„Er ist ein ganz süßer!“ lautet oft die Verniedlichung einer regelrechten Zuckersucht. Lust, Sehnsucht und Verlangen nach Süßkram gilt in unserer Gesellschaft des Überflusses noch immer als harmlose Eigenschaft und wird auch bei vielen Diabetikern als selbstverständlich akzeptiert, denn die „können ja spritzen“. Wer jedoch die Gefahren des Zuckerkonsums erkannt hat oder wer durch Nachdenken zu dem Schluss kommt, dass ein Zuckerverzicht besser sei, sucht oft Wege zur konsequente Umsetzung.
Droge Zucker
Zucker wirkt wie eine Droge, sowohl psychologisch als auch physiologisch. Große Zuckermengen führen wie Heroin zu einem erhöhten Ausstoß von Dopamin. Das Blockieren der Opioidrezeptoren (das sind jene Stellen im Körper, auf die auch Endorphin und Morphin wirken) reduziert den Appetit auf Süßes und kann zur Behandlung von Übergewicht eingesetzt werden.
Warum überhaupt auf Zucker verzichten?
Für eine Moderation, in den meisten Fällen eine starken Reduktion des Zuckerkonsums gibt es viele gesundheitliche Argumente. Denn der Verzehr von zu viel Zucker…
- …macht fett,
- …belastet die Leber,
- …stört den Insulinhaushalt und kann so zu Insulinresistenz bis hin zu Diabetes führen,
- …erhöht den Blutdruck,
- …erhöht das Risiko für Herz- und Herz-Gefäßerkrankungen und
- …beschädigt die Zähne.
Darüber hinaus funktioniert Zucker als Täuschungsmittel, als Geschmacksverstärker. Eigentlich geschmacksbefreite Produkte wie Limonade, Süßigkeiten, aber auch Fertiggerichte werden durch ihn geschmacklich attraktiv. Mehr noch: Da der Mensch ein Bedürfnis nach Süßem hat –wahrscheinlich evolutionsbedingt– erliegt er einem Mechanismus, der ursprünglich nur für eine sehr begrenzt verfügbare Quelle relevant war: Obst.
Aber wenn der Mensch so ein Bedürfnis nach Zucker hat, ist es dann nicht doch gut, Zucker zu essen?
Zucker verpackt in Obst ist nicht das gleiche wie Tafelzucker oder Limonade. In Obst kommt Zucker stets in Verbindung mit Fasern, welche seine Verdauung verlangsamen und so regulieren. Hinzu kommen viele weitere Nährstoffe (Vitamine und Mineralstoffe) sowie etwas Wasser. All diese zusätzlichen Anteile wirken sättigend. Speckmäuse, Cola und Dauerlutscher bieten dies nicht und so ist die Gefahr hier größer, zu viel Zucker zu sich zu nehmen. Diese Quellen sind zudem billig und in großen Mengen verfügbar.
Warum steckt überall so viel Zucker drin?
Gerade weil der Mensch den Geschmack von Zucker sowohl bewusst als auch unterbewusst als so erstrebenswert empfindet, setzt die Industrie ihn ein, um ihre Produkte attraktiver zu machen. Doch auch der Verbraucher selbst hat sich Routinen angewöhnt, die wir unter die Lupe nehmen sollten.
Viele Nahrungsmittel erfahren heute eine zusätzliche Zuckerung, die dies nicht benötigen. Für viele Familien ist es völlig normal, Erdbeeren vor dem Verzehr reichlich mit Zucker zu bestreuen. Zucker gehört auch häufig fest zum Kaffee dazu, nicht selten drei Würfel pro Tasse – wohl weil das Getränk für viele sonst unerträglich wäre. So findet Zucker oftmals Verwendung nicht nur als Geschmacksoptimierer, sondern als grundlegender Gemacksmacher.
Um auf Zucker zu verzichten, ist der erste Schritt also, zu analysieren, wo und wann man ihn überhaupt verzehrt. Warum zuckere ich die Erdbeeren? Schmecken sie ohne Zucker nicht? Warum esse ich sie dann überhaupt? Könnte ich dann nicht direkt den Zucker löffelweise essen? Sollte ich Erdbeeren essen, die praktisch nach nichts schmecken? Und was ist mit dem Kaffee? Muss ich ihn trinken, wenn seine Bitterkeit für mich erst mit drei Würfeln Zucker (und einer halben Tasse Milch) erträglich ist?
