Mit dieser Episode beginnt eine Serie über guten Lebenswandel. Diese Serie begleitet mein neu erschienenes Buch Der Weg. Der Weg beantwortet die Frage, Wie du dir einen gesunden Lebenswandel aneignest und beibehältst. Das Buch enthält über 150 Gewohnheiten für einen gesunden Lebenswandel. In jeder der kommenden Episoden stelle ich eine der Gewohnheiten aus dem Buch vor und gehe ins Detail. Dabei gehe ich auf Tieftauchgang, erkunde weitergehende Aspekte jeder Gewohnheit und ergänze diese um Beispiele, die im Buch keinen Platz mehr gefunden haben. Diese resultierenden Podcast-Episoden sind Langformate, die eine ideale Ergänzung zum Buch darstellen. Der Weg ist überall im Handel erhältlich.
Die heutige Episode handelt von der ersten Gewohnheit in Der Weg: Selbsterkenntnis. Und zwar Selbsterkenntnis als Grundlage zur Veränderung. Ich gehe den Fragen nach: Was ist nötig, um sich zu verändern? Warum fällt Veränderung vielen Menschen so schwer? Und welche Rolle spielt Selbsterkenntnis für Disziplin und Motivation?
Gelegentlich werde ich gefragt, was mich motiviert, jeden Morgen eine Stunde zu trainieren. Meine Antwort: Ich bin nicht immer motiviert.
Ich stehe gegen sechs Uhr auf und lese, während ich mich an meiner Kaffeetasse festhalte. Wenn nur noch ein Schluck in der Tasse ist, trinke ich die Hälfte von diesem Schluck. Und dann die Hälfte davon. Weil ich gerne weiterlesen und -lernen möchte, aber auch, weil ich nicht immer Lust auf den Kraftsport habe. Aber spätestens um sieben stehe ich im Gym und gehe an die Arbeit.
Ich trainiere jeden Tag, weil das meine Identität ist. Mein Lebenswandel. Meine Gewohnheit. Zum Aufbau dieser Gewohnheit brauchte ich Disziplin. Motivation hat lediglich den ersten Impuls gegeben.
Motivation kann eine starke Kraft sein, jedoch ist sie nur eine Laune, ein Sahnehäubchen. Niemand kann sich auf Motivation verlassen. Nur Gewohnheiten sind der Weg zur Konsistenz. Wer Gewohnheiten bildet, braucht Disziplin – Willenskraft – nur selten, nämlich wenn alle Stricke reißen. Wenn du zum Beispiel aus Gewohnheit zweimal täglich die Zähne putzt, musst du dich nicht jedes Mal mit Willenskraft dazu zwingen.
Deine Ziele – alle deine Ziele – erreichst du auf einem gesunden Fundament aus Motivation, Disziplin und Gewohnheiten. Ein Rohstoff dieses Fundaments ist Klarheit.
Für Veränderung musst du klar sehen
Die meisten Vorhaben im Leben scheitern an mangelnder Klarheit über das Ziel. Erst ein gut definiertes Ziel ermöglicht dir, den gewünschten Zustand zu verwirklichen – das ist in der Neurobiologie gut erforscht. »Ich will fit sein« kann vieles heißen. Ist ein Körpergewicht dein Ziel, bedeutet Fitness für dich einfach nur ein Normalgewicht? Oder eine Kleidergröße? Oder eine bestimmte sportliche Leistung? Möchtest du das Ziel irgendwann erreichen oder nächsten Monat? Jeder Mensch ist zu Großartigem fähig, wenn er klar sieht, was er eigentlich erreichen möchte. Klare Sicht ermöglicht klare Handlungen. Besonders klare Sicht auf dich selbst.
Erkenne dich selbst (Gewohnheit #1)
Vielleicht hast du diesen Podcast angeklickt, weil du etwas verändern möchtest. Deine Veränderung wird dir niemand abnehmen – auch nicht dieser Podcast. Du hast dein Leben selbst in der Hand und niemand, kein Traumprinz und kein Superheld, wird dich packen und einfach am Ziel absetzen. Das wäre auch schlecht für dich, denn es würde dich um das Wissen betrügen, dass du es allein schaffen kannst. Der Wert der Errungenschaft hängt direkt zusammen mit den Entbehrungen auf dem Weg dorthin. Nur die schwierigen Dinge im Leben lohnen sich. Auf die einfachen Siege kann man kaum stolz sein. Einem 3-jährigen den Lolli wegnehmen kann jeder.
Veränderung ist stets ein Schritt ins Unbekannte – denn wäre es bekannt, wäre es keine Veränderung. Wenn du dich verändern möchtest, musst du also etwas Unbekanntes wagen. Und das Unbekannte macht uns Angst. Das ist ein Urinstinkt in jedem Menschen: In der unbekannten Höhle könnte ein hungriger Bär liegen und uns angreifen. Einige Menschen verstecken ihre Angst, andere haben etwas mehr Mut und wieder andere haben viel Übung darin, ihrer Angst entgegenzutreten. Und doch bleiben die meisten Menschen lieber in einer unangenehmen, jedoch bekannten Situation – Übergewicht, Unzufriedenheit, Stress am Arbeitsplatz –, sie bleiben lieber in diese unangenehmen, bekannten Situation, als den Schritt ins Unbekannte zu wagen. Weil das Unbekannte Angst auslöst.
Wie äußert sich die Angst vor dem Unbekannten im Alltag?
Menschen bleiben ewig in Beziehungen, mit denen sie unzufrieden sind. Bleiben verheiratet mit Partnern, die sie emotional missbrauchen. Warum tun sie das? Warum beenden sie die Beziehung nicht einfach? Nicht immer, aber oft ist es die Angst vor dem Unbekannten, was danach kommt. Wer weiß, was nach der Trennung folgt? Komme ich klar mit dem Alleinsein? Was werden meine Freunde und Familie dazu sagen? Muss ich alleine alt werden? Nichts auf der Welt ist so grausam wie die Vorstellungen, die Menschen sich von ihrer eigenen Zukunft machen können.
Warum lassen so viele Arbeitnehmer sich von ihrem Chef respektlos behandeln oder nehmen die Sticheleien von Kollegen hin? Wenn man alles versucht hat, um die Situation am Arbeitsplatz zu verbessen und nichts fruchtet – wäre es dann nicht logisch, zu kündigen und sich einen anderen Job zu suchen? Warum gehen die wenigsten Arbeitnehmer diesen Weg und lamentieren stattdessen jeden Abend und an jedem Wochenende über ihre Arbeit? Es ist oft die Angst vor dem neuen Weg. Wer weiß, wie es in einem anderen Unternehmen wäre. Wie mag die Arbeit sein, was muss ich Neues lernen, wie ist der Chef und wie die Kollegen?
Und warum schaffen so viele schwer übergewichtige Menschen nicht den Schritt zum Abnehmen? Mit schmerzenden Knien, schlechter Mobilität und wildem Schnaufen beim kleinsten Spaziergang ist das Leben gewiss nicht leicht. Wenn man lange genug so gelebt hat, kann dieser einschränkende Zustand zur Identität werden. Dann ist man eben einer von den Dicken. Einer, der es schwer hat. Einer, der ein Opfer seines Körpers ist. Dann ist das Abnehmen eine Veränderung, die nicht nur Einsatz erfordert und die Bereitschaft, die bekannte Ernährung, gewohnte Bewegungsmuster den gesamten bisherigen Lebenswandel aufzugeben. Sondern man selbst muss seine Identität als Dicker aufgeben und den Schritt in ein neues Leben wagen. Man muss seine ganze Denkweise verändern und kann sich nicht mehr hinter dem Dicksein verstecken. Doch wer mag das sein, der am Ende dieses Prozess steht? Ein anderer Mensch. Ein veränderter, ein noch unbekannter Mensch.
Also was gibt Menschen den Mut zum Schritt ins Unbekannte?
Einige Dinge im Leben sind unkennbar. Die Zukunft ist unkennbar. Die meisten Menschen kommen damit klar, weil sie sich für die Zukunft Dinge vornehmen, die sie bereits kennen: Was und wann sie frühstücken werden, zur Arbeit gehen, wen sie am Abend umarmen. Doch wer etwas verändern möchte, der hat mehr Unbekannte vor sich. Wer seinen Job kündigt, weiß nicht wie oder mit wem er den nächsten Tag verbringt. Wer vor dem großen Unbekannten steht und nicht weiß, woran er sich festhalten soll, kann eines tun:
Bekanntheit ins Unbekannte bringen
Denn eines kann man immer wenigstens zum Teil kennen: Sich selbst im Hier und Jetzt. Es braucht viel Erfahrung und Reflexion, sich selbst wirklich vollständig zu kennen. Doch die eigenen Gedanken sind das erste und einfachste, was du kennen kannst. Das kann dein Haltepunkt sein. Und an dieser Stelle treffen sich die Gedanken von Unbekanntem und Erkenntnis:
Etwas Neues, also Unbekanntes wagen wir erst, wenn der Leidensdruck größer geworden ist als die Angst vor der Veränderung. Wenn wir begreifen: Das Unbekannte mag uns Angst machen, aber es kann nur besser sein als die Misere, in der wir jetzt gerade stecken.
Das erfordert die Selbsterkenntnis: Ich kann etwas tun. Nicht meine Umstände sind Herr meines Lebens, sondern ich. Das ist der gemeinsame, nächste nötige Schritt in den soeben genannten Beispielen. Da muss ein Mensch erkennen: So ist es, das ist meine Situation, das sind meine Umstände. Aber so muss es nicht sein: meine Umstände sind nicht mein Leben. Ich kann da rauskommen. Dafür muss ich etwas verändern. Und ich kann etwas verändern. Das ist die Erkenntnis des Selbst innerhalb der Situation und die Differenzierung zwischen Umständen und Eigenanteil.
Doch auch dieser Moment kann sich ziehen wie Kaugummi. Auch wenn du erkannt hast: Mir geht es schlecht. Nichts, was ich versucht habe, verbessert meine Situation. Ich muss etwas Neues versuchen. Es liegt allein an mir. Ich muss das Unbekannte wagen. – auch dann kann es noch lange dauern, bis du den Schritt wirklich gehst. Woran liegt das? Die Ursache ist eine angezogene Handbremse.
Was dich ausbremst ist fast immer mangelnde Selbstliebe – mangelnde Selbstachtung: Das Thema der nächsten Episode.
Selbstachtung gibt dir dein Warum. Selbstachtung beantwortet deine Fragen und gibt dir etwas, um danach zu streben. Ein Ziel. Eine klare Vision. Diese Klarheit der Selbstachtung ist ein Rohstoff für dein Fundament aus Motivation, Disziplin und Gewohnheiten. Es ist eine Bedingung für echte Selbstliebe und somit der Grundstein für echte Liebe und für das Erwachsenwerden. Ausführlich spreche ich darüber in der kommenden Episode.
Selbsterkenntnis als Ausgangspunkt zur Veränderung
Veränderung ist ein Schritt ins Unbekannte. Das erfordert Mut. Den Mut kann man finden in der Selbsterkenntnis. Dafür musst du dich lösen aus der Rolle des Opfers deiner Umstände. Du kannst immer etwas tun. Wenn du dich selbst erkennst als Individuum in der Welt, als jemand, der etwas tun kann, dann gewinnst du zugleich Klarheit. Klare Sicht auf die Situation und auf dich. Auf deinen Anteil an der Situation und besonders auf den Weg heraus aus der Situation. Die klare Sicht der Selbsterkenntnis ermöglicht dir Selbstachtung: Den Schlüssel für ein zufriedenes Leben und den Antrieb für die Reise zu deinen Zielen.
Frage dich:
- Was ist die Situation, in der du steckst und die du verändern möchtest?
- Was ist dein Anteil an der Situation?
- Was genau möchtest du verändern?
- Was kannst du zugunsten dieser Veränderung tun? Was sind die einzelnen nächsten Handlungsschritte?
- Was hält dich davon ab, warum hast du es nicht bereits getan?
- Und was von diesen Dingen, die dich abhalten existiert nur in deiner Vorstellung, besteht aus Angst vor den möglichen Folgen?
- Was ist die bestmögliche Folge deiner gewünschten Veränderung?
- Siehst du den Unterschied zwischen deiner Situation und deinem Anteil, siehst du, welche Wege aus der Situation du herausgehen könntest?
- Erkennst du also dich selbst abgegrenzt von deinen Umständen?
Dann ist der nächste Schritt die Selbstachtung. Dazu kommen wir in der nächsten Episode.
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