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Milch: Pro und Kontra

Dieser Artikel ist auch als Podcast bzw. Netcast zum Anhören verfügbar: Urgeschmack-Podcast #2: Milch: Pro und Kontra

Der Konsum von Milch und Milchprodukten ist im Rahmen naturbasierter Ernährungsformen wie auch der Steinzeiternährung oder Paläo-Diät sehr umstritten. Doch auch außerhalb dieser Kreise wird die Sinnhaftigkeit des Milchverzehrs immer wieder in Frage gestellt. Tatsächlich ist kaum ein Lebensmittel so umstritten wie Milch und die daraus gewonnenen Produkte. In diesem Artikel stelle ich einige der vorherrschenden Argumente pro und kontra Milch vor.

Milch anderer Tiere konsumiert der Mensch dem aktuellen Wissensstand zufolge erst seit circa 9000 bis 10000 Jahrenals Nahrungsmittel. Erst die Domestizierung von Tieren habe den sicheren Zugang zu Milch ermöglicht, heißt es. Dies allein führen viele Anhänger der Steinzeiternährung als ausreichendes Argument gegen den Milchkonsum an. Denn damals war die Steinzeit bereits vorbei. Wenn es jedoch um die Eignung von Milch als Nahrungsmittel geht, ist dies ein schwaches Argument, da es lediglich eine (angenommene) geschichtliche Tatsache ausdrückt. Es sagt nichts aus über die gesundheitliche Auswirkung.

Wenden wir uns also den tatsächlich untersuchten Inhaltsstoffen der Milch zu, darunter besonders Lactose und Casein:

Lactose

Hierbei handelt es sich um den sogenannten Milchzucker. Lactoseintoleranten Menschen fehlt die Fähigkeit, Lactose ausreichend zu verdauen. Tatsächlich trifft dies weltweit betrachtet auf den Großteil der Menschen zu. Lediglich in (Nord-)Europa ist Lactoseintoleranz weniger verbreitet. Wenn ein Lactoseintoleranter Mensch Milch trinkt, kann dies zu einem „unruhigen“ Magen führen, zu Durchfall, Krämpfen oder einem aufgeblähten Bauch. Mit anderen Worten: Wer Lactoseintolerant ist, trinkt besser keine Milch. Milchprodukte hingegen enthalten teilweise nur sehr wenig bis gar keine Lactose. So zum Beispiel Butter. Solche Produkte werden auch von Lactoseintoleranten Menschen teils gut vertragen.

Casein

Dies ist das vorherrschende Protein (Eiweiß) in Milch. Nach aktuellem Kenntnisstand ähnelt es in seiner Struktur dem Gluten und einige Forscher bringen es mit ähnlichen, darmschädigenden Wirkungen in Verbindung. Ausführlich untersucht wurde das allerdings noch nicht, die Erkenntnisse gelten also als nicht gesichert und es ist unklar, ob Casein wirklich (grundsätzlich) diese negativen Wirkungen hat.

Fest steht jedoch, dass Casein auch in der menschlichen Milch enthalten ist. Dies scheint Grund genug, Casein allein nicht für eine Nicht-Eignung von Milch für den menschlichen Verzehr verantwortlich zu machen. Jedoch ist eine Caseinintoleranz oder -Allergie natürlich Grund genug, solche Produkte zu meiden.

Milch verursacht Krebs?

Weiter geht es in der Diskussion mit dem Vorwurf, Milch würde zahlreiche Krankheiten bis hin zu diversen Krebsarten verursachen.

Die Studienlage scheint so erdrückend, dass der Überblick schwerfällt. Auffällig ist jedoch, dass in fast allen Studien lediglich Milch aus Industrieproduktion, oft gar die bereits stark verarbeitete fettarme Milch herangezogen wird. Solche Milch hat jedoch mit dem naturgerechten Produkt „Rohmilch von der Weidekuh“ beinahe nur noch die Farbe gemeinsam. Wie kommt es dazu?

