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Milch: A1 oder A2?

Milch A1 A2Dieser Artikel ist auch als Podcast zum Anhören verfügbar: Urgeschmack-Podcast #5: Milch: A1 oder A2?

Kaum ein Erlebnis kommt dem Gefühl gleich, ein Glas frischer, kühler Milch zu trinken. Zugleich ist kaum ein Lebensmittel so umstritten wie die Milch. Wie komplex das Thema ist, beleuchtet der Artikel „Milch: Pro und Kontra„. Eine wichtige Schlussfolgerung daraus: Milch ist nicht gleich Milch. Es gibt abhängig von der Art der Milch fundierte Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Milchkonsum und koronarer Herzkrankheit sowie Diabetes Typ-1. Grund genug, sich das Thema noch einmal genau anzuschauen.

Milch ist nicht gleich Milch?

Wir wissen, dass pasteurisierte und homogenisierte Milch etwas völlig anderes ist als Rohmilch. Und fettarme oder gar H-Milch hat mit dem ursprünglichen Produkt höchstens noch die Farbe gemeinsam. Doch darüber hinaus kann Milch auch in zwei Gruppen eingeordnet werden: A1 und A2.

Was ist A1- bzw A2-Milch?

Um diesen Unterschied genauer verstehen zu können, müssen wir in die Zusammensetzung der Milch eintauchen. Milch enthält neben einer Menge Wasser und Fett auch Proteine. Bei diesen Proteinen handelt es sich größtenteils um Casein.

Es gibt verschiedene Casein-Sorten, darunter auch Beta-Casein, welches seinerseits aus 209 Aminosäuren zusammengesetzt ist. Der Unterschied zwischen A1- und A2-Milch liegt allein an Position 67 dieser Kette von Aminosäuren. Bei A2-Beta-Casein sitzt an dieser Stelle die Aminosäure Prolin, während die A1-Milch hier Histidin enthält.

Protein-Kette mit den Aminosäuren in A1- und A2-Beta-Kasein

Die Folge dieses feinen Unterschieds: A1-Milch und A2-Milch verhalten sich bei der Verdauung unterschiedlich. Anders als die A2-Milch wird in der A1-Milch die Kette der Aminosäuren aufgespalten, so dass das Opiat Beta-Casomorphin-7 (BCM7) entsteht. Soweit die nach derzeitigem Stand der Wissenschaft gesicherten Fakten.

BCM7 hat eine Reihe von Einflüssen auf den Menschen. Zunächst wirkt es potentiell auf die Opioidrezeptoren des Verdauungstrakts und des neurologischen wie auch des Immunsystems.

Es kann die Verdauung verlangsamen und Verstopfung verursachen.

Weiterhin wurden negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Neugeborenen und Kleinkindern nachgewiesen und bei einigen Kindern hat sich BCM7 als Risikofaktor für Apnoes (Atemstillstand) herausgestellt.

Darüber hinaus gibt es überzeugende epidemiologische Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen BCM7 und dem Auftreten koronarer Herzerkrankungen und Diabetes Typ-1.

Freisetzung von BCM7 aus A1-Beta-Kasein

Die meisten dieser Ergebnisse gelten derzeit allerdings als noch nicht ausreichend gesichert und weitere Untersuchungen sind nötig. Die Hinweise verdichten sich allerdings zusehends, dass BCM7 wirklich die genannten Auswirkungen hat. Bis auf weiteres schadet es also nicht, auf Nummer sicher zu gehen und A1-Milch zu meiden.

Wie kann ich zwischen A1- und A2-Milch unterscheiden?

Der Großteil der europäischen und amerikanischen Rinderrassen gehört der Subspezies Bos primigenius taurus an. Diese Tiere produzieren weitestgehend A1-Milch. Ausnahmen bilden die Rassen Jersey, welche teils A1- und teils A2-Milch produziert, sowie die Rasse Guernsey, welche vornehmlich A2-Milch liefert. Handelsübliche Milch stammt in der Regel von Rassen wie Holstein, welche überwiegend A1-Milch produziert.

Wer seinen Konsum auf A2-Milch beschränken möchte, sollte daher gezielt Landwirte aufsuchen, die Guernsey-Rinder zur Milchproduktion halten. Kene triviale Aufgabe, doch es gibt weitere Alternativen:

Die Subspezies Bos primigenius indicus ist ein auf dem indischen Subkontinent domestiziertes Hausrind, das auch in Afrika verbreitet ist. Die Tiere dieser Unterart geben überwiegend A2-Milch, sind aber in unseren Breitengraden nur minimal verbreitet. Wesentlich mehr Erfolg verspricht daher die Suche nach Ziegen, Schafen, Yaks oder Büffeln – denn auch diese Tiere geben vornehmlich A2-Milch.

Noch mehr zu A1- und A2-Milch

In diesem Zusammenhang werden auch oft die Massai genannt, die sehr viel Milch konsumieren und unter den genannten Problemen nicht leiden. Auch sie halten A2-Rinder.

Ursprünglich gaben alle Rinder A2-Milch. Durch eine Mutation hat sich in den europäischen Rassen mit der Zeit jedoch das A1-Beta-Casein verbreitet. Es gibt noch weitere Mutationen des Beta-Caseins, nämlich A3, B, C, D, E… Im Zusammenhang mit den oben genannten Problemen spielt dies jedoch eine untergeordnete Rolle.

Pasteurisierung hat einen eher nachteiligen Effekt auf A1-Milch, denn sie sorgt tendenziell für eine noch einfachere Bildung von BCM7.

Warum ist das nicht weithin bekannt?

Dieser Themenkomplex wird noch nicht besonders lange erforscht: Erst in den letzten 10-15 Jahren wurden die Forschungen intensiviert. Zwar zeichnet sich der genannte Trend ab (d.h. A1-Milch scheint wirklich eher nachteilig für die menschliche Gesundheit zu sein), doch es ist noch einiges an Forschungsarbeit nötig, um wirklich eindeutige Aussagen treffen zu können.

Natürlich hat die Milchindustrie kein großes Interesse an einem sinkenden Milchkonsum. Eine Umstellung der Herden wäre scheinbar mit großen Kosten verbunden. Doch in Neuseeland, einem wichtigen Forschungsstandort in diesem Bereich, sind die Landwirte bereits dazu übergegangen, ihre Milchviehherden vollständig auf A2 umzustellen. Innerhalb von 10 Jahren werden sie ausschließlich A2-Milch produzieren – mit geringem Aufwand, wie sich zeigt.

Fazit

Vorsicht kann nicht schaden. Solange die Situation nicht eindeutig geklärt ist, ist der Verzicht auf A1-Milch auch für Menschen ohne bereits bestehende Darmprobleme (z.B. Leckdarm/Sickerdarm) ratsam. Auch bei der Ernährung von Kindern sollte genau auf die verwendete Milch geachtet werden.

Es scheint durchaus plausibel, dass die im Artikel „Milch: Pro und Kontra“ genannten Probleme der Milch vollständig auf BCM7 zurückzuführen sind. Das würde bedeuten, dass A2-Milch –beispielsweise von Ziegen– eine langfristig sichere Alternative und wertvolle Nahrungsergänzung darstellt. Es bleibt dennoch die Frage: Sollten wir Milch trinken?

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Quellen und weiterführende Informationen:

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