Wie kann ich mir den Zucker abgewöhnen?
Oft ist es die Gewohnheit, die den Griff zum Zucker verursacht. Also müssen wir diese Gewohnheiten umkehren und es uns zur Gewohnheit machen, keinen Zucker zu essen. Das geht recht einfach mit dem grundsätzlichen Entschluss, nur noch frische, echte Lebensmittel, also Gemüse, Obst, Kräuter, Fisch, Fleisch und Eier zu essen. Wem dies jedoch schwerfällt, für den gibt es trotzdem Hoffnung: Eine Herangehensweise in mehreren Schritten.
Schrittweise auf Zucker verzichten
Die Gewohnheiten beschränken sich nicht allein auf das Verhalten, sondern besonders auch auf den Geschmack. Wer viel Süßes gewohnt ist, für den schmeckt alles weniger Süße ungewohnt. Etwas scheint zu fehlen, es ist einfach nicht das gleiche. Dieses Gefühl muss sich ändern. Das zu erreichen ist mit etwas Entschlossenheit recht einfach und es dauert nicht lange, wenn man konsequent ist. Wichtig: Dabei geht es nicht nur um Zucker, sondern um alle Süßstoffe. Es geht um eine Umgewöhnung des Geschmacks und dafür sind echte Zucker genauso relevant wie falsche. Es geht um praktisch alles, was süß schmeckt. Versuchen Sie es mit folgenden 5 Schritten:
#1: Auf alle süßen Getränke verzichten, nur noch Wasser trinken
Wer täglich brav seine 2 Liter Flüssigkeit zu sich nimmt, dies jedoch in Form von Limonade, Eistee oder gesüßtem Kaffee tut, nimmt große Mengen Zucker zu sich. Neben gesundheitlichen Gefahren bringt dies großen Mengen süßen Materials für die Geschmacksnerven mit sich. Das durchschnittliche Geschmacksempfinden ist daher sehr süß, die Sensibilität für Süßes sinkt.
Das bedeutet: Wer auf süße Getränke verzichtet justiert sein Empfinden für Süßes, wird sensibler und kommt folglich mit weniger Zucker aus, um sich wohlzufühlen. Die Gewohnheit und der Geschmack ändern sich.
„Ich kann doch nicht nur Wasser trinken!“ – wirklich nicht? Und warum?
#2: Natürliche Aromen und Geschmäcker erkennen lernen
Zucker und Süßstoffe sind nicht die einzigen Stoffe, die süß schmecken. Zimt kann zum Beispiel ebenfalls den Eindruck von Süße vermitteln. Und selbst so unscheinbare Lebensmittel wie Zwiebeln schmecken ein wenig süß.
Auch Obst verdient Beachtung, kommen wir zurück zu den Erdbeeren: Wonach schmecken sie eigentlich? Wussten Sie, dass einige Erdbeerfarmen jährlich oft 5-6 oder mehr verschiedene Erdbeersorten anbauen, die grundverschieden schmecken? Wer sich vom zugesetzten Zucker nicht blenden lässt, stellt dies schnell fest und weiß es zu schätzen. Denn wer die Erdbeersaison voll auskostet freut sich über die Abwechslung. Wer seine Erdbeeren nicht mehr zuckert, merkt auch, wenn diese gar nicht schmecken und kann entsprechend darauf verzichten (und Geld sparen).
Wenn Sie also durch den Wegfall des Zuckers auf Ungewohntes stoßen, konzentrieren Sie sich auf die vorhandenen Aromen und analysieren Sie diese, statt sich auf die Absenz des Zuckers zu konzentrieren. Lernen Sie so, welche Lebensmittel Sie mögen und welche nicht. Schnell werden Sie feststellen, dass auch viele moderne Apfelsorten einfach nur süß schmecken und sonst nach gar nichts. Süße kann kein Aroma ersetzen.
#3: Die größten Zuckerquellen in der eigenen Ernährung erkennen und eliminieren
Jeder hat andere Essgewohnheiten. Einige Lebensmittel „gehören einfach dazu“, ohne dass darüber weiter nachgedacht wird. Marmeladenbrötchen zum Frühstück, ein Stück Kuchen zum Kaffee und abends die Lasagne, in deren Tomatensoße oft ebenfalls viel Zucker steckt.
