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Was ist gesundes Essen?

Was ist gesundes Essen?Unsere Gesellschaft diskutiert viel über gesunde Ernährung. Und obwohl sozialer Stand und die Verbreitung von Herzkrankheiten stärker miteinander korrelieren als ernährungsbedingte Einflüsse, finden andere Aspekte des Lebenswandels in dieser Diskussion selten Platz. Ist eine Separation der Ernährung überhaupt so weit möglich, dass wir sie als gesund oder ungesund bezeichnen können? Und welchen Platz nimmt gesundes Essen vor dem Hintergrund eines unausweichlichen Todes ein?

Was ist gesunde Ernährung?

Auf Basis des Nährstoffgehalts ist es möglich, Aussagen über die Wirkungen von Lebensmitteln auf den Körper zu treffen. Mit großer Vorsicht und ausreichenden Vorbehalten können diese Bekundungen präzise sein. Die meisten Erkenntnisse beruhen allerdings auf sehr instabilen Daten oder vagen Vermutungen. Zum Verdeutlichen dieser mangelnden Evidenz sind einzig Begriffe wie offenbar, scheinbar, wahrscheinlich oder vermutlich geeignet.

Im Optimalfall kann ein Individuum auf Basis dieser Forschung eigene Experimente durchführen. Eine entsprechende Methodik vorausgesetzt kann ein jeder prüfen, welche Lebensmittel er gut verträgt und welche nicht. Durch geschickte Kombination und Ausschlussverfahren kann man einige Rückschlüsse ziehen über die eigenen Gene, die Epigenetik, den Zustand des Stoffwechsels oder auch die Zusammenstellung des Mikrobioms im Darm.

Ermitteln, welche Lebensmittel mir gut tun und welche mir schaden und dann erstere essen und letztere meiden.

Oft ergibt sich dabei ein sehr fester Plan, eine Einteilung von Lebensmitteln in gute und schlechte. Ganz ähnlich wie der Nährstoffismus dies propagiert. Unter die Räder geraten dabei viele wichtige, mal mehr und mal weniger greifbare Einflussgrößen auf die Gesundheit.

Psychosozialer Stress hat signifikanten Einfluss auf die Gesundheit. Der Zustand der Psyche ist schwer messbar und auch sie unterliegt dem individuellen Einfluss. Je nach kulturellem oder religiösem Hintergrund spielen andere Faktoren eine Rolle. Längst gilt die Vermeidung von Stress als wichtiger Schritt zu einem gesünderen und glücklicheren Leben.

Oft vergessen die nach psychischer Erlösung Suchenden dabei die Reflexion. Denn Stress wird zwar häufig als externer Einfluss verstanden, tatsächlich entsteht er jedoch zumeist im Menschen selbst. So sind etwa nicht Termine die Ursache von Stress, sondern die eigenef Erwartung, sie alle einhalten zu müssen. Nicht das schreiende Baby ist die Ursache des Stresses, sondern die Erwartung, es würde ruhig durchschlafen.

Und eben dieser Effekt der Erwartung hat maßgeblichen Einfluss auf die Gesundheit der Ernährung. Nicht zuletzt dann, wenn wir erwarten, dass jede Mahlzeit genau unserem persönlichen Plan entspricht (und so etwa absolut vegan oder 100% Paleo ist). Unsere sorgfältigen Experimente und Recherchen und unsere Überzeugung von den (ankedotischen) Beweisen verursachen uns dann Stress, wenn wir nicht die Konsequenz ziehen. Und oft auch dann, wenn wir es tun: Durch den dafür nötigen Aufwand.

Was ist ungesund?

