriegel oder ein Glas Saft. Diese Naschereien sind die Zutaten aus denen viele Menschen sich Tag für Tag ihre Wampe zusammenbasteln. Das weiß ich so genau, weil es bei mir damals drei Stück Zucker in jeder Tasse Kaffee waren.

Kalorienüberschuss durch überhöhten Appetit (oder mangelnde Disziplin)

In unserer Gesellschaft essen Menschen selten aus Hunger in Form des wirklich starken, körperlichen Signals eines Energiemangels. Viel häufiger essen wir aus Gewohnheit oder weil wir Appetit haben. Das ist bei Regina und Siegfried nicht anders.

Das ist eine weitere mögliche Antwort auf die zuvor gestellte Frage nach dem Warum: Warum schafft Siegfried keine negative Kalorienbilanz? Weil sein Appetit zu groß ist und er ihm nicht widersteht. Ihm fehlt die nötige Disziplin, Gewohnheit und Willenskraft, was allerdings Thema früherer Episoden eben zum Thema Gewohnheiten ist.

Die korrekte Anschlussfrage lautet dann: Warum ist Siegfrieds Appetit überhöht? Zur Klarstellung: Appetit ist nicht etwa ein kleiner Hunger, sondern schlicht hedonistische Lust – Appetit erlebt fast jeder, der sich gerade am Hauptgericht pappsatt gegessen hat und sich dann dem Dessert gegenübersieht. Die meisten Menschen verwechseln Appetit mit Hunger. Also: Warum empfindet Siegfried Appetit (und verwechselt ihn mit Hunger), wenn er bereits genug Energie aufgenommen hat?

Appetit per Gewohnheit: Eine Antwort haben wir bereits zuvor gefunden: Siegfried isst per Gewohnheit so oft und so viel, wie sich sein Bruder einverleibt. Sein Sättigungsgefühl ist daran gewöhnt. So etwas kann man sich in der Regel binnen weniger Tage wieder abgewöhnen. Wer bei gleicher Gesamt-Energiezufuhr die Zahl seiner Mahlzeiten von zum Beispiel fünf auf drei pro Tag reduziert, wird begreifen, wie groß die Macht der Gewohnheit über unsere Wahrnehmung ist. Der vermeintliche Hunger kommt einfach zu den gewohnten Uhrzeiten, obwohl man längst genug gegessen hat – bis man sich an den neuen Rhythmus gewöhnt hat.

Weitere mögliche Erklärungen für überhöhten Appetit sind:

Manipulation durch stark verarbeitete Lebensmittel: Fast Food, Junk Food, Fertiggerichte, Süßigkeiten und Snacks wollen verkauft werden. Damit das gelingt, gestaltet die Nahrungsmittelindustrie sie maximal appetitlich. Anders als früher muss sie dabei nicht hungrige Menschen satt, sondern satte Menschen hungrig machen. Es ist kein Kampf um Marktanteil, sondern um Magenanteil und dabei benutzen die Unternehmen alle legalen Tricks, wohlwissend, wie ungesund Übergewicht ist. Sie wissen genau, mit Hilfe welcher Substanzen sie das Gehirn austricksen und suggerieren können, man müsse noch mehr essen. Zu den klassischen Helfern gehören dabei nach wie vor Salz, Zucker und Fett.

Menschen essen dann zu viel, weil ihr Gehirn zu spät Sättigung meldet. Fertig verarbeitete käufliche Lebensmittel sind einfach wahnsinnig appetitlich geworden. Das dient auch als Erklärung eines der beiden vorherrschenden Modelle zur Erklärung der Epidemie der Fettleibigkeit: Menschen essen aufgrund dieser extrem appetitlichen Lebensmittel bei jeder Mahlzeit unbewusst etwas mehr – etwas zu viel – und geraten deswegen mit der Zeit ins Übergewicht. Jeden Tag einen kleinen Schritt tiefer.

Warum sonst sollte ein Mensch zu viel essen? Kein geistig gesunder Mensch, also kein gesunder Mensch will übergewichtig sein. Nicht nur, weil viele Menschen das als unästhetisch empfinden, sondern schlicht, weil Übergewicht ungesund ist.

