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Was ist Weidefleisch? Und warum überhaupt? (1/2)

Was ist Weidefleisch?Was ist Weidefleisch? Und wie kann dieses Produkt gleichzeitig dafür sorgen, dass wir gesünder leben, unsere Ökosysteme schützen und stabilisieren, der Klimaproblematik entgegen wirken, den Schutz der Tierrechte verbessern sowie massive soziale und kulturelle Verbesserungen herbeiführen?

Dieser zweiteilige Artikel erläutert unter anderem folgende Konzepte:

  • Was ist Weidefleisch?
  • Weidehaltung pflegt und schützt Ökosysteme.
  • Weidehaltung wirkt der Klimaerwärmung durch Bindung von CO2 entgegen.
  • Weidefleisch ist gesünder.
  • Weidefleisch schmeckt besser.
  • Weidehaltung verbessert soziale Bedingungen.
  • Weidehaltung fördert die Esskultur.
  • Weidehaltung ermöglicht die Genesung der Nahrungskette.
  • Weidefleisch ist wahrscheinlich nicht teurer als Fleisch aus Intensivtierhaltung.

Was ist Weidefleisch? Eine Begriffsklärung.

Weidefleisch ist kein geschützter Begriff. In der Regel ist damit jedoch solches Fleisch gemeint, das von Rindern stammt, die ihr Leben auf der Weide verbracht und ausschließlich Gras gefressen haben. Dies steht im Gegensatz zur konventionellen Haltung im Stall und der Fütterung mit Kraftfutter wie Soja und Getreide.

Leider beginnen schon hier die Fallstricke, denn grasgefüttert (engl. grass-fed) heißt streng genommen lediglich, dass das Tier zu irgendeinem Zeitpunkt Gras zu fressen bekommen hat und es schließt die Mast mit Kraftfutter nicht aus. Die meisten Rinder beginnen ihr Leben auf der Weide. Denn je nach Produktionssystem und -intensität verbringen die Tiere oft nur die letzten 6 Monate ihres Lebens ausschließlich in Stallanlagen zur Kraftfuttermast („Massentierhaltung“, engl. Concentrated Animal Feeding Operation, CAFO). Dies ist aus Sicht der Industrie der wichtigste Zeitraum mit Bezug auf die Ökonomie und Qualität.

Einige Produzenten gehen daher dazu über, ihre Produkte als grass-finished zu bezeichnen (im Deutschen gibt es dazu bislang keinen äquivalenten Begriff), das heißt, dass die Tiere die letzten 6 Monate ihres Lebens auf der Weide verbracht haben. Genau den Zeitraum, den sie sonst eingestallt in der Kraftfuttermast verbringen würden.

Zusammenfassung der Begriffsklärung:

  • Weidefleisch meint das Fleisch von Tieren, die ihr Leben auf der Weide verbracht und ausschließlich Gras gefressen haben.
  • Grasgefüttert („grass-fed“) ist ein schwammiger Begriff, der Kraftfuttermast nicht ausschließt.
  • Wer reines Weidefleisch erhalten möchte, muss darauf achten, dass das Tier wirklich sein ganzes Leben auf der Weide verbracht hat.
  • Grass-finished bedeutet in der Praxis reines Weidefleisch.
  • Mit Bio oder nicht-Bio hat das zunächst nichts zu tun.

Warum überhaupt Weidefleisch?

Für Weidefleisch sprechen unzählige Gründe, es bietet Vorteile über praktisch alle Bereiche des täglichen Lebens von der Gesundheit, dem Geschmack über den Schutz der Natur hin zu kulturellen und sozialen Auswirkungen. Logisch betrachtet ist der erste Grund die Biologie.

Biologische Argumente für Weidefleisch

Rinder sind Pflanzenfresser. Grasfresser, um genau zu sein. Sie gehören zur relativ kleinen Gruppe der Säugetiere, die in der Lage sind, allein von Gras zu leben. Durch die Milliarden von Mikroorganismen in ihrem Magensystem sind sie in der Lage, Gras in Fleisch und Milch zu verwandeln. Gras besteht zu großen Teilen aus Zellulose, die wir Menschen (und viele andere Tiere) nicht verdauen können. Rinder sind in Bezug auf die Ernährung von Natur aus keine Konkurrenten des Menschen.

Warum wird ihnen in der Mast dennoch Kraftfutter wie Soja oder Getreide verabreicht? Weil sie dadurch schneller wachsen können. Getreide und Soja sind sehr eiweißreiche Pflanzen mit einem entsprechend hohen Energiegehalt. Sie ermöglichen ein schnelles Wachstum des Tieres und einen dementsprechend hohen Durchsatz, was den Profit erhöht.

Das klingt zwar plausibel und effizient, bringt jedoch viele Probleme mit sich. Das biologische System Rind hat sich als Wiederkäuer im Laufe der Evolution optimal auf den Verzehr von Gras eingestellt. Getreide und Kraftfutter sind nicht seine natürliche Nahrung. Die Fütterung mit diesen Stoffen führt zu einer Veränderung des Magenmilieus und zu vielzähligen Erkrankungen. Und sie führt zu einer Veränderung der Fleisch- und Milchqualität: So reduzieren sich bei einsetzender Getreidefütterung binnen kürzester Zeit die Anteile der für den Menschen vorteilhaften Konjugierten Linolsäure (engl. conjugated linoleic acid, CLA) signifikant und der Anteil der Omega-3-Fettsäuren im Fleisch geht zurück (mehr dazu weiter unten). Auch optisch verändert sich das Fleisch: Es bekommt die mittlerweile als erstrebenswert vermarktete Marmorierung, wird insgesamt fetter, schrumpft in der Pfanne jedoch auf einen Bruchteil seiner ursprünglichen Größe zusammen, weil sehr viel Wasser austritt.

Nun geht es dem Rind also schlecht und die Produktqualität sinkt, damit die Gewinnspanne steigen kann. Obendrein ist das Tier zum Nahrungskonkurrenten für den Menschen geworden und erfordert die Nutzung wertvollen Ackerlandes für die Futtermittelproduktion. Berühmt-berüchtigt ist die Rodung von Regenwaldflächen für den Anbau von Tierfutter. Auf diese Weise werden Ökosysteme zerstört und die Artenvielfalt bedroht. Der industrielle Anbau von Getreide und Soja erfolgt stets in Monokulturen und beide Pflanzen sind sehr anspruchsvoll, dementsprechend hoch ist die Belastung der Böden, welche schnell an Fruchtbarkeit verlieren.

Zugleich geht das Rind als Bestandteil eines anderen Ökosystems verloren: Indem es nicht mehr auf Grünland steht, fehlt diesem ein wichtiger Partner. Denn in der Natur existiert kein Lebewesen isoliert und Grünland hat sich in Co-Evolution mit den Rindern entwickelt. Wird es nicht regelmäßig beweidet, setzen sich recht bald durch den Sukzession genannten Prozess andere Pflanzen wie Büsche und Bäume durch, welche das Gras verdrängen. Wälder entstehen, das Ökosystem Grünland geht verloren. Das klingt zwar nicht dramatisch, da ein anderes Ökosystem entsteht. Doch wenn es beispielsweise um die Speicherung von Kohlenstoff (etwa zur Reduktion des Kohlenstoffdioxids CO2) geht, so ist Grünland wesentlich effektiver: Wälder sind dahingehend tendenziell statisch und speichern nur eine begrenzte Menge, während Grünland immer weiter speichert und Humus aufbaut. Das funktioniert jedoch nur bei regelmäßiger Beweidung. Denn nur dann bekommt das Gras die nötigen Impulse für das Wachstum, den Auf- und Abbau von Wurzelmasse und somit die Speicherung von Kohlenstoff.

Das bedeutet: Rinder sind als Landschaftspfleger ein wichtiger Bestandteil des Grünlands (denken Sie nur an die Bisonherden auf den nordamerikanischen Great Plains, die ehemals zu den fruchtbarsten Böden überhaupt gehörten). Sie erhöhen die Fruchtbarkeit (auch durch Kot und Vertritt) und stimulieren das Gras so, dass es große Mengen Kohlenstoff speichern kann und einen vorteilhaften Einfluss auf das Klima hat.

Ein Detail am Rande: Rinder sind von Natur aus Herdentiere und auf der Flucht vor Raubtieren. Sie sind somit über das Jahr gesehen ständig in Bewegung. Zu einer Überweidung von Flächen kommt es daher nicht und durch ihre regelmäßige Wiederkehr (heute noch in Afrika zu beobachten) verkommt das Land ohne sie auch nicht. Denn in einigen Gebieten würde eine Unterweidung zum Absterben der Flächen und in der Folge zu Desertifikation führen. In den letzten 50 Jahren haben sich aufmerksame Beobachter darauf spezialisiert, eben diese Zyklen in der Beweidungspraxis einzusetzen, das sogenannte Weidemanagement ist entstanden. Bekannte Proponenten sind unter anderem Joel Salatin oder auch Alan Savory.

Um Rinder weltweit auf Weiden zu halten (und somit Grünflächen und Ökosysteme zu erhalten, statt sie zu Ackerland umzubrechen), sind, anders als in der Stallhaltung, viele verschiedene und optimal auf die jeweiligen klimatischen und geographischen Gegebenheiten angepasste Rinderrassen nötig. Auch dies erhöht die Artenvielfalt und reduziert zugleich die Bedrohung durch Krankheiten.

Unnötig zu erwähnen, dass die Weidehaltung von Rindern die einzig artgerechte oder tiergerechte Haltungsmethode ist.

Zusammenfassung der biologischen Argumente:

  • Rinder sind von Natur aus Grasfresser und stehen nicht zum Menschen in Nahrungskonkurrenz
  • Durch Kaftfutter erkranken sie und die Produktqualität leidet
  • Die Kraftfuttermast macht Rinder zu Nahrungskonkurrenten des Menschen, Ökosysteme gehen verloren, die Artenvielfalt leidet
  • Rinder sind von Natur aus wichtige Bestandteile des Ökosystems Grünland („Landschaftspfleger„)
  • Die Weidehaltung von Rindern kann, korrekt durchgeführt, große Mengen CO2 (Kohlenstoffdioxid) binden und die Bodenfruchtbarkeit erhöhen.

Hier geht es zu Teil 2 des Artikels Was ist Weidefleisch? Dort geht es um die qualitativen, sozialen und kulturellen Vorteile der extensiven Weidehaltung sowie einen Überblick zur Umsetzbarkeit dieses Konzepts.

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