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Ist Milch gesund?

Ist Milch gesund?Ist Milch gesund oder ungesund? Kaum ein Lebensmittel wird so heiß diskutiert wie die Milch. Bei der scheinbar ewig währenden Diskussionen regnet es von beiden Seiten Studien und die meisten Verbraucher haben die Hoffnung auf eine eindeutige Antwort längst aufgegeben. Hier finden Sie eine Zusammenfassung der wichtigsten Argumente – und eine Antwort.

Die Nachteile der Milch

Es folgen die häufigsten Vorwürfe gegen die Milch. Dabei verlinke ich auf jeweils detaillierte Informationen.

Laktoseintoleranz: Viele Menschen vertragen keine Laktose, den Milchzucker.1

Caseinallergie: Einige Menschen sind allergisch gegen Casein, ein Milcheiweiß.2

Beta-Casomorphin-7 (BCM7): Morphin-artige Stoffe in der Milch können betäubende Wirkung haben (siehe auch A1- und A2-Milch, Verstopfung, Müdigkeit, Schlappheit).3

Milch wirkt wachstumsfördernd: Das kann ein Problem sein, weil es auch Tumorwachstum begünstigen kann. Vorteilhaft ist es, wenn Wachstum erwünscht ist, was viele Bodybuilder gerne bestätigen.

Das klingt recht bedrohlich. Allerdings: Laktose und Casein sind auch wesentliche Bestandteile der menschlichen Muttermilch.4 Und die genannten Probleme treffen nicht immer zu: Die Gefahren sind lediglich potenziell und somit kaum schwerer zu bewerten als die Möglichkeit, sich zum Beispiel durch frische, rohe Lebensmittel ungünstige Bakterien einzufangen.

Totschlagargumente

Hier einige gern genannte Totschlagargumente mit entsprechenden Antworten

»Der Mensch ist das einzige Tier, das die Milch anderer Tiere verzehrt.«

Der Mensch ist auch das einzige Tier, das Computer baut und den Mond besucht hat. Der Mensch ist das einzige Tier, das Kultur entwickelt hat. Unsere Vergangenheit und besonders die Erfindung der Landwirtschaft und Viehhaltung hat uns den Aufbau unserer Zivilisation erst ermöglicht. Der Mensch ist übrigens nicht das einzige Tier, das andere Tiere melkt: Ameisen halten und melken Blattläuse.

»Kuhmilch ist für Kälber gedacht, nicht für Menschen.«

Und Salatblätter sind dafür gedacht, Sonnenergie einzufangen – nicht zum Essen. Und Kirschen sind dafür gemacht, dass Tiere sie essen und den Kern an einem anderen Ort ausscheiden, um den Samen zu verbreiten; nicht, um ihn in den Müll zu werfen. Der Mensch ist ein Opportunist und die Verbreitung von Menschen, die auch im Erwachsenenalter Milch verdauen können (Laktasepersistenz) ist ein Indiz dafür: Das Trinken artfremder Milch könnte eine gute Idee sein.

»In der Steinzeit haben wir keine fremde Tiermilch getrunken.«

In der Steinzeit haben wir auch keinen Blumenkohl gegessen. Nur weil ein Lebensmittel für die Spezies Mensch neu ist, bedeutet das nicht, dass er es nicht verzehren sollte oder könnte.

Entzieht Milch dem Körper Kalzium?

Werbung für Milch findet oftmals mit dem Hinweis auf ihren hohen Kalziumgehalt und dessen Wert für die Knochen statt. Ob das enthaltene Kalzium tatsächlich in den Knochen ankommt, ist umstritten.

Vertreter der umstrittenen Säuren-Basen-Theorie behaupten, Milch wirke säuernd auf den Körper und entziehe ihm dadurch Kalzium. Beweisen sollen das Studien, die zeigten, dass in Ländern mit hoher Verbreitung von Osteoporose auch viele Milchprodukte konsumiert würden.

Doch haben diese Menschen Osteoporose, weil sie Milchprodukte konsumieren? Oder konsumieren sie mehr Milchprodukte, weil sie sich davon eine Heilung von der Osteoporose versprechen? Das ist ungeklärt. Der Kalziumentzug bleibt eine Theorie. Zumal der Vorwurf offenbar meist nur der Milch gilt und nicht den anderen als säuernd geltenden Lebensmitteln wie Getreide oder Tierprodukten. Hinzu kommt: Viele Menschen, die regelmäßig größere Mengen Milchprodukte verzehren, erfreuen sich bester Knochengesundheit.