Frust, Stress und Unzufriedenheit: Frustfressen ist in geläufiger Begriff. Frust, Stress und Unzufriedenheit empfinden die meisten Menschen als unangenehm. Wenn Regina gestresst ist, greift sie oft zu einem Proteinriegel – als Snack sicher nicht die schlechteste Wahl. »Das brauche ich jetzt einfach«, denkt und sagt sie. Und belügt damit sich selbst. Und das weiß sie auch. Essen oder Snacken ist keine sinnvolle Reaktion auf Stress, denn es ist ein Ausweichmanöver und löst kein Problem. Regina holt sich eine kurze Befriedigung durchs Essen, um das unangenehme Gefühl von Stress und Frust zu kontern. Überspitzt könnte man das eine Essstörung nennen – eine weit verbreitete Essstörung und abermals Quelle zusätzlicher Energie, die man sich nicht aus Hunger zuführt. Die einzig richtige Reaktion auf Frust, Stress und Unzufriedenheit ist die Arbeit an einer Lösung ihrer Ursachen. Reflexion, Arbeit an der Geisteshaltung, Stressbewältigung – dem Thema habe ich vor kurzem eine eigene Episode gewidmet.

Wer diese Gefühle nicht bändigt und erledigt, dem rauben sie permanent Energie. Energie, die auch fehlt beim Widerstand gegen die besonders appetitlichen Snacks, Süßkram und ähnliche Schweinereien. Das kann Siegfried nachvollziehen: Wer sich gestresst fühlt, hat manchmal einfach keine Lust, vernünftig zu sein.

Bis hierhin kann Siegfried relativ einfach Einfluss nehmen. Die Neubewertung seines Energiebedarfs, seiner Essgewohnheiten und seines Lebenswandels liegen komplett in seiner Hand.

Schwieriger wird es, wenn jemand wirklich mehr tatsächlichen Hunger verspürt, als sein Körper an Energie benötigt. Einem erhöhten Appetit, also Genusssucht oder Frustfressen widerstehen ist eine Sache. Aber wenn der Hunger quält, wird es ernst.

Kalorienüberschuss durch überhöhten Hunger

Das zweite vorherrschende Modell zur Erklärung der weit um sich greifenden Übergewichts-Epidemie (rund 1,8 Milliarden Menschen sind betroffen) fußt auf Kohlenhydraten und Insulin. Wer zu viel Kohlenhydrate esse, überstimuliere seinen Insulinhaushalt, wodurch Energie bevorzugt im Körper gespeichert werde und nicht zum Verbrauch zur Verfügung stehe.

Dabei ist wichtig zu verstehen: Auch nach diesem Modell ist fürs Zunehmen ein Kalorienüberschuss und zum Abnehmen ein Kaloriendefizit notwendig – wie bereits erwähnt sind sich in diesem Punkt alle einig. Es genügt also nicht, einfach auf jegliche Zucker zu verzichten, wenn man dann trotzdem noch zu viel isst.

Doch dieses Kohlenhydrate-Insulin-Modell kann die Frage beantworten: Warum erreicht Siegfried kein Kaloriendefizit? Warum isst er zu viel? Weil er zu viel Hunger hat! Und warum das? Durch die vielen Kohlenhydrate stößt der Körper vermehrt Insulin aus und mehr Energie wird gespeichert und steht dem Körper dann nicht mehr zur Verfügung. Man könnte demnach also unter Energiemangel leiden, obwohl man bereits zu viel isst – weil der Körper im Speichermodus steckt. Die Lösung: Weniger Kohlenhydrate essen und dadurch einen gesunden Energiehaushalt wiederherstellen.

Die Betrachtung von Kohlenhydraten und Insulin erklärt auch Heißhungerattacken als schwer kontrollierbare Ursachen für überschüssige Energiezufuhr.

Dieses Modell berücksichtigt auch die Tatsache, dass Qualität und Zusammensetzung unserer Nahrungsmittel unsere Hormonspiegel und die Funktion des Stoffwechsels beeinflussen. Eine Kalorie ist eben nicht einfach nur eine Kalorie, sondern auch Makro- und Mikronährstoffzusammensetzung spielen eine wichtige Rolle. Und das kann weit über den Einfluss auf Insulin hinausgehen.