Pasteurisierung

Jede Milch, die im Supermarkt landet, wird zuvor pasteurisiert, das heißt erhitzt. So sollen unerwünschte Keime abgetötet werden und dies passiert durchaus. Jedoch werden weiterhin auch zahlreiche nützliche Enzyme und Bakterien zerstört, die gerade das Wachstum unerwünschter Keime verhindern und teils auch bei der Verdauung von Milch helfen können. Viele der enthaltenen Vitamine, einigen Angaben zufolge rund zwei Drittel, gehen bei diesem Prozess ebenfalls verloren. Noch wesentlich schlimmer äußert sich dies jedoch bei ultrahocherhitzter Milch.

Homogenisierung

Normalerweise würde sich in einer Kanne frisch gemolkener Milch recht schnell die Sahne an der Oberfläche absetzen. Um dies zu verhindern wird Milch homogenisiert. Denn der Konsument wurde dazu erzogen, dass jede Unregelmäßigkeit im Nahrungsmittel etwas Schlechtes sei.

Bei diesem Prozess wird der Fettanteil der Milch in möglichst kleine Partikel aufgebrochen, wodurch sich das Fett gleichmäßig in der Milch verteilt. Es gibt Forscher, die behaupten, dass durch diese Entstehung kleinster Partikel einige schadhafte Auswirkungen der Milch zustande kommen, da diese kleinen Partikel die Darmwände durchdringen könnten.

Ob nun Rohmilch oder erhitzte Milch verwendet wird, hat maßgeblichen Einfluss auch auf die daraus entstehenden Produkte. So bezeichnen viele Menschen Rohmilchkäse als wesentlich geschmackreicher. Halten wir also fest, dass Rohmilch von Weidekühen etwas völlig anderes ist, als Milch aus dem Supermarktregal.

Weidekühe?

Natürlich hat die reine Weidehaltung von Rindern abgesehen von ihrem Wohlbefinden nicht nur Einfluss auf ihr Fleisch, sondern auch auf die von ihnen erzeugte Milch. Rohmilch von Weidekühen enthält größere Mengen konjugierter Linolsäuren (engl. conjugated linoleic acids, kurz CLA). Dies ist eine Gruppe von Fettsäuren, die unter anderem beim Muskelaufbau hilft und den Abbau von Körperfett beschleunigt. Im Fleisch rein grasgefütterter Tiere ist die Menge der konjugierten Linolsäuren doppelt so hoch wie im Fleisch von Tieren, die mit Getreide gefüttert wurden, für die Milch gilt ähnliches. Auch der Anteil an Omega-3-Fettsäuren ist in der Milch von Weidekühen erheblich höher als bei den Tieren aus Stallhaltung.

Wachstum, Gewichtszunahme und Insulin

Milch stimuliert den Ausstoß von Insulin. Und zwar stark über das durch den Milchzucker zu erwartende Maß hinaus. Insulin als Speicherhormon sorgt für Wachstum. Das kann das Wachstum der Fettspeicher wie auch anderer Energiespeicher sein. Es ist noch umstritten, welcher Bestandteil der Milch dafür verantwortlich ist. Der Milchzucker allein kann es jedenfalls nicht sein und es ist wahrscheinlich, dass unter anderem das Molkeprotein einen großen Anteil an dieser Funktionsweise hat.

Das hat auch Sinn: Milch ist dazu da, kleine Säugetiere groß zu machen. Viele Kraftsportler wissen, dass sie durch den Konsum von Milchprodukten sehr schnell Masse zulegen können. Andersherum gilt jedoch auch: Wer Probleme beim Abnehmen hat, könnte die Ursache dafür in Milchprodukten finden. Und besonders Diabetiker und generell Menschen, die Probleme mit dem Blutzuckerspiegel haben, sollten an diese insulinotrope Wirkung der Milch denken.

Ziegenmilch verträglicher?

Ziegenmilch ist fetter als Kuhmilch und ähnelt in der Zusammensetzung eher der menschlichen Milch. Grundsätzlich gilt für diese Milch zwar das gleiche wir für Kuhmilch. Jedoch gibt es zahlreiche Fälle, in denen Menschen, die keine Kuhmilch vertragen, prima mit Ziegenmilch klarkommen. Gewiss gibt es noch andere Milchsorten, doch ist beispielsweise Schafsmilch nur selten zu bekommen, ganz zu schweigen von der sehr fetten Rentiermilch.

Fakten: Milch ist nicht gleich Milch.

Fassen wir die Fakten zusammen: Es ist offensichtlich, dass Rohmilch völlig andere Eigenschaften hat als das industriell verarbeitete Produkt.

Milch ist als Nahrungsmittel zurecht umstritten. Allerdings sind Aussagen wie „Milchkonsum erhöht das Krebsrisiko um 30%“ völlig wertlos. Denn erstens fehlt die Definition von „Milchkonsum“ (Ein Tropfen im Leben? Eine Tasse? Ein Liter am Tag?) und zweitens ist Milch nicht gleich Milch.

Und genau das dürfte die Ursache für den Zwiespalt sein: In den meisten Studien wird stark verarbeitete Milch, teilweise H-Milch oder fettarme Milch verwendet. Wird dort eine schädliche Wirkung nachgewiesen, lautet das Ergebnis jedoch meist auf „Milch ist schädlich“ und nicht „die von uns untersuchte Milch ist schädlich“.

Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass gerade die Enzyme und Bakterien, die bei der Pasteurisierung zerstört werden, der karzinogenen, das heißt krebsfördernden Wirkung der Milch entgegen wirken.

Fazit

Für mich persönlich gilt: Anders als früher, wo ich durchaus zwei Liter und mehr Milch am Tag konsumiert habe, trinke ich heute praktisch keine Milch mehr. Und wenn, dann aus möglichst optimaler Produktion, das heißt aus reiner Weidehaltung.

Für Milchprodukte wie Käse gilt das gleiche. Ich verwende gelegentlich Weidebutter. So hält sich meine Aufnahme von Milcheiweiß in engen Grenzen. Ich denke, diese Art der Mäßigung ist ein guter Kompromiss aus Genuss und etwaigen gesundheitlichen Risiken (die, wie erwähnt, nicht als gesichert gelten).

Milch ist ein einmaliges Lebensmittel, um das sich eine faszinierende Kultur und Handwerkskunst gebildet hat. Unzählige kultivierte Käsesorten ermöglichen sehr vielfältigen Genuss und sind ebenso einzigartig wie einfach nur ein kühles Glas frischer Milch. Der Mensch kommt sicher ohne aus, doch Milchprodukte stellen eine immense kulinarische Bereicherung dar.

Eine Phase von mindestens 4-6 Wochen ohne jegliche Milch und Milchprodukte ist hilfreich, um zu prüfen, ob sich dadurch gesundheitliche Verbesserungen ergeben. Diese können praktisch den gesamten Organismus betreffen und von Darmbeschwerden bis hin zu Akne reichen.

Jeder muss seine eigenen Entscheidungen treffen. Mit diesem Artikel und den folgenden Links zu weiterführender Literatur hoffe ich, ein wenig Aufklärung zu betreiben. Mark Sisson hat ein paar schöne Zusammenfassungen zu diesem Thema geschrieben. Chris Masterjohn rückte dem Thema auf seine ihm eigene Weise auf den Leib. Auch die Weston A. Price Foundation hat ihren Beitrag geleistet. All diese Beiträge sollten Sie jedoch mit äußerster Vorsicht geniessen, denn oftmals verrennen sich die Forscher auch in ihren Argumentationen und unterliegen ihrer Voreingenommenheit.

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