Die Vorteile der Milch

Konjugierte Liniolsäuren (CLA): Diese Fettsäuren können vor Krebs schützen und die förderliche Wirkung der Milch auf das Tumorwachstum aufheben.5

Hohe Nährstoffdichte: Milch ist Säuglingsnahrung und enthält entsprechend wertvolle Nährstoffe.

Insulinsensitivität: Einigen Untersuchungen zufolge kann Milch sich vorteilhaft auf Insulinresistenz und Diabetes auswirken.6

Übergewicht: Studien zeigen eine vorteilhafte Wirkung der Milch auf Übergewicht.7

Milch wirkt wachstumsfördernd: Dies sollten wir der Fairness halber auch als Vorteil nennen, denn es ist unter anderem für Bodybuilder hilfreich.

Milch hat demnach auch ein stark gesundheitsförderliches Potenzial. Es kommt allein auf die Perspektive an, auch hier gibt es wieder viel Kann und wenig Muss. Das Spiel lässt sich so lange fortführen, wie die Ausdauer ausreicht, einzelne Studien Pro oder Kontra auszugraben und zu interpretieren.

Ist Milch gesund oder ungesund?

Warum ist die Studienlage nach Jahrzenten der Untersuchung noch immer nicht eindeutig? Die Frage ist falsch gestellt. Denn was ist mit Milch gemeint? Rindermilch? Yakmilch? Ziegenmilch? Von welcher Art Haltungsbedingungen sprechen wir? Von was für einer Fütterung? Und was ist der Zusammenhang? Untersuchen wir einzelne Milchbestandteile, Milch allein oder Milch im Kontext einer vollständigen Ernährung? Und von welchen Mengen sprechen wir? Wie wurde die Milch verarbeitet?

Milch: Die Wenns und Abers

Milch ist nicht gleich Milch. Wir sollten keine Diskussion über den gesundheitlichen Wert von Milch führen, ohne zuvor genau den Gegenstand der Debatte zu definieren. Unbestreitbar gibt es hier wesentliche Unterschiede.

Tierart: Milche verschiedener Tiere sind unterschiedlich zusammengesetzt. Das Nährstoffverhältnis variiert und genetische Unterschiede führen zur Gabe von unter anderem A1- oder A2-Milch.8

Haltungsmethoden und Fütterung: Die Qualität der Milch hängt direkt ab von den Lebensbedingungen des Tieres und auch von dessen Fütterung. Eine Kuh, die frei und stressarm auf einer Weide lebt und ausschließlich Gras frisst, gibt andere Milch als eine solche, die unter Stress eingepfercht mit Getreide gefüttert wird. Das wirkt sich auch aus auf den CLA-Gehalt.9

Verarbeitung: Pasteurisierung zerstört Enzyme und Bakterien, die Vorteilhaft für die Verdauung sein können. Homogenisierung zerkleinert Milchbestandteile so stark, dass sie zum Problem werden können. Rohmilch enthält mehr Nährstoffe.10

Vollfett oder Fettarm: Es häufen sich Hinweise, dass fettarme Milch tendenziell nachteilige Wirkung im Vergleich zur Vollfett-Milch hat. Das Fett beeinflusst demnach die Wirkung der übrigen Milchbestandteile.11

Milch oder Milchprodukt: Weiterhin zeigt sich: Milchprodukte wie Käse oder Joghurt wirken je nach Verarbeitung anders auf den Menschen als frische Milch. Fermentierte Milchprodukte können vorteilhaft wirken, der hohe Fettgehalt einiger Käsesorten ebenfalls.

All diese Variablen zeigen: Die Frage Ist Milch gesund? können wir nicht mit Ja oder Nein beantworten. Stattdessen muss die Frage lauten: Wann ist Milch eher gesund und wann ist sie eher ungesund? Und das kann man offenbar mit einer Tendenz beantworten, wenn man höchst vorsichtig auch die A1-A2-Diskussion berücksichtigt:

Am gesündesten sind fette, fermentierte Milchprodukte aus roher Vollfettmilch von Ziegen, Büffeln, Schafen, Yaks oder Guernsey-Kühen aus Weidehaltung.

Sauerrahmbutter, Joghurt, Kefir, Käse – in traditionellen Verfahren hergestellte Produkte erhöhen nicht nur die Haltbarkeit, sondern auch die Bekömmlichkeit der Milch. Die Fermentation baut einen Großteil des Milchzuckers (Laktose) ab.

Danach folgen einfache Produkte aus der Rohmilch von Ziegen, Büffeln, Schafen, Yaks oder Guernsey-Kühen.

Rohmilchbutter und -sahne enthalten kaum Laktose und Casein, stecken voller Nährstoffe und Enzyme und können fantastisch schmecken.

Dann Rohmilch von Ziegen, Büffeln, Schafen, Yaks oder Guernsey-Kühen.

Reine, frische Rohmilch mit natürlichem Fettgehalt ist gesünder als die stark verarbeitete, weiße Flüssigkeit aus dem Supermarkt, jedoch nicht als ständiger Durstlöscher zu empfehlen.

Fazit: Ist Milch gesund?

Der Mensch braucht zum Überleben keine fremde Milch. Wer absolut sicher sein möchte und mit der Ungewissheit nicht leben kann, sollte auch Milch verzichten.

Zugleich zeigen die vielen Variablen: Ein pauschaler Verzicht führt nicht nicht unbedingt ans Ziel.

Menschen sind verschieden und somit auch ihre individuellen Verträglichkeiten und Vorlieben. Jeder sollte selbst ausprobieren, welche Probleme auf ihn zutreffen, sich jedoch auch über das allgemeine Schadpotential der Milch informieren.

  • Wer Milch nicht verträgt, der verzichtet am besten. Oder er sucht sich eine Alternative: einen Milchersatz.12
  • Wer unsicher ist, verzichtet am besten auch; und sei es nur, um den Verzicht auszuprobieren. Es schadet nicht.
  • Wer Milch gut verträgt, der greift hin und wieder zu einem hochwertigen Milchprodukt: Handwerklich gefertigt aus Rohmilch von Weidekühen. So etwas gibt es nur selten im Supermarkt, sondern eher beim Landwirt oder in der Käserei um die Ecke. Rohmilch bekommt man mittlerweile auch flächendeckend.13

Das sind drei klare Möglichkeiten, der Frage zu begegnen. Denn essen ist einfach.

Fußnoten

  1. Zusammenfassung dazu: Olschewski, Felix (2011) Milch: Pro und Kontra. Urgeschmack.
  2. ebd.
  3. Übersicht zum Thema A1- und A2-Milch: Olschewski, Felix (2012) Milch: A1 oder A2? Urgeschmack.
  4. Argumentation dazu: Olschewski, Felix (2013) Sollten wir Milch trinken? Urgeschmack.
  5. Amarù DL, Field CJ (2009) Conjugated linoleic acid decreases mcf-7 human breast cancer cell growth and insulin-like growth factor-1 receptor levels. Lipids. 2009 May;44(5):449-58.
  6. Mozaffarian D et al. (2010) Trans-palmitoleic acid, metabolic risk factors, and new-onset diabetes in U.S. adults: a cohort study. Ann Intern Med. 2010 Dec 21;153(12):790-9; Mozaffarian D et al. (2013) trans-Palmitoleic acid, other dairy fat biomarkers, and incident diabetes: the Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis (MESA). Am J Clin Nutr. 2013 Apr;97(4):854-61.
  7. Wang H et al. (2011) Obesity modifies the relations between serum markers of dairy fats and inflammation and oxidative stress among adolescents. Obesity (Silver Spring). 2011 Dec;19(12):2404-10.
  8. Übersicht zum Thema A1- und A2-Milch: Olschewski, Felix (2012) Milch: A1 oder A2? Urgeschmack.
  9. Zusammenfassung dazu: Olschewski, Felix (2011) Milch: Pro und Kontra. Urgeschmack.
  10. ebd.
  11. Überblick bei Masterjohn C (2007) Does milk cause cancer? Evaluating the betacellulin hypothesis. A Campaign for Real Milk.
  12. Siehe dazu Olschewski, Felix (2014) Ist Milchersatz gesund? Urgeschmack.
  13. Wo finde ich Rohmilch? Hier gibt es eine Übersicht: milchtankstellen.de

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