Wer Kaffee kauft, Schokolade oder Bananen, wird Teil einer Nahrungskette, die um die halbe Welt reicht. Damit wir diese Güter konsumieren können, müssen andernorts Menschen unter Bedingungen arbeiten, die viele von uns als inakzeptabel einstufen würden. Das Konzept des Fairen Handels (engl. Fair Trade) hat zum Ziel, die Bedingungen der Menschen zu verbessern, von deren Arbeit wir profitieren.
Was ist fairer Handel? Was ist Fair Trade?
Internationale Organisationen haben sich auf die folgende Definition des fairen Handels, Fair Trade geeinigt (sog. FINE-Definition):
„Der Faire Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte ProduzentInnen und ArbeiterInnen – insbesondere in den Ländern des Südens – leistet der Faire Handel einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung.
Fair Handels-Organisationen engagieren sich – gemeinsam mit VerbraucherInnen – für die Unterstützung der ProduzentInnen, die Bewusstseinsbildung sowie die Kampagnenarbeit zur Veränderung der Regeln und der Praxis des konventionellen Welthandels.“
So soll zum Beispiel sichergestellt werden, dass ein Kaffeefarmer einen fairen, also ausreichend hohen Preis für seine Ernte bekommt und dass auch Arbeiter auf einer Bananenfarm ein lebenswertes Leben haben. Denn es wäre schließlich unfair, wenn wir in den Industrienationen Kaffee zu Schleuderpreisen verkaufen, während internationale Handelsketten sich die Taschen füllen, die tatsächlich arbeitenden Personen jedoch nichts außer blutigen Händen bekommen.
Wer nun meint, der Kaffeefarmer könne doch einfach seine Preise erhöhen, der irrt leider: Denn durch ihre Marktmacht haben die großen Händler mehr oder weniger die volle Kontrolle über die Preise. Wer als Farmer nicht mitspielt, geht leer aus und ist ruiniert, seiner Lebensgrundlage beraubt. Soviel zur bestehenden Situation, die übrigens im Prinzip jeden Landwirt auch in den Industrienationen betrifft, sich jedoch dort nicht immer so dramatisch äußert. Das ist die Realität der freien Wirtschaft.
Fair Trade ist nicht gleich Fairtrade
Um das oben genannte Konzept umzusetzen und für Konsumenten sichtbar zu machen, muss Ware entsprechend markiert werden. Sonst kann der Verbraucher beim Einkauf keine Wahl treffen. Neben den normalen Bananen für lächerliche 0,79€/kg liegen dann die Bananen aus fairem Handel für lächerliche 0,99€/kg. Mit einem zusätzlichen Aufkleber. Einem Label oder Siegel. Darauf steht vielleicht „Aus fairem Handel“ oder „Fair Trade„. Oder „Fairtrade„.
Denn wie es scheint, ist fair nicht immer gleich fair. Während der Begriff Fair Trade den Fairen Handel nach obiger Definition im Allgemeinen meint, ist Fairtrade (zusammen geschrieben) bereits eine Organisation mit eigenem Label und strikten Standards, wie genau dieser Handel auszusehen hat. Die Marke Fairtrade ist demnach immer Fair Trade. Fair Trade ist jedoch nicht immer die Marke Fairtrade. Alles klar?
Noch mehr Fairness: Märchenstunde, der Regenwald und Kaffeefans
Rapunzel, der Hersteller von Naturkostprodukten, hat sein eigenes Fairhandelslabel, genannt „Hand in Hand„. Mit der Rainforest Alliance/SAN gibt es ein weiteres Siegel und da die Problematik besonders im Bereich des Kaffees Aufmerksamkeit findet, gibt es hier u.a. mit UTZ ein eigenes, Kaffee-Spezifisches Siegel. Oberflächlich betrachtet gibt es also reichlich Fairness im Handel, nur sind die verschiedenen Organisationen verschiedener Meinung darüber, wie der Faire Handel nun im Detail auszusehen habe. Wirtschaftliche Interessen spielen dabei zweifelsohne eine Rolle. Dies wirft wieder die Frage auf: Was ist Fairer Handel?
Ist Fairer Handel fair?
Was fair ist, ist letztlich eine Frage der Perspektive. Der Begriff Fairness ist schwammig. Letztlich besteht die Frage, ob die oben genannte FINE-Definition tatsächlich Umsetzung findet. Was fordert diese? Ein Streben, ein Engagement. Guten Willen. Doch reicht das aus?
Hilft Fair Trade überhaupt?
Einige wenige Organisationen des fairen Handels geben sich große Mühe, sich als transparent und unabhängig zu präsentieren. Allen voran sicherlich Fairtrade (FLO). Doch selbst in diesen Fällen, selbst bei Prüfung durch externe Unternehmen, ist strittig, ob der Faire Handel überhaupt effektiv ist.
Zwar gibt es reichlich Untersuchungen und Studien die besagen, die Arbeitsbedingungen für Erzeuger hätten sich gebessert, die Arbeiter bekämen mehr Geld und selbst die Erzeuger, die diesem System nicht angeschlossen sind, würden profitieren. Doch eine unabhängige Betrachtung eben dieser Untersuchungen macht deutlich, dass die Ergebnisse keinesfalls eindeutig sind. So würden schon bei der Auswahl der Erzeuger solche bevorzugt, die bestimmte Mindeststandards erfüllen und es ist denkbar, dass die Verbesserung hinsichtlich der Bedingungen auch ohne die Fairhandels-Organisation stattgefunden hätte.
Auch erhalten einige Fair Trade-Kooperativen zusätzliche Förderungen unter anderem von staatlicher Seite. Erstens verzerren diese die Wirksamkeit, zweitens stehen diese Förderungen anderen Erzeugern nicht mehr zur Verfügung.
Mit anderen Worten: Wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob Fairer Handel überhaupt denjenigen Menschen hilft, die die Lebensmittel erzeugen. Der Mehrpreis, den Verbraucher im Supermarkt bezahlen landet jedenfalls, wenn überhaupt, nur zu einem Bruchteil beim Erzeuger und wird über die gesamte Nahrungskette in andere Kassen verteilt. Der Vorwurf, vom Fairen Handel würden vornehmlich die Händler profitieren, wird laut. Teils landet nachweislich nur weniger als 1% des vom Endverbraucher gezahlten Mehrpreises beim Erzeuger. Eine direkte Spende an eine wohltätige Organisation ist da weitaus effektiver.
Offenbar gibt es derzeit keinerlei Möglichkeit, die absolute Effektivität des Fairen Handels zu überprüfen. Das allein ist Grund genug zur Skepsis. Der Verbraucher kann demnach nicht mit Sicherheit wissen, ob der Kauf der Banane aus Fairem Handel seiner Intention, den Landwirt zu unterstützen, entspricht.
Die Probleme des Fairen Handels
Die Schwierigkeiten gehen jedoch darüber hinaus:
Qualität: Der Faire Handel hat den Preis des Produkts und den Schutz der Umwelt als Fokus. Jedoch nicht die Qualität. Für den Verbraucher bedeutet dies, dass das Fair Trade Produkt zwar teurer, jedoch möglicherweise trotzdem minderwertig ist oder gar schlechter als das herkömmliche. Dies ist besonders im Feinschmeckerbereich ein Problem: Kleinere Kaffeeröstereien können es sich aufgrund des mangelnden Qualitätsfokus auch beim allerbesten Willen nicht leisten, sich auf Fair Trade Bohnen zu verlassen. Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings auch nicht, dass sie den Erzeugern keine fairen Preise zahlen.
Kostspielige Zertifizierung: Erzeugerkooperativen müssen sich zur Teilnahme am Fairen Handel einer Zertifizierung unterziehen, die recht kostspielig ist. Zwar sei dies letztlich mit dem später höheren, erzielten Produktpreis verrechnet, dennoch stellt es für viele eine Hürde dar. Ein Problem, das in ähnlicher Form im Bio-Bereich existiert und es auch kleinen Metzgern heute schwierig macht, selbst zu schlachten: Eine hohe Einstiegsschwelle.
