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Ruiniert Fleisch das Klima?

Industrielle Rinderhaltung treibt den Klimawandel voran, denn die Mast der Tiere verursacht Treibhausgase. Viele Veganer und Naturfreunde fordern deswegen: Wir müssen jegliche Rinderhaltung umgehend beenden. Das bedeutet: Sofort alle Rinder töten und Tierhaltung aufgeben. In der Konsequenz müssten wir wenigstens auch alle Grasfresserherden Afrikas, Asiens und Nordamerikas auslöschen, denn auch sie stoßen klimawirksame Gase aus. Keine Gnus mehr, keine Antilopen und Zebras, Kudus und Büffel. Krokodile verhungerten; mit ihnen Löwen und Geparden. Sie wären das mit dem Bade ausgeschüttete Kind. Und wer wollte die armen Katzen schon in einen gefüllten Badezuber setzen?

Ziehen wir also besser eine Grenze zwischen dem Wunsch der Klimarettung und dem Katzenmassenmord. Was wollen wir eigentlich? Treibhausgase reduzieren. Das geht auf zwei Wegen: Weniger solcher Gase produzieren oder mehr davon aus der Atmosphäre entfernen. Am besten beides.

Viehhaltung ist für drei Prozent der von Menschen verursachten Treibhausgase verantwortlich.1 Woher genau kommen diese Gase? Die Tiere selbst stoßen sie aus; der größte Teil stammt jedoch aus der Futterproduktion: Anbau, Dünger, Transport belasten die Klimabilanz der Viehzucht.

Aha. Die Rinder selbst sind nicht schuld, sondern überwiegend erwärmt die Erzeugung der Futtermittel den Planeten. Das Problem liegt im Modell der industriellen Intensivtierhaltung. Kann man Tiere halten, ohne das Klima zu bedrohen? Irgendwie muss das ja gehen; Billionen Tiere bewohnten die Erde schon lange vor dem Menschen und auch rückblickend werfen wir ihnen nicht vor, sie hätten den Eisbären die Arktis verheizt.

Natürlich sind Tiere – auch Rinder – nicht Schuld am Klimawandel. Rinder müssen kein Getreide futtern. Sie sollten es auch nicht, wenn sie gesund bleiben wollen.2 Füttern wir den Tieren kein Getreide mehr, entfällt der größte Teil auf der Habenseite ihres Klimagaskontos. Damit erreichen wir bereits unsere Absicht: Treibhausgase reduzieren.

Ist das alles? Einfach nur möglichst wenig Schaden anrichten: Damit kommