Die Steinzeiternährung weist als Ernährungskonzept signifikante Schwächen auf. Selbst der griffige Name könnte eine Schwachstelle sein. Dies ändert nichts an ihren Vorzügen, auch wenn es sie relativiert. Davon abgesehen sieht sich die Paleo-Diät allerdings mit verschiedenen Vorwürfe konfrontiert, die oftmals Strohmann-Argumente sind: Argumentative Anfechtung von Behauptungen und Kritik an Voraussetzungen, die die Steinzeiternährung gar nicht aufstellt.
Ganz gleich, ob die Ursache dafür in Unwissenheit, einem Missverständnis oder böser Absicht liegt: Die entsprechenden Strohmann-Argumente wiederholen sich und im Folgenden finden sie eine Liste von wiederkehrenden Streitpunkten, die zumindest im Fall von Missverständnissen Aufklärung schaffen können.
Vorweg ein verwandter Hinweis in eigener Sache:
Urgeschmack ist nicht gleich Paleo
Ich sehe die Steinzeiternährung kritisch und halte sie für nicht mehr als eine grundsätzlich hilfreiche Herangehensweise. Mit Urgeschmack liegt mir mehr am Herzen: Genussvolles Essen und nachhaltige Erzeugungsmethoden. Beides halte ich für untrennbar mit gesunder Ernährung verbunden. Darüberhinaus scheint mir eine individuell angepasste und eigenverantwortliche Ernährung sinnvoller als ein pauschales Ernährungskonzept für alle.
Kommen wir zu den Streitpunkten der Steinzeiternährung
1. Paleo ist nicht gleich viel Fleisch
Steinzeiternährung ermutigt dazu, sich mit ausreichend Aminosäuren zu versorgen und zu diesem Zweck Fleisch zu essen, da dies eine gesunde und effiziente Lösung darstellt. Von „viel Fleisch“ ist in keiner der seriösen Quellen die Rede. Steinzeiternährung beinhaltet also kein Gebot zum Fleischverzehr, eine vegetarische Paleo-Ernährung ist durchaus möglich.
2. Paleo ist nicht LowCarb
Der Begriff LowCarb ist nicht näher definiert und meint schlichtweg „wenig Kohlenhydrate“. Das ist sehr relativ, spielt aber für die Steinzeiternährung gar keine Rolle. Denn: Sie gibt kein Makronährstoffverhältnis vor. Zwar führt der Verzicht auf Zucker und Getreide automatisch zu einer Senkung des Kohlenhydratkonsums. Dennoch ist es möglich, sich durch reichlich Obst mit großen Kohlenhydratmengen zu versorgen. Ob jemand sich LowCarb ernährt hat also gar nichts mit der Steinzeiternährung zu tun.
3. Paleo ist nicht Bio
Der Verzicht auf schädliche Substanzen wie Anti-Nährstoffe ist ein wichtiger Aspekt der Steinzeiternährung. Und es liegt nahe, in diesem Zuge auch möglichst viele Pestizide und andere schädliche Chemikalien in Lebensmitteln zu meiden. Während dies durch die Wahl von Bio-Produkten vereinfacht wird, ist es jedoch kein Bedingung. Denn auch konventionelle Ware kann ohne Pestizide erzeugt werden (und da diese Geld kosten, wird es auch möglichst häufig praktiziert).
Es ist durchaus sinnvoll, zu Bio-Ware zu greifen, um Schadstoffe zu meiden, ökologischen Landbau zu fördern und höherwertige Ware zu erhalten. Die Steinzeiternährung gebietet dies jedoch nicht.
4. Paleo ist nicht teuer
Als Folge der Missverständnisse „Paleo gleich viel Fleisch“ und „Paleo gleich Bio“ folgt häufig der Vorwurf, die Steinzeiternährung sei in der Umsetzung sehr teuer. Die beiden vorangehenden Argumente sind jedoch bereits entkräftet, daher erübrigt sich selbst eine Diskussion über den Wert gesunder Ernährung oder die Wertschätzung hochwertiger Lebensmittel. Gesunde Ernährung lässt sich auch mit beschränkten finanziellen Mitteln umsetzen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
5. Paleo ist nicht einseitig
Wenn Zucker und Getreideprodukte wegfielen, wird oft vorgebracht, würde die Ernährung sehr einseitig. Sicher, was das Bäckerhandwerk hervorbringt ist in seiner Vielfalt beachtlich und auch die Hersteller der berüchtigten „Frühstückszerealien“ sind recht kreativ in ihrer Umformung der immer gleichen Grundzutat: Getreide. Doch im Rahmen der Steinzeiternährung steht praktisch die gesamte Gemüse- und Obst-Auslage offen, hinzu gesellen sich zahlreiche Kräuter Nüsse und Fleischsorten. Hier eine Beispielhafte Paleo-Einkaufsliste.
Die Natur bietet reichlich Auswahl. Wer sich dennoch einseitig ernährt, ist selbst schuld. Nur wenige Nahrungsmittel fallen bei der Steinzeiternährung vom Speiseplan: Getreide (=Samen), Hülsenfrüchte (=Samen) und Zucker. Es bleiben: Rotkohl, Zwiebel, Kürbis, Weißkohl, Orange, Kartoffel, Brokkoli, Avocado, Blumenkohl, Apfel, Karotte, Gurke, Birne, Fenchel, Grünkohl, Kirsche, Zucchini, Knoblauch, Banane, …
6. Paleo gibt es nicht
Viele der vorgebrachten Argumente beziehen sich auf einen echten Schwachpunkt der Steinzeiternährung: Zum Beispiel, dass die Menschen damals nicht immer Fleisch zur Verfügung hatten, dass sie oft nur Fisch oder nur Obst oder nur Gemüse gegessen hätten. Das stimmt.
Die Steinzeit war lang und über rund 2,5 Millionen Jahre hat sich unsere Ernährung gewandelt, war abhängig von klimatischen und geographischen Gegebenheiten. Niemand bestreitet das ernsthaft. Die Argumente beruhen in der Regel auf dem „Paleo ist viel Fleisch“-Missverständnis, welches sich leicht beheben lässt. Auf der anderen Seite steht fest, dass wir in der Tat nicht genau wissen, was wir damals gegessen haben.
Fazit: Paleo Missverständnisse
Viele unnötige Diskussionen, unzählige verlorene Stunden und gequälte Buchstaben lassen sich vermeiden, wenn vor Beginn der Auseinandersetzung die Positionen klar gezeichnet sind. Im Falle eines oder mehrerer Missverständnisse lade ich daher dazu ein, statt erneuter und wiederholter Aufklärungsversuche einfach auf diese Seite zu verweisen. So kann sich jeder einzelne mehr um die Optimierung seiner ganz eigenen Ernährung, vegetarisch oder omnivor, kohlenhydratarm oder -reich, kümmern.
Weitere Informationen:
- 5 Gründe, warum die Steinzeiternährung Blödsinn ist (Urgeschmack-TV Ep. 150)
- 5 Gründe, warum die Steinzeiternährung großartig ist (Urgeschmack-TV Ep. 151)
- Ist Steinzeiternährung sinnvoll?
- Was ist Steinzeiternährung?
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