Mangelnde Transparenz: Die Nahrungskette bleibt lang und beinhaltet viele Mittelsmänner. Eine der Folgen ist, dass nur ein Bruchteil des vom Verbraucher gezahlten Preises wirklich beim Erzeuger ankommt.
Wirksamkeit zweifelhaft: Die Wirksamkeit des Fairen Handels auf die sozialen Bedingungen der Erzeuger lässt sich nur schwer nachweisen und wurde bislang nicht eindeutig belegt. Es gibt keine unabhängigen Studien typischer Betriebe. Zusätzliche Förderungen der Fair Trade Kooperativen durch z.B. staatliche Stellen machen eine direkte Beweisführung schwer.
Nachteile für Arbeiter: Nach Fairtrade-Handhabung gelten die Plantagenbesitzer als Produzenten, nicht jedoch die (Wander-)Arbeiter. Gerade sie benötigen jedoch die meiste Unterstützung erklärt Professor Colleen Haight in ihrem Video „Combating Global Poverty with a Cup of Coffee“.
Ist Fair Trade unfair?
Der Gedanke zählt. Aber die Intention alleine hilft niemandem. Ob einige Erzeuger unter dem Fair Trade-Konzept leiden, ist nicht auszuschließen. Anzeichen, dass Fairer Handel Erzeugern schaden könnte, gibt es durchaus. Denn wenn das Geschäft lukrativer ist und in der Folge die Produktion erhöht wird, sinkt der Preis für Produzenten. Das Motto „Es kann nicht schaden“ gilt leider nicht. Ein paar Cent mehr für das mögliche Wohlergehen der Erzeuger auszugeben, bleibt somit nicht mehr als eine gutgemeinte Geste.
Ist Fair Tade dem Verbraucher gegenüber unfair, weil es an Transparenz mangelt? Der Verbaucher entscheidet nach wie vor über die Nachfrage und so hat er Einfluss auf den Handel. Er hat noch immer die Wahl, sollte sich dabei jedoch nicht auf bunte Aufkleber verlassen.
Was soll der Verbraucher tun?
Wünscht er sich maximale Transparenz und Einfluss, ist er sicherlich mit regionaler Ware am besten beraten. Doch Kaffee, Schokolade und Bananen bekommt er in unseren Breitengraden nicht. Wer im Zweifel für den Angeklagten stimmt, kauft trotz teils mangelnder Transparenz Fair Trade, achtet jedoch auf Siegel, die sich möglichst extern und transparent zertifizieren lassen (u.a. FLO bzw „Fairtrade“). Und dennoch mag diese Wahl nicht der tatsächlichen Intention entsprechen. Der Verbraucher kann sich über alle Siegel informieren und vergleichen, seine eigenen Schlüsse ziehen und beurteilen, ob die kleinen Aufkleber eine Rolle spielen oder nicht.
Fazit
Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass Fair Trade-, Bio– und Vegetarisch-Siegel keine Freischeine für gedankenlosen Konsum sind und sein können. Nach wie vor sollten wir bei jedem einzelnen Einkauf nachdenken und kritisch hinterfragen.
Die politisch korrekten Siegel suggerieren Sicherheit und das Gefühl, das Richtige zu tun. Wer die Verantwortung für seinen Kauf auf diese Weise abgibt, erliegt jedoch einem Trugschluss und verschließt die Augen vor der Realität: Mit jedem Kauf treffen wir eine Wahl und nehmen Einfluss auf die Geschicke der Umwelt, anderer Menschen, des Klimas und der Zukunft. Wir alle sind verantwortlich.
Jeder einzelne von uns hinterlässt Spuren auf diesem Planeten. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir uns alle gemeinsam in den gleichen, mit bunten Aufklebern besetzten Schuh stellen und in die gleiche Richtung wandern, oder nicht: Unser Gewicht bleibt gleich.
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