Getreide steckt voller Anti-Nährstoffe, kann die Darmwände zerstören, schwere Krankheiten auslösen und dick machen. Es gibt gute Gründe, auf Getreide zu verzichten. Auch Reis ist ein Getreide. Doch er enthält nicht das problematische Gluten und wird üblicherweise kaum mit Weizen, Roggen, Gerste und Hafer in Verbindung gebracht. Angesichts des Schadpotentials, das Getreide birgt, gerät Reis oft zwischen die Fronten. Ist Reis also gesund oder ungesund?
Was spricht gegen Reis?
Wie andere Getreide enthält auch Reis Anti-Nährstoffe, welche ihm vermutlich als Schutz gegen Fraßfeinde dienen. In der Regel ist dies allein ein ausreichender Grund, der Pflanze als Lebensmittel gegenüber misstrauisch zu sein. Wie stark vermag Reis dem Menschen zu schaden?
Da wären zunächst die im Reis enthaltenen Trypsin-Inhibitoren. Das klingt kompliziert, ist aber ganz einfach: Trypsin ist ein Verdauungsenzym, das dem Menschen bei der Aufspaltung von Eiweißen dient. Ein Inhibitor ist ein Hemmstoff (von lat. inhibere „unterbinden“). Ein Trypsin Inhibitor ist also ein Stoff, der die Fähigkeit des Menschen verschlechtert, Eiweiße aufzuspalten. Dadurch kann er Eiweiße nicht mehr so gut verwerten, seine Verdauung funktioniert schlechter und er bekommt weniger Nährstoffe.
Allerdings stecken die Trypsin-Inhibitoren des Reises offenbar nur in der Kleie, also in den bei der Verarbeitung zurückbleibenden Samenschalen. Im geschliffenen oder weißen Reis ist das kein Problem, zumal Hitze diese Stoffe deaktiviert.
Auch Phytinsäure, der Stoff, der sich an Mineralstoffe bindet und sie praktisch unverdaulich macht, steckt in Reis. Die im Reis enthaltenen Mineralstoffe sind also nicht unbedingt das, was nach dem Verzehr auch beim Menschen ankommt. Doch auch die Phytinsäure (Phytate) steckt nach derzeitiger Erkenntnis nur in der Kleie, so dass hier geschliffener bzw. weißer Reis abermals unproblematisch ist.
Reis enthält zwar kein Gluten, jedoch andere Lektine, welche die Aufnahmefähigkeit der Darmwände für Nährstoffe beeinträchtigen können. Doch auch diese Lektine stecken nur in der Kleie und auch sie sind hitzeempfindlich.
Reis enthält Allergene, welche durch Verarbeitung nicht deaktiviert werden können, eine Reisallergie ist allerdings nur wenig verbreitet. Jedoch ist für Menschen mit einer Getreide- oder Glutenunverträglichkeit Vorsicht beim Reiskonsum ratsam, denn unter Umständen reagieren sie auch auf Reis entsprechend negativ.
Zu guter Letzt sei erwähnt, dass weißer Reis relativ wenige Nährstoffe enthält. Gekochter Reis verblasst im Vergleich zur gleichen Menge gekochten Gemüses wie Grünkohl, er ist eine kümmerliche Ernährungsgrundlage. Allerdings ist er sehr Energiereich: Mit immerhin rund 60 bis 80g Kohlenhydraten (in Form von Stärke) auf 100g liefert er reichlich Glucose. Und genau dies kann zum Problem werden, denn Glucose (Zucker) kann dick machen.
Und was spricht für Reis?
Ähnlich wie die Kartoffel besticht Reis durch seine Belanglosigkeit. Er hat keinen dominanten Geschmack, nimmt allerdings dankbar jegliche Soßen und Gewürze auf. Das und seine interessante Textur machen ihn kulinarisch vielseitig und beliebt.
Auch der Hinweis auf seine Funktion als Lebensretter in einigen Regionen der Erde sei nicht vergessen, denn ohne Reis (und andere Getreide) wäre oftmals ein Überleben nicht möglich. Er ist eine Triebfeder im Werk der Bevölkerungsentwicklung, also grundsätzlich hilfreich beim Erfolg der Spezies Mensch.
Davon abgesehen ist gekochter, weißer Reis eine unproblematische Quelle günstiger Kohlenhydrate, was besonders für Sportler oder hart arbeitende Menschen interessant sein kann. Die Zubereitung ist einfach und wenig zeitaufwändig.
Und auch der Preis überzeugt, denn wie die meisten Getreide ist auch Reis sehr effizient erzeug- und lagerbar.
Reis ist nicht gleich Reis
Wie immer sollte man auch hier differenzieren. Wenn von Reis die Rede ist, meinen wir in der Regel weißen Reis. Allerdings gibt es noch andere Sorten.
Brauner Reis, Naturreis oder Vollkornreis enthält noch die Schale (Kleie) und hat ein beachtliches Nährstoffprofil – auf dem Papier. Denn da in der Schale auch die Anti-Nährstoffe stecken, kommen jene Nährstoffe unter Umständen kaum beim Menschen an. Ohne einen effizienten Weg, die Anti-Nährstoffe, jedoch nicht die gewünschten Nährstoffe zu entfernen, ist der Verzehr dieser Reissorte also offenbar kaum vorteilhafter als weißer Reis.
Parboiled Reis (von partially boiled, teilgegart) ist mit einem speziellen Verfahren vorgegarter Rohreis, in dem er nach einer Einweichphase mit 300-600°C heißem Wasserdampf behandelt wird. Dies befördert die Nährstoffe aus der Schale in das innere des Samens. Solcher Reis gilt als nährstoffhaltiger, zumindest für einige Vitamine scheint das Verfahren zu funktionieren. Ob es unterm Strich eine Rolle spielt, ist fraglich.
Wildreis ist nicht etwa eine Wildform des Reises, dennoch gehört er zur Familie der Süßgräser und seine Früchte werden wie Reis verwendet. Er enthält wesentliche mehr Nährstoffe als weißer Reis, jedoch auch die Anti-Nährstoffe. Dementsprechend hat der Mensch nicht viel davon, sofern er diesen Reis nicht fermentiert. Mehr dazu weiter unten.
Milchreis, Langkornreis, Rundkornreis sind schlichtweg verschiedene Sorten des regulären Reises, in Bezug auf den Nährstoffgehalt unterscheiden sich diese praktisch nicht.
Reis fermentieren
Fermentation ist eine uralte Methode, um Lebensmittel haltbar oder genießbar zu machen. Sie funktioniert auch zur Deaktivierung einiger Anti-Nährstoffe und kann unter anderem bei Getreide und Hülsenfrüchten zur Reduktion des Phytinsäuregehalts eingesetzt werden. Dr. Stephan Guyenet beschreibt eine effektive Methode in seinem Blog:
1. Braunen Reis in entchlortem Wasser 24 Stunden bei Zimmertemperatur einweichen, ohne das Wasser auszutauschen. Anschließend 10% des Wassers zur Seite stellen und für später im Kühlschrank aufbewahren. Den Rest der Flüssigkeit weggießen und den Reis in frischem Wasser kochen.
2. Bei der nächsten Reiszubereitung wie in Schritt 1 vorgehen, jedoch die aufbewahrte Einweichflüssigkeit hinzugeben.
3. Dieses Vorgehen wiederholen. Mit der Zeit wird der Prozess immer effektiver, bis über 96% der Phytinsäure können so binnen 24 Stunden deaktiviert werden.
In der Einweichflüssigkeit werden Mikroorganismen kultiviert, die Phytase bilden – das Enzym zum Abbau von Phytinsäure.
Fazit: Ist Reis gesund?
Ist Reis nun gut oder schlecht?
Als alleinige Ernährungsgrundlage ist er aufgrund seines mageren Nährstoffprofils wohl eher schlecht geeignet. Und wer abnehmen möchte, sollte größere Mengen Reis aufgrund des hohen Stärkegehalts eher meiden (wie zum Beispiel auch Kartoffeln). Auch wer unter einer Getreide-, Gluten- oder ähnlichen Lebensmittelunverträglichkeit leidet ist mit Vorsicht gegenüber dem Korn gut beraten.
Sportlich aktive oder körperlich schwer arbeitende Menschen finden im Reis eine günstige, weitgehend unproblematische Kohlenhydratquelle. Allerdings bieten andere Lebensmittel ein weitaus attraktiveres Nährstoffprofil, darunter auch Kartoffeln oder Bananen. Wer also auf die kulinarischen Qualitäten verzichten kann, ist mit den Alternativen aus dem Reich des Gemüses (und Obsts) weitaus besser bedient.
Ist Reis gesund?
Schadet etwas Sushi hin und wieder? Kaum. Sind eine handvoll Reiskörner im gelegentlichen Risotto ein Grund zur Panik? Nein. Doch eine wirklich gesunde Ernährungsgrundlage ist Reis auch nicht. Er ist mit Sicherheit kein Gift. Aber er scheint auch einfach nicht der Rede Wert zu sein.
Quellen und weiterführende Informationen:
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