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Regional essen: Besser leben

Regional essen schmeckt allen.Wer beim Bauern nebenan kauft, genießt ein besseres Leben. Schlank sein und gesund; ein gutes Auskommen haben und gute Nachbarschaft; die Geschicke der Gemeinschaft mitgestalten; der Natur und zugleich dem örtlichen Handel zur Blüte verhelfen: All das kann man vollbringen, wenn man beim Essen die richtige Wahl trifft. Regional essen bereichert unser Zusammenleben.

Für gesundes Essen benötigt man frische Lebensmittel reich an Nährstoffen. Frischer als beim Erzeuger kann man sein Gemüse, Obst und Fleisch nicht kaufen. Zugleich geht man dort Gefahren der großen Handelsketten aus dem Weg, deren Netz aus Lagern und Transportwegen das ganze Land umspannt und sich ideal für die Verbreitung von Lebensmittelinfektionen eignet. Schließt so ein Unternehmen die Pforten, sieht es düster aus mit der Versorgung und man freut sich umso mehr über den Gemüsebauern im Nachbardorf. Der versteht obendrein echte Vielfalt: Während im Supermarkt höchstens die Farbe der Bananenschalen von gelbgrün nach grüngelb wechselt, ändert der Gemüsebauer übers ganze Jahr sein Angebot im Wandel der Jahreszeiten.1 Und zwingt seine Kunden zu einem bunten Speiseplan. Die Gesundheit bedankt sich. Weil sich kein Zwischenhändler die Taschen füllt, bleibt mehr Geld beim Erzeuger und der kann es investieren in mehr Sorgfalt beim Anbau. Dann bekommen wir mehr fürs Geld: Wir sparen.

Diese Direktwahl des Erzeugers ist echte Demokratie und beeinflusst unser gemeinsames Schicksal stärker als das Theater der Sockenpuppen um die Wahlurne alle vier Jahre. Ob uns der Nachbar aufrichtig anlächelt, ob Touristen in unsere Region strömen und sich an der Natur ergötzen und ob in einem fernen Land ein Krieg ausbricht: Das alles wählen wir jeden Tag beim Einkauf.

Arbeitsplätze? Politiker machen keine Arbeitsplätze und die Industrie auch nicht. Käufer machen das. Was für Arbeitsplätze das sind und wo sie bestehen und bleiben, das entscheiden wir an der Kasse. Dort wählen wir auch, wie der Landwirt den Boden bewirtschaften soll, ob er Gift spritzt oder die Bodenfruchtbarkeit pflegt.

Wenn wir Arbeit und Wertschöpfung in unserer Region belassen, können wir faire Löhne fördern und bessere Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen. Das geht, weil der Erzeuger in der Nachbarschaft sitzt und weiß: Wir sitzen im gleichen Boot. Eine Beziehung auf Augenhöhe in der Nahrungskette gebietet Anerkennung für Landwirte und Metzger statt für Unternehmen und Marken. Echte Menschen halten zusammen. Als solche Region sind wir gemeinsam weniger abhängig von Schwankungen des Weltmarktes, die lokale Wirtschaft gewinnt Widerstandskraft. Dazu gehört der Tourismus: Regionale Erzeugnisse sind einzigartig und ziehen Menschen an.

Selbstbestimmung, Wirtschaft, Natur: Behalten wir die Wertschöpfung in der Heimat, gewinnt die Kommune als Ganzes. Man kennt sich; das fördert Anstand. Diese Art des Zusammenlebens stärkt unsere Identität. Ein Jeder formt unsere Kultur im Laufe seines Lebens und vererbt sie als Tradition an unsere Nachkommen. Ob Fairness, Wertschätzung und Gemeinsamkeit Teil dieses Erbes sein sollen, entscheiden wir bei jedem Einkauf.

Gammelfleisch hier, Bürgerkrieg dort

Unsere Macht beschränkt sich nicht auf die eigene Nachbarschaft. Auch die Menschen auf anderen Kontinenten spüren, was wir einkaufen: Geben wir unsere Stimme für Billigfleisch ab, exportiert der Erzeuger die Reste nach Afrika und unterbietet mit seinen Dumpingpreisen dort die heimischen Bauern.2 Die verlieren ihre Lebensgrundlage, flüchten erst vom Land und dann aus dem Land; und wenn wir sie als Wirtschaftsflüchtlinge abweisen, kommen sie fünf Jahre später als Bürgerkriegsflüchtlinge wieder. Die Folgen unseres Einkaufs fürs Mittagessen reichen weit. Kopfschmerzen darüber (und Bauchschmerzen durch Gammelfleisch) können wir allen ersparen, wenn wir den Weg des Geldes kurz halten und dadurch überschauen können.

Eine Region endet nicht an den politischen Fantasien der Landes- oder Kreisgrenzen. Ihr Horizont muss auch nicht im Radius von 100 Kilometern liegen. Zugleich ist erstaunlich, wie viel gute Lebensmittel man innerhalb eines Katzensprungs findet – wenn man genau hinschaut, sich von Dogmen befreit und den Unfug der Bio-und-Co-Siegel hinter sich lässt. Ökologisch nachhaltig erzeugt ohne Bio-Siegel: Solche Landwirte findet man, indem man in der Nachbarschaft oder bei guten Restaurants herumfragt. Dabei stößt man auch auf jene Menschen, welche die Leidenschaft für gutes Essen teilen. Und schon steckt man mittendrin in der Gemeinschaft und genießt die Sicherheit starken sozialen Wurzelschlags.

Discounter und Supermärkte gestatten uns diese Wahl allerdings nicht. Sie sind bereits eine Wahl: Gegen die eigene Region. Daran ändern vereinzelte Angebote örtlicher Erzeugnisse nichts – die Entscheidungsgewalt liegt beim Konzern und nicht in der Kommune.

Wir werden Discounter und Supermärkte nicht abschaffen. Doch wir können die Alternative unterstützen und aufbauen: Hofläden und Wochenmärkte regionaler Erzeuger. Wer es ernst meint mit der Demokratie, sollte den Fernseher ausschalten, rausgehen und sich diese Wahlmöglichkeit erhalten: Den Einkauf beim Erzeuger, die Entscheidung für die eigene Nachbarschaft. Regional essen: Das ist eine Investition in uns selbst, in unsere Familie und Nachbarn, unsere Zukunft. Das ist einfach.

Herzlicher Dank gilt Judith Henzler, Konstantin Niese, Kolinger Jessica, Jonas Burri und allen anderen Stiftern dieses Beitrags mittels Patreon, PayPal und Überweisung.

Fußnoten

  1. Einen Überblick über die jeweils verfügbaren Lebensmittel geben Saisonkalender wie dieser: https://www.regional-saisonal.de/saisonkalender – allerdings handhabt das jeder Landwirt ein wenig anders.
  2. Siehe auch: Zeit Online (20. Januar 2015) Export: Billigfleisch für Afrika. zeit.de; Alexander Göbel (14. Dezember 2015) Das Märchen vom fairen Handel – Wie die EU Ghanas Geflügelwirtschaft zerstört. Deutschlandfunk.

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