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Fast jeder hat schon beobachtet: Es gibt unsportliche Menschen, die können Essen, was sie wollen, ohne Gewichtszunahme. Und andere, die sind übergewichtig, machen aus Sicht der Kalorienbilanz alles richtig und bewegen sich viel und haben beim Abnehmen trotzdem keinen Erfolg. Wie steckt hinter diesem Phänomen? Verrechnen sich die Individuen bei der Kalorienbilanz oder ist es Zauberei?
Die Antwort liegt in den Genen
Der Unterschied im täglichen Energieverbrauch des Stoffwechsels zweier Menschen im Ruhezustand kann bis zu 400 kcal betragen.1 Dies berücksichtigen die verbreiteten Formeln zur Berechnung des Grundbedarfs nicht.
Der Körper reagiert auf einen Kalorienüberschuss durch unbewusste Aktivitäten wie Zappeln, Fußwippen und ähnliches, Aktivitäten oft außerhalb des Bewusstseins (sog. NEAT, für nonexercise activity thermogenesis). Das Ausmaß dieser Bewegungen und des entsprechenden Energieverbrauchs ist unterschiedlich von Mensch zu Mensch. Der Unterschied liegt im Energieverbrauch bei über 700 kcal pro Tag.2
Auch das berücksichtigt die Berechnungsgrundlage der Kalorienzähler nicht.
Manche haben es nie satt
Auch das Hungergefühl in Folge einer Mahlzeit gleicher Art ist individuell unterschiedlich. Manche Menschen haben einfach (auch hormonell messbar) mehr Hunger bzw können ihren Hunger nicht so leicht stillen und essen in der Folge mehr.3
Dies sind genetische Unterschiede, die niemand beeinflussen kann. Hinzu kommen Einflüsse auf das Hormonsystem wie Medikamente, Wechseljahre, Schwangerschaft, Depressionen. Die Gene entscheiden, wir müssen damit leben. An der Körpergröße oder Augenfarbe können wir nichts ändern. Den Kampf gegen das Übergewicht sollte man dennoch nicht aufgeben. Allerdings ist die Kalorienbilanz dafür nahezu nutzlos.
Die Kalorienbilanz ist weniger zuverlässig als eine Wettervorhersage
Die Aussage der Kalorienbilanz mag stimmen: Wer mehr Energie zu sich nimmt, als er verbraucht, wird zunehmen. Doch in der Praxis ist die Formel der Kalorienbilanz als Werkzeug zum Abnehmen nahezu nutzlos, da kaum jemand den Grundbedarf sowie die Reaktion des Körpers au einen Kalorienüberschuss messen kann. In den meisten Fällen ist der Grundverbrauch im Ruhezustand nicht nur unbekannt, sondern variabel und obendrein abhängig von der Kalorienzufuhr. Das heißt: In der Praxis ist diese Formel außerhalb eines Labors unlösbar.
Die Abweichungen liegen kombiniert individuell bei über 1000 kcal. Das ist für viele Menschen mehr als 50 Prozent des täglichen Grundbedarfs, also im Grunde mehr als eine vollständige Mahlzeit. 1000 kcal entspricht ungefähr 111 g Fett, die ein Mensch im Extremfall mehr zunimmt als ein anderer bei gleicher Ernährung.
Erfolgreich abnehmen durch Gewohnheiten
Wer dennoch erfolgreich abnehmen oder sein Gewicht halten möchte, sollte sich demnach nicht auf das Zählen von Kalorien verlassen, sondern sich ein Reihe förderlicher Gewohnheiten aneignen. Viele solcher Gewohnheiten zum Abnehmen habe ich zusammengefasst als einzelne Schritte in meinem Buch Einfach abnehmen.
Fußnoten
- Ostendorf et al (2018) No consistent evidence of a disproportionately low resting energy expenditure in long-term successful weight-loss maintainers, Am J Clin Nutr, 2018 Oct 1;108(4):658-666. doi: 10.1093/ajcn/nqy179. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30321282/
- Levine et al (1999) Role of nonexercise activity thermogenesis in resistance to fat gain in humans, N Engl J Med, 1990 May 24;322(21):1477-82, doi: 10.1056/NEJM199005243222101. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9880251/
- Gibbons et al (2019) Issues in Measuring and Interpreting Human Appetite (Satiety/Satiation) and Its Contribution to Obesity, Curr Obes Rep, 2019 Jun;8(2):77-87. doi: 10.1007/s13679-019-00340-6. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31037612/