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Gehören Frauen in die Küche?

Frauen gehören in die Küche?»Frauen gehören in die Küche.« – dieses gefährliche Menschenbild bestand und besteht wirklich.1 Die Küche liegt inmitten der Esskultur, die unser aller Leben beeinflusst. Esskultur entscheidet über unseren Alltag und bestimmt, ob wir dick sind oder dünn, gesund oder krank. Über Esskultur schreibe ich seit Jahren und deswegen muss ich fragen: Steckt Wahrheit in der Behauptung? Warum sollten Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht in die Küche gehören?

Blicken wir in die Geschichte nah und fern, sehen wir tatsächlich viele Männer, jedoch überwiegend Frauen in der Küche. Das ist freilich nur eine Beobachtung und keine Begründung. Und schon diese Feststellung genügt zum Auslösen so manch zornigen Wortschwalls über Männerherrschaft. Das führt zu nichts. Wirklich konstruktiv können wir der Frage erst nachgehen, wenn wir die Behauptung nicht als Abwertung betrachten. Fragen wir anders: Gibt es Grund zur Annahme, Frauen hätten eine engere Verbindung zur Küche als Männer?

Ein Teil der Frage betrifft unsere Kulturgeschichte. Der Zweck einer Küche ist das Zubereiten von Nahrung für die Mitglieder eines Haushaltes. Meist ist die Küche ein Raum in einem Haus oder einer Wohnung. Früher war die Küche oft der einzige beheizte Raum einer Behausung und diente daher auch als Kern des Familienlebens. Noch früher leisteten wir uns nicht den Luxus getrennter Räume: die Küche war das Haus und das Haus war die Küche. In vielen Teilen der Welt ist das noch heute üblich. Dann stehen (und standen) in den Küchen auch keine Mikrowellenherde oder Brotbackautomaten, sondern bestenfalls ein Herd und davor war es eine Art Grill oder ein Feuer am Boden. Unabhängig von der Ausstattung haben alle Küchen ihren Zweck gemein: Hier wird Essen zubereitet.

Die andere Hälfte der Frage deutet auf den biologischen Unterschied zwischen Frauen und Männern. Wie entstand die Tradition, durch die heute überwiegend Frauen in der heimischen Küche stehen?2 Wir können stundenlang über Arbeitsteilung sprechen, über die Eignung für harte körperliche Arbeit oder für die Jagd auf wilde Tiere. Oder wir springen einfach viel weiter zurück und finden den Grund in unserer Geschichte, über die wir uns mit einem Blick auf unsere tierischen Verwandten versichern: Wir sind Säugetiere. Die Mutter säugt die Säuglinge. Sie versorgt als erste das Leben mit Nahrung. Die Mutter ist immer die erste Köchin gewesen. In diesem Sinne können wir sagen: Nein, die Mama gehört nicht in die Küche. Der Mama gehört die Küche.

Die Mutter sorgt aufgrund ihrer so aufgebauten Verbindung zum Kind auch nach dem Abstillen überwiegend für die Ernährung des Nachwuchses. Unsere Tradition der Frau in der Küche verdanken wir einer biologischen Tatsache. Je nach Spezies geht der Mann derweil auf die Jagd und bringt Futter nach Hause oder er pflanzt sich weiter fort oder er verkrümelt sich ganz aus dem Leben der Mutter. Beim Menschen finden wir all diese Varianten; erstere ist jedoch die Regel.

Frauen – oder genauer: Mütter – beherrschten daher die Küche. Sie fanden Wege, aus wenig Lebensmittel viel zu zaubern, sie entwickelten Rezepte und Kochmethoden. Und Ihre Rolle als Versorgerinnen des Nachwuchses machte sie auch zu Hüterinnen der Esskultur: Viele Bestandteile heutiger Tischetikette wurzeln im Wunsch nach friedlichem Beisammensein am Tisch und der gerechten Aufteilung des Essens.

So hat sie angefangen, die Geschichte der Frau in der Küche. Viele Tausend Jahre später schwärmen wir vom Essen wie bei Muttern und schwelgen in Erinnerungen an Omas Kuchen. Omas geben ihr Wissen an Mammas weiter und die wiederum an ihre Töchter, damit auch die später ihre Kinder gut versorgen können.

Natürlich können auch Väter gut kochen. Und kulinarisch sowie kulturell kamen viele wichtige und nachhaltige Bereicherungen von Männern – schließlich gestalten wir unsere Kultur gemeinsam. Schaut man sich in der Welt der Köche um, könnten man sogar den Eindruck gewinnen, Männer wären die besseren Köche, so stark dominiert das männliche Geschlecht die Restaurantküchen und Kochsendungen. Jedoch wäre das ein Trugschluss: Der kommerzielle Erfolg hängt nicht ab von den Fähigkeiten als Koch oder von Qualität und Geschmack des Essens.

Unsere umformulierte Frage ist derweil beantwortet: Ja. Frauen haben von Natur aus eine engere Verbindung zur Küche als Männer. Denn nur Mütter können ihre Kinder säugen. Ihre Rolle entwickelte sich daraus als gesellschaftliche Folge unserer Biologie.

Also: Gehören Frauen in die Küche? Gewiss. Aber nicht exklusiv. Dorthin gehören auch Männer. Nicht nur zur Bereicherung der Domäne um neue Technologie zum Kochen, sondern zum Erweitern des Kochens um die männliche Sichtweise und zum Teilen, zum Austausch. Und Kinder gehören auch dorthin. Am besten kochen alle mit und essen gemeinsam.

Gemeinsam kochen und essen – dadurch vereinen wir uns in der höchst individuellen Notwendigkeit der Ernährung. Dabei können wir voneinander lernen, den Genuss teilen und Wertschätzung pflegen für das Essen und füreinander.

Vorschläge für gemeinschaftliche Ernährung:

  • Geht gemeinsam einkaufen: Am besten saisonal beim Erzeuger im Hofladen oder auf dem Wochenmarkt. So erlebt ihr gemeinsam die Schönheit der verfügbaren Erzeugnisse und zugleich die Beschränkungen der jeweiligen Saison.
  • Einigt euch gemeinsam auf eine Speise und besprecht grob den Ablauf der Zubereitung. Dann haben alle Anteil und ihr zieht am gleichen Strang.
  • Teilt die Küchenarbeiten auf: Gemüse putzen, schneiden, anbraten, umrühren, würzen. Wenn ihr diese Arbeiten täglich anders aufteilt, erlebt ihr unterschiedliche Herangehensweisen und lernt gemeinsam.
  • Akzeptiere nicht einfach, wenn dein(e) Partner das Essen anders zubereiten, als du es gewohnt bist – sondern begrüße es und freue dich über die neuen Eindrücke.
  • Esst achtsam, riecht an jedem Bissen und diskutiert, was euch gefällt und was ihr verbessern würdet. Indem ihr darüber sprecht, reflektiert ihr das Ergebnis eurer Arbeit und lernt daraus. Und ihr festigt das gemeinsame Erlebnis.
  • Putzt die Küche gemeinsam, spült, trocknet ab oder räumt den Geschirrspüler ein. Erledigt auch die schmutzige Arbeit, denn das erhöht die Wertschätzung des Essens. Und es schenkt euch noch mehr gemeinsame Zeit.
  • Habt gemeinsam Spaß.

Herzlicher Dank gilt Yvonne Benck, Jonas Burri, Daggggi, Judith Henzler, Jan-Marten Kolle, Konstantin Niese, Kolinger Jessica, Marius Schütte und allen anderen Stiftern dieses Beitrags mittels Patreon, PayPal und Überweisung.

Fußnoten

  1. Gefährlich, weil es Menschen anhand ihrer Gruppenidentität (hier: Frauen) be- oder verurteilt.
  2. Ganz anders als in Restaurantküchen.

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