Die Ernährung bleibt auch ohne Limonade sehr süß und wer sich diesen Geschmack abgewöhnen möchte, muss die wichtigsten Quellen ermitteln. In diesem Fall ist der Kuchen offensichtlich. Aber auch die Marmelade (welche oft kein echtes Aroma enthält) macht es durch ihren regelmäßigen Verzehr schwierig, sich die Süße abzugewöhnen.
Arbeiten Sie sich so in Ihrer Ernährung immer weiter vor, erschmecken Sie, was alles süß ist und schauen sie ruhig auch auf die Verpackung und auf den Zuckeranteil: Sie werden sich wundern, wo überall zusätzliche Zucker enthalten sind.
#4: Auf alle übrigen zugesetzten Zucker und Süßstoffe verzichten
Schauen Sie sich die Lebensmittelverpackungen genau an, lesen Sie die Zutatenlisten: Dextrose, Glucose-Fructose-Sirup, Agavensirup, Aspartam, Sucralose, Sucrose, Saccharose und viele weitere sind einfach nur andere Worte für: Süß!
Schnell werden Sie merken, dass es praktisch unmöglich ist, verpacktes, verarbeitetes oder Fertigprodukte zu kaufen, ohne dass zusätzlicher Zucker im Einkaufswagen landet.
Dies ist der letzte Schritt auf dem Weg zu einer Ernährung von nur frischem Gemüse, Obst und Tierprodukten. Er bedeutet eine weitere, praktisch vollständige Abkehr von verarbeiteten Lebensmitteln. Es ist der Urzustand der Ernährung des Menschen. Rohkost– und Steinzeiternährung funktionieren im Kern nach diesem Prinzip und es ist offenbar die einzig artgerechte Ernährung des Menschen.
#5: Stellen Sie sich vor, wie viel Zucker in den Fertigprodukten steckt
Dies sollten Sie erst nach Druchführen von Schritt #1 bis #4 tun, andernfalls fehlt Ihnen eventuell das Gefühl dafür. Wenn Sie einige Zeit geforscht haben, wie viel Zucker in Fertigprodukten steckt, ist es sehr effektiv, an der Auslage einer Bäckerei oder Konditorei vorbeizugehen und sich vorzustellen, welche Unmengen Zucker in jedem einzelnen Produkt stecken. Zumindest mir persönlich vergeht dabei in der Regel jeglicher Appetit.
Reinen Tisch machen
Wer dies zum Normalzustand seiner Ernährung gemacht hat, wird nach einiger Zeit kaum noch das Bedürfnis nach Süßkram haben. Und wenn doch? Was ist, wenn allein die Erinnerung an den Biss ein ein gutes Stück Schokolade Sehnsucht hervorruft? Dann ist es sicherlich kein Weltuntergang, doch ausnahmsweise selten mal zuzugreifen. Am besten zu selbstgemachten Leckereien aus hochwertigen Zutaten, bei denen man die Süßungsmittelmengen selbst kontrollieren kann.
Wichtig ist die Gewohnheit. Wichtig, ist Zucker und Süße von der Regel zur Ausnahme zu machen.
Wie lange dauert die Umstellung?
Menschen sind verschieden und nicht jeder ist gleichermaßen konsequent. In der Regel dauert eine solche Umstellung, eine Umgewöhnung nach einer vollständigen Umstellung auf nur Gemüse, Obst und frische Tierprodukte rund 2-3 Wochen. Wenn es nicht so schnell klappt, sollten Sie sich die Zeit geben und es weiter versuchen. Sie können das auf jeden Fall.
Nebenwirkungen
Eine weit verbreitete Folge dieser Umgewöhnung ist, dass Sie möglicherweise Zahnschmerzen beim Verzehr oder gar allein bei dem Gedanken an den Verzehr sehr süßer Produkte bekommen. Oftmals schmecken die ehemals geliebten Süßigkeiten oder „Teilchen“ nach 1-2 Monaten konsequenten Verzichts gar nicht mehr. Nicht ungewöhnlich sind auch Gefühle der Abneigung oder des Ekels vor den dann als abartig süß empfundenen Produkten der Nahrungsmittelindustrie. Ich halte das für einen gesunden und sehr hilfreichen Instinkt.
Kochen und backen ohne Zucker
Meine jahrelange Erfahrung beim Kochen und Backen ohne Zucker oder mit nur wenig Zucker habe ich in meinen Kochbüchern festgehalten:
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