Fleisch? Gesättigtes Fett? Gluten? Soja? Mehrfach ungesättigte Fettsäuren? Mal scheint die Beweislage überwältigend und mal ist sie schwach. Schlimmer noch: Ein so nährstoffreich und folglich gesund erscheinendes Lebensmittel wie die Walnuss liefert zwar wertvolle Mineralstoffe und Fett als Energie, jedoch zugleich auch oxidationsanfällige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren und Phytinsäure. Ist die Walnuss nun gesund oder ungesund? Schnell ist Paracelsus‘ Zitat „Die Dosis macht das Gift!“ (sinngemäß) zu hören. In der Tat: Es ist Gift in allem.

Wir brauchen das Essen wie die Luft zum Atmen. Damit meinen wir unsere Abhängigkeit vom Sauerstoff. Doch auch Sauerstoff ist ungesund, denn er führt zur Oxidation. Je mehr wir atmen, je mehr wir uns körperlich betätigen, desto schneller altern wir. Sport wäre demnach ungesund. Nicht nur aufgrund des höheren Verschleißes beweglicher Körperteile, sondern auch durch die erhöhte Oxidation, den erhöhten Energieverbrauch und den entsprechenden Stoffwechsel. Dies ist keine reine Theorie: Experimenten zufolge kann eine unterkalorische Ernährung unter bestimmten Umständen das Leben Verlängern. Fraglich ist die Qualität eines solchen Daseins.

Folglich ist auch das Leben ungesund, denn es setzt voraus, dass wir atmen (oxidieren), altern und essen.

Was ist die Lösung?

Es ist offensichtlich, dass Begriffe wie gesund und ungesund uns zu nichts führen. In der Regel liegt der Frage nach diesen beiden Eigenschaften etwas anderes zugrunde. Etwa der Wunsch, glücklich zu sein, nicht zu leiden oder das Leben möglichst lange zu genießen. Manchmal auch nur das Bestreben, alles „richtig“ zu machen, sicher zu sein, keine „falsche“ Entscheidung zu treffen.

All dies sind nicht absolute, sondern relative und vor allem subjektive Begriffe. Und weil sie subjektiv sind, unterliegen sie individueller Kontrolle. Als Menschen haben wir alle das Recht, das Privileg und die Pflicht, selbst Verantwortung für unser Leben zu übernehmen.

Mein eigenes gesundes Essen

Sinnvoll scheint daher, dass jeder sein persönliches Optimum sucht. Für viele ist dies der Versuch, möglichst lange möglichst fit zu bleiben. Einige denken daran, möglichst lange Spaß zu haben. Dabei wäre zu erwägen, welche Menge Spaß heute optimal ist, um sich zu befriedigen, jedoch auch morgen noch Spaß haben zu können.

Was ist erstrebenswerter? Ein langes Leben mit hoher körperlicher Fitness ohne Gebrechen in ständiger Selbstdisziplin? Oder purer Hedonismus, ein Leben in Ekstase, ohne Selbstkontrolle, welches möglicherweise früh endet? Dies ist keine Frage nach Quantität oder Qualität. Es ist einzig die Frage nach der individuellen Erwartung. Es gibt keine richtige oder falsche Entscheidung. Lediglich den passenden Lebensstil für die persönlichen Ziele können wir ermitteln, zum Beispiel mit dem Konzept des einfachen Essens.

Alles in Maßen?

Neben Parcelsus‘ häufigem Zitat findet auch eine Inschrift am Tempel von Delphi von vor über 2500 Jahren häufig Platz in dieser Diskussionen: „Alles in Maßen“ (medèn ágan). Ursprünglich mahnte dies zur Bescheidenheit und nicht zur Mäßigung etwa des Alkoholkonsums. Bescheidenheit passt dennoch in die Ernährungsdiskussion. Nämlich dann, wenn es um die Absolutheit unserer Aussagen geht. Die Geschichte zeigt, dass Bescheidenheit angebracht ist bei der Interpretation von Studienergebnissen.

Für das Individuum gilt hingegen tatsächlich, das richtige Maß zu finden. Richtig für das eigene Leben. Damit auch diese Suche nicht das ganze Leben in Beschlag nimmt, warnt uns Oscar Wilde: „Alles in Maßen. Auch das Maß.“

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