Störung des Hungergefühls durch Fehlregulation des Hormonsystems: Ob wir Hunger spüren oder nicht, entscheiden eine Reihe von Hormonen – darunter auch Leptin und Ghrelin. Beteiligt am Energiehaushalt sind auch die Hormone der Schilddrüse und Nebennieren. Ein ungesunder Lebenswandel, zum Beispiel mangelnde Bewegung, ungesunde Ernährung, mangelhafte Stressbewältigung oder schlechte Schlafhygiene, kann die Funktion dieser Hormone beeinträchtigen. Auch Toxine in Luft und Nahrung können diese Systeme stören und so ein fehlreguliertes Hungergefühl verursachen. In den allermeisten Fällen lassen sich diese Störungen beheben durch eine Kurskorrektur in Lebenswandel oder Umgebung.

Störung des Hungergefühls durch das Mikrobiom: Dies ist eine ähnliche, jedoch von den Hormonen zu unterscheidende Kategorie. Das Mikrobiom, die Gesamtheit unserer Darmbakterien, steuert maßgeblich unsere kognitive Funktion wie auch grundsätzliches Verhalten, zum Beispiel bei sozialer Interaktion und Stressbewältigung. Wenn die Darmbakterien Ballaststoffe fermentieren, erzeugen sie Acetat, Propionat und Butyrat – kurzkettige Fettsäuren, welche den Ausstoß von Peptidhormonen (z.B. GLP-1 und PYY) verursachen, die ihrerseits Einfluss nehmen auf Appetit und Völlegefühl. Das ist ein weiterer Grund für eine gesunde Ernährung im Sinne der Darmbakterien: Wenn Siegfried seinen Darmbakterien Gutes tut, wird er schneller satt. Regina auch.

Störung des Hungergefühls durch Nährstoffmangel: Der Körper meldet meist auch dann Hunger, wenn ihm ein Nährstoff fehlt, auch wenn ihm längst genug Energie zur Verfügung steht. Regina weiß das, deswegen isst sie zu jeder Mahlzeit reichlich Protein. Reichlich bedeutet: Täglich eineinhalb bis zwei Gramm Protein je Kilo Körpergewicht, verteilt auf ihre drei Mahlzeiten, mindestens aber 25 Gramm je Mahlzeit. Doch nicht nur Protein, auch fehlende Mikronährstoffe wie Mineral- oder sekundäre Pflanzenstoffe können Hunger verursachen.

Es gibt also reichlich Gründe für ein tatsächlich überhöhtes Hungergefühl. Glücklicherweise haben wir auch die Möglichkeit, die Ursache dafür zu beheben.

Ein langsamer Stoffwechsel – genauer: eine geringe basale Stoffwechselrate – ist kein Problem

Eine Zimmerpflanze, die pro Woche nur 20 Milliliter Wasser benötigt ist auch kein Problem. Das Problem entsteht, wenn man jede Woche mehr Wasser in den Topf gießt, als die Pflanze braucht. Dann ersäuft sie. Das versteht jeder – was Unachtsamkeit nicht verhindert, wie die verschrumpelte Calamondin-Orangen­pflanze auf dem Tisch vor mir beweist.

Ein Problem entsteht auch dann, wenn Gewohnheiten oder Gier, Unverständnis oder Ignoranz, eine Fehldeutung von Appetit oder Hunger oder einfach Unachtsamkeit dazu führen, dass jemand zu viel isst. Das ist Siegfried passiert. Ja, seine basale Stoffwechselrate ist tatsächlich relativ niedrig. Sein Schwabbelbauch hält sich jedoch nicht deswegen so hartnäckig, sondern ganz einfach, weil Siegfried dachte, jeder Mensch könne einfach gleich viel essen ohne dick zu werden. Und das geht eben nicht. Ist ja auch kein Problem. Wer weniger verbraucht, muss weniger essen. Ein Auto, das weniger verbraucht, muss weniger tanken. Das leuchtet schnell ein. Siegfrieds Grundverbrauch ist niedrig. Angesichts dieser Tatsache ist weder »Pech gehabt!« angebracht, noch »Selbst Schuld!« Sondern es ist ein Wegweiser, der direkt auf die Lösung zeigt. Du hast es in der Hand. Du bist kein Opfer. Es gibt einen Weg:

Lösungen gegen langsamen Stoffwechsel, genauer: Niedrige basale Stoffwechselrate

Grundsätzlich lohnt sich die Arbeit am gesamten Lebenswandel. Gerade wenn es ums Essen geht, übersehen und unterschätzen die allermeisten Menschen den Einfluss von Bewegung, Schlafhygiene, Stressbewältigung und Geisteshaltung auf ihr Appetit- oder Hungergefühl. Siegfrieds Schwabbelbauch geht einzig aufs Konto seiner Fehleinschätzung der Essensmengen. Genauso könnte aber ein ständig erhöhter Appetit durch Stress oder Schlafmangel die Ursache sein.

Deswegen verweise ich auf Gewohnheiten eines gesunden Lebenswandels, welche Thema dieser Podcast-Reihe und meines Buchs Der Weg – Wie du einen gesunden Lebenswandel entwickelst und beibehältst sind. Darüber hinaus bieten sich für Menschen wie Siegfried mit einer niedrigen basalen Stoffwechselrate, dem geringen Grundverbrauch, der im Volksmund missverständlich als »langsamer Stoffwechsel« kursiert, drei Schritte an: Überhöhten Appetit gesund zügeln, durch fehlgeleitete Hormone verursachten Hunger vermeiden und die basale Stoffwechselrate erhöhen.

Überhöhten Appetit und Hunger gesund zügeln

Appetit und Hunger sind verwandt. Während man sie in der Beschreibung durchaus abgrenzen kann, ergibt eine solche Trennung mit Blick auf die Vermeidung wenig Sinn. Denn die Werkzeuge zur Vermeidung sind im Grund die gleichen.

Einen schwer kontrollierbaren Appetit, aber auch Hunger, bekommt man in den Griff durch Essgewohnheiten. Als Grundlage dient dabei das Ritual fester Mahlzeiten zu festen Zeiten. Ohne eine solche Struktur ist gesunde Ernährung praktisch unmöglich. Zwei, drei oder vier Mahlzeiten zur immer gleichen Zeit sind die Grundlage der Ernährung, sie dienen dem Körper als Signalgeber auch im zirkadianen Rhythmus. Wer dagegen verstößt, riskiert eine weitere Senkung seiner basalen Stoffwechselrate. Noch besser: Nutze grundsätzlich den Esstisch als Anker deiner Ernährung. Iss am Tisch. Nicht am Schreibtisch, im Auto, im Stehen oder Gehen, vorm Fernseher oder am Rechner. Feste Mahlzeiten zu festen Zeiten am gewohnten, dem Essen gewidmeten Ort sind ein Signal für das Gewohnheitstier Mensch, das klar mitteilt: Es wurde gegessen. Appetit beenden.

Feste Mahlzeiten bedeutet auch: Zwischen den Mahlzeiten nicht essen (und keine Kalorien, also Säfte, Milchkaffee, Smoothies usw. trinken). Nicht naschen, nicht snacken: Die Häppchen zwischendurch – nicht nur die Schokolade, sondern auch die Nüsse – stören nicht nur das Appetit- und Hungergefühl und den Rhythmus, sondern sie summieren sich zu den Kalorien, die meist zu viel sind.

Wenn du nicht jede Mahlzeit so einhalten kannst, weil du zum Beispiel Mittags unterwegs bist, dann arbeite damit. Vielleicht musst du dann einmal im Auto essen. Dann halte an, parke sicher und iss. Das ist nicht perfekt, aber besser als nichts. Telefoniere dabei nicht, höre keinen Podcast und schreibe keine Nachrichten, sondern iss bei vollem Bewusstsein. Dein Gehirn muss mitbekommen, dass du isst. Sonst ist kein Wunder, wenn du nach dem Essen noch Appetit hast und direkt zur Schokolade greifst. Wenn du Kalorien trinkst, registriert der Körper sie nicht als Mahlzeit und kann Appetit und Hunger nicht entsprechend anpassen.

Iss langsam, kau gründlich. Überhaupt ist das Kauen ist einer der größten Appetitzügler – also trinke keinen Smoothie oder Saft als Mahlzeit. Das ist der Übergang vom Wie des Essens zum Was:

Iss zu jeder Mahlzeit reichlich Protein, also täglich 1,5 bis 2 Gramm je Kilo Körpergewicht, mehr dazu in der Episode Wie viel Protein solltest du essen? – Protein ist als Quelle von Aminosäuren nicht nur wichtig für die Gesundheit, sondern es sättigt. Wenn dann mittags bei deiner Mahlzeit im Auto nur ein Shake oder ein Proteinpudding drin ist, nimm vielleicht eine Möhre mit oder etwas anderes zum Kauen.

Der Körper meldet pauschal Hunger, solange ihm bestimmte Aminosäuren oder Mikronährstoffe fehlen. Achte daher immer auf ausreichend Aminosäuren beziehungsweise Protein, aber auch reichlich vielfältige Mikronährstoffe in deiner Ernährung.

Vielseitige Ernährung ist gut, zu viel Abwechslung wiederum ist in diesem Fall von Nachteil: Je breiter das Büfett, desto mehr isst der Mensch. Wer hingegen immer das gleiche isst, verzehrt weniger – Grund ist die Sensorspezifische Sättigung. Wenn es immer etwas Neues zu essen gibt, isst man mehr. Hier ist Langeweile durchaus erstrebenswert.

Iss ausreichend Ballaststoffe, denn auch diese helfen nicht nur der Verdauung, sondern dienen ebenfalls der Sättigung. Ausreichend heißt nicht unendlich. Mit 15 Gramm Ballaststoffen pro 1000 kcal bist du gut dabei. Ballaststoffe sind in der Regel in den Lebensmitteln, die man kauen muss (es sei denn man zerkocht oder püriert sie bis ins Nirvana – dann fallen sie eher unter die Getränkeregel und verlieren einen Teil ihres Nutzens).

Essen sollte nicht immer nur die Leibspeise sein. Tatsächlich hilft es, wenn das Essen hin und wieder nur genießbar ist oder ganz okay schmeckt. Essen kann ein Quell der Freude und Mittelpunkt sozialer Kontakte sein, aber wenn man es dafür missbraucht, läuft etwas falsch. Wenn die Tiefkühlpizza am Abend wie ein Leuchtturm in der Winternacht das Highlight deines Tages markiert, machst du im Leben viel falsch. Keine Sorge, das passiert vielen. Das Leben hat dir mehr zu bieten. Lösungen finden sich unter anderem im Kapitel Geisteshaltung meines aktuellen Buchs.

Wenn Essen der einzige Haltepunkt im Leben ist, gerät es meist zur Essstörung. Schützen kann man sich davor auf zwei Wegen: Entweder man gewöhnt sich an, regelmäßig Dinge zu essen, die man nicht als ausgesprochen lecker empfindet (das ist kein Aufruf, Dinge zu essen, die man abscheulich findet). Oder man gewöhnt sich an, mehr Dinge zu mögen. Erstere Lösung hilft meist bei letzterer. Man kann sich an den Geschmack von Brokkoli oder Rosenkohl gewöhnen und ihn lieben lernen. Geschmack ist nicht in Stein gemeißelt.

Kontrolliere deine hedonistischem Impulse. Der Impuls »Ich will was Leckeres« ist letztlich nichts anderes als »ich will kiffen« oder »ich will Heroin«, »ich will zocken« oder »ich will Pornos«. Das kann man in die Kategorie Hedonismus, Genusssucht packen. Die Kontrolle der hedonistischen Impulse gehört zu den sieben wichtigsten Fähigkeiten im Leben. Wer sich diesen hingegen ausliefert, wird krank. Merke: Kontrollieren ist nicht gleich ignorieren.

Trink mindestens zwei Liter Wasser pro Tag. Nicht nur, weil es auf mechanischem Weg Appetit und Hunger reduzieren kann. Sondern besonders, weil dein Körper für beste Leistungsfähigkeit viel Wasser benötigt. Wenn dein System gut mit Wasser versorgt ist, funktioniert auch dein Stoffwechsel besser, Nährstoffe werden verteilt und Hormone können vernünftig arbeiten.

Verzichte auf Zucker und große Mengen Stärke (zum Beispiel aus Kartoffeln, Pasta und Reis), also größere Mengen Kohlenhydrate. Diese können die Kontrolle des Blutzuckerspiegels erschweren, das ruft Insulin auf den Plan und kann Heißhunger zur Folge haben. Insulin ist ein Speicherhormon und ein ungünstiger Insulinhaushalt kann dazu führen, dass du trotz ausreichend Energiezufuhr weiter Hunger verspürst. Wie viele Kohlenhydrate für dich diesbezüglich die Obergrenze sind, hängt ab von deinem Lebenswandel und Bewegungspensum. Da Kohlenhydrate nicht essenziell sind, lohnt sich hier eher vorsichtig zu sein und weniger zu essen.

Schmeiß Süßkram, Schokolade und Kekse aus dem Haus. Backe keine Kekse oder Kuchen. Ganz einfach. Du weißt genau, wie lecker frisch gebackenes riecht und wie schwer der Widerstand ist. Spar dir die Mühe, kauf den Kram nicht und kauf keine Backzutaten. Was du im Haus hast, wird früher oder später gegessen. In diese Falle geht Siegfried jede Woche: Er backt gerne. Und was er backt, wird er früher oder später essen. Und zwar als Nascherei zwischendurch. Da helfen auch Paleo-Rezepte nicht.

Stress beeinflusst über das Hormon Cortisol den Energiestoffwechsel. Stress beeinflusst somit das Hungergefühl, was evolutionsbiologisch Sinn ergibt: Wer vor einem Säbelzahntiger wegrennen muss, benötigt Energie – und hinterher etwas zu essen. Besonders chronischer Stress schadet der Gesundheit auf breiter Linie. Meide Stress und lerne Techniken zur Stressbewältigung, zum Beispiel aus der vorangegangenen Episode Negativen Stress vermeiden & meistern | Der Weg zur Gelassenheit. Neben den dort genannten Techniken kommen besonders im Sinne der Appetit- und Hungernormalisierung ein gesundes soziales Umfeld sowie Sport hinzu.

Sport, besonders Krafttraining ist ohnehin nicht verhandelbar. Wer gesund leben möchte, muss Krafttraining betreiben. Neben zahlreichen Vorteilen für die geistige, psychische und körperliche Gesundheit dient Kraftsport einem gesunden Hormonsystem, was seinerseits die Grundlage für ein gesundes Hungergefühl ist. Sport kann auch den Hunger erhöhen, das empfinden die meisten Menschen besonders bei Ausdauersport. Das ist grundsätzlich kein Problem, sofern man dann zu den richtigen Lebensmitteln greift.

Schlaf ist für ein gesundes Leben unabdingbar. Pflege deine Schlafhygiene, schlafe ausreichend (wenigstens sieben, besser neun Stunden) und zu festen Zeiten. Mangelhafter Schlaf, dazu gehört auch Schlaf unter Einfluss von Drogen wie Alkohol, aber auch der meisten Schlafmittel, beeinträchtigt den Insulinhaushalt und somit das Hungergefühl, verursacht häufig steigendes Übergewicht oder verhindert den Abbau von Körperfett.

Hungere nicht. Iss genug. Wer exzessiv hungert das heißt dauerhaft ein Kaloriendefizit von mehr als 20 Prozent verursacht, erhöht zwangsläufig sein Hungergefühl über ein gesundes Maß hinaus.

Falls alles nicht hilft, du alle diese Tipps umsetzt und dein Hunger dir trotzdem noch das Leben schwer macht, lass deine Hormonspiegel von einem erfahrenen, kompetenten Arzt prüfen. Dazu empfehle ich eine Fachperson, die auch regelmäßig mit Hormonersatztherapien arbeitet und sich nicht mit Normwerten zufrieden gibt oder gesundheitliche Probleme einfach aufs Alter oder die Genetik schiebt.

Checkliste Appetit- und Hungerreguliation

  • Feste Mahlzeiten zu festen Zeiten einhalten
  • Zwischendurch nicht naschen und nichts kalorienhaltiges trinken
  • Feste Lebensmittel langsam und bewusst kauen
  • Nicht zu viel Abwechslung, nicht nur Leckereien
  • Zu jeder Mahlzeit reichlich Protein essen
  • Genug Ballaststoffe, Mikronährstoffe und Wasser aufnehmen
  • Zucker meiden und Kohlenhydrate allgemein im Blick halten
  • Chronischen Stress vermeiden und akuten Stress gesund bewältigen
  • Sport, am besten Krafttraining treiben
  • Ausreichend, regelmäßig und erholsam schlafen
  • Nicht hungern

Die basale Stoffwechselrate erhöhen

Neben den weiter oben genannten regelmäßigen Mahlzeiten als wirkungsvolles Mittel zum Erhöhen der basalen Stoffwechselrate, bietet sich an:

Krafttraining. Bau Muskelmasse auf – dadurch verbrauchst du auch im Leerlauf mehr Energie, das heißt: Die basale Stoffwechselrate steigt oder wie der Volksmund sagen würde: »Durch Krafttraining wird der Stoffwechsel schneller.« Nein, liebe Damen, durch Krafttraining sieht man hinterher nicht aus wie ein Mann. Im Gegenteil. Details dazu in der Episode Der beste Weg zu Traumfigur, Gesundheit und Zufriedenheit: Krafttraining.

Hoch-intensives Intervalltraining (HIIT) eignet sich ebenfalls zum Erhöhen der basalen Stoffwechselrate. In diesem Sinne kannst du dir stundenlanges Joggen, Fahrradfahren und Wassertreten sparen und einen größeren Effekt für die basale Stoffwechselrate in kürzerer Zeit erzielen. Das ist ausdrücklich kein Aufruf zu weniger Sport.

Sowohl Krafttraining als auch HIIT wirken überdies vorteilhaft auf das Hormonsystem, was ebenfalls der Appetitregulierung dient.

Genug essen. Hungere auf keinen Fall. Wer hungert und ein Kaloriendefizit von mehr als 20 Prozent über längere Zeit erzwingt, reduziert in der Regel seine basale Stoffwechselrate. Der Körper schaltet auf Sparflamme. Iss genug und regelmäßig. Nicht zu viel. Nicht zu wenig.

Zusammenfassung: Siegfried kann abnehmen – und er wird es schaffen

Übergewicht ist nicht gesund. Es gibt auch dünne, schlanke oder muskulöse Menschen, die nicht gesund sind. Das macht allerdings Übergewicht nicht gesünder, sondern belegt nur die Wichtigkeit eines gesunden Lebenswandels. Übergewicht schadet auch jungen Menschen und Kindern, auch wenn sich die gesundheitlichen Nachteile dort nicht immer sofort zeigen.

Kein Bewegungspensum der Welt kann die Folgen einer ungeeigneten Ernährung ausgleichen. Zugleich kann auch die gesündeste Ernährung nicht die Folgen von Faulheit und Bewegungslosigkeit ausgleichen.

Es spielt keine Rolle, ob deine basale Stoffwechselrate höher oder niedriger ist als die anderer Menschen. Sondern es zählt einzig, dass du dich deinem Körper und Lebenswandel gemäß ernährst.

Eine niedrige basale Stoffwechselrate – nennen wir es meinetwegen noch einmal langsamer Stoffwechsel – ist kein Urteil für lebenslange Gewichts- oder Figurprobleme. Es ist schlicht ein Datenpunkt der Hinweise für Entscheidungen in der Ernährung gibt.

Auf dieser Grundlage kann man prüfen, ob man seinen Kalorienbedarf oder -verzehr falsch einschätzt oder ob das eigene Appetit- oder Hungergefühl beeinträchtigt ist. Dafür kann es viele Gründe geben, die man zum größten Teil einfach beheben kann. Auch die basale Stoffwechselrate lässt sich auf mehreren Wegen beeinflussen.

Die häufigsten Ursachen solcher Probleme kann bereits ein gesunder Lebenswandel beheben, der Gewohnheiten in Ernährung und Bewegung, Geisteshaltung und Stressbewältigung sowie sozialen Beziehungen und Schlafhygiene beinhaltet.

Fußnoten

  1. Tindall AM et al. Tree Nut Consumption and Adipose Tissue Mass: Mechanisms of Action. Curr Dev Nutr. 2018 Aug 3;2(11):nzy069. doi: 10.1093/cdn/nzy069. PMID: 30488045; PMCID: PMC6252345.
  2. Ostendorf et al (2018) No consistent evidence of a disproportionately low resting energy expenditure in long-term successful weight-loss maintainers, Am J Clin Nutr, 2018 Oct 1;108(4):658-666. doi: 10.1093/ajcn/nqy179.
  3. Levine et al (1999) Role of nonexercise activity thermogenesis in resistance to fat gain in humans, N Engl J Med, 1990 May 24;322(21):1477-82, doi: 10.1056/NEJM199005243222101.