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Was sind Lektine?

Obwohl Lektine Teil unserer Ernährung sind und die Gesundheit beeinflussen, kennt die breite Öffentlichkeit sie kaum. Sollte uns dieses Unwissen beunruhigen oder ist in Ordnung, wenn sich nur Biologen und Lebensmittelchemiker damit auskennen?

Was sind Lektine?

Lektine sind Proteine (genauer: Glykoproteine). Sie kommen meist in Pflanzen vor, können jedoch auch tierischen Ursprungs sein. Man vermutet, sie haben sich als Verteidigungsmechanismen gegen Fraßfeinde entwickelt.1 Denn diejenigen Tiere, die sie in zu großen Mengen verzehren, würden daran sterben oder aus den unangenehmen Folgen lernen und in der Folge eher auf den Verzehr dieser Pflanzen verzichten. Lektine wären demnach eine Art natürliches Pestizid, das Pflanzen benutzen, um sich gegen den Verzehr zu wehren. Für die Konsumenten in der Nahrungskette sind sie Anti-Nährstoffe. Für den Menschen sind einige Lektine giftig.

Wie funktionieren Lektine?

Lektine binden sich an besondere Kohlenhydratstrukturen. Durch diese Bindungsfreudigkeit heften sich einige Lektine auch an die Darmwände besonders des Dünndarms und können ihn so beschädigen. Das beeinträchtigt die Fähigkeit zur Aufnahme anderer Nährstoffe, die dem Körper dann fehlen.2 Lektine können auch in den Blutkreislauf eintreten und weiter entfernte Organe erreichen. Das heißt: Der Darm kann undicht werden, es entsteht das sogenannte Sickerdarm-Syndrom (engl. Leaky-Gut-Syndrome). Dadurch können weitere Stoffe wie Nährstoffreste und Toxine in den Blutkreislauf gelangen.3

Strömen Lektine durch den Körper und heften sich an weitere Organe, wehrt sich der Organismus dagegen. Er greift die Lektine an – und mit ihnen auch gesundes Gewebe und Organe. Auf diese Weise können einige Autoimmunkrankheiten entstehen, zum Beispiel Multiple Sklerose. Auch Erkrankungen wie Arthritis, Morbus Crohn, Fibromyalgie, Reizmagen oder Schilddrüsenprobleme bringen Forscher heute mit Lektinen in Verbindung.4 Auch die Bauchspeicheldrüse kann auf diesem Weg bis zum Totalausfall Schaden nehmen mit Diabetes Typ-1 als Folge. Weiterhin erschweren einige Lektine die Verdauung anderer Nahrungsbestandteile, darunter Stärke.5

Das passiert nicht jedem: Menschen sind verschieden. Genetische und gesundheitlicht Bedingungen begünstigen die Anfälligkeit für diese hässliche Wirkung der Lektine.6

Doch es gibt auch Vorteile. Wissenschaftler haben ein Lektin aus Bananen extrahiert, das die Vermehrung des HIV-Virus verhindern könnte. Auch hier muss man also unterscheiden.7

Was kann man dagegen tun?

Lektine sind in vielen Pflanzen enthalten und man kann ihnen kaum aus dem Weg gehen. Das ist kein Grund zur Beunruhigung, denn die meisten Lektine sind harmlos.8 Die für den Menschen bedenklichen Lektine seien besonders enthalten in Getreide (vornehmlich Weizen) und Hülsenfrüchten (vornehmlich Soja).9 Laut Aussage einiger Ernährungsberater sei es daher sinnvoll, ganz auf diese Lebensmittel zu verzichten. Auch Nachtschattengewächse wie Kartoffeln, Tomaten oder Paprika und alle Folgeprodukte daraus enthalten Lekine in nennenswerten Mengen. Auch Milch kann davon betroffen sein.

Lektine sind verhältnismäßig widerstandsfähig gegen Verdauungsenzyme und Hitze. Erst Temperaturen oberhalb 75°C entschärfen Lektine zumindest teilweise. Weitere Techniken zum Entschärfen sind Fermentieren und Einweichen.10 Wer also auf Brot aus Getreide absolut nicht verzichten mag, sollte zu Sauerteigbrot greifen. Haferflocken und Hülsenfrüchte sollte man vor dem Verzehr grundsätzlich lange einweichen.

Wer bereits unter Verdauungsproblemen oder Autoimmunkrankheiten leidet, sollte auf jeden Fall ausprobieren, ob der absolute Verzicht auf Getreide und Hülsenfrüchte Linderung bringt.

Was tun?

  • Keine Panik: Die meisten Lektine im Essen sind harmlos.
  • Für Getreide und Hülsenfrüchte gilt (und galt schon immer): Sorgfältige Verarbeitung ist wichtig. Darunter Einweichen und fermentieren.
  • Wer sein Essen anständig kocht, zerstört die garstige Wirkung der meisten Lektine: Fünf Minuten kochen genügt.
  • Wer unter Verdauungsproblemen oder Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose leidet, sollte einige Wochen oder Monate auf Getreide, Hülsenfrüchte, Nachtschattengewächse (Tomaten, Kattoffeln, Paprika, Aubergine) und Milch verzichten. Das kann Linderung bringen und hat schon vielen geholfen. Schaden kann es auf keinen Fall.

Mehr Details über Lektine: Urgeschmack: Sind Lektine immer gefährlich?

Fußnoten

  1. W. J. Peumans and E. J. M. Van Damme, Prevalence, biological activity and genetic manipulation of lectins in foods, Volume 7, Issue 4, April 1996, Pages 132–138; Emma Wear, Wheat Chemicals Starve Insect Pests, Biology, Indiana Wesleyan University.
  2. Franco M. Lajolo & Maria Inés Genovese (2002) Nutritional Significance of Lectins and Enzyme Inhibitors from Legumes. J. Agric. Food Chem., 2002, 50 (22), pp 6592–6598.
  3. Rabia Hamid and Akbar Masood, 2009. Dietary Lectins as Disease Causing Toxicants. Pakistan Journal of Nutrition, 8: 293–303.
  4. Pedro Cuatrecasas and Guy P. E. Tell, Insulin-Like Activity of Concanavalin A and Wheat Germ Agglutinin—Direct Interactions with Insulin Receptors, Proc Natl Acad Sci U S A. 1973 February; 70(2): 485–489; Miyake K et al. (2007) Lectin-Based Food Poisoning: A New Mechanism of Protein Toxicity. PLoS ONE 2(8): e687; siehe auch Olschewski, Felix (2010) Ernährung und Multiple Sklerose. Urgeschmack.
  5. Rea, R.L. Thompson et al. (1985) Lectins in foods and their relation to starch digestibility. Nutrition research.
  6. David L J Freed, Allergist, Do dietary lectins cause disease?, BMJ. 1999 April 17; 318(7190): 1023–1024.
  7. Michael D. Swanson et al. (2010) A Lectin Isolated from Bananas Is a Potent Inhibitor of HIV Replication. The Journal of Biological Chemistry, March 19, 2010, 285, 8646–8655; siehe dazu Olschewski, Felix (2013) Lektine sind nicht immer gefährlich. Urgeschmack.
  8. Martin S. Nachbar & Joel D. Oppenheim (1980) Lectins in the United States diet: a survey of lectins in commonly consumed foods and a review of the literature. Am. J. Clin. Nutr. 33: 2338-2345, 1980; Jonathan M Rhodes (1999) Genetically modified foods and the Pusztai affair. BMJ. 1999 May 8; 318(7193): 1284.
  9. George Grant et al. (1983) A survey of the nutritional and haemagglutination properties of legume seeds generally available in the UK. British Journal of Nutrition (1983), 9, 207–214.
  10. Carmen Cuadrado et al. (2002) Effect of Natural Fermentation on the Lectin of Lentils Measured by Immunological Methods. Food and Agricultural Immunology, Volume 14, Issue 1 March 2002, pages 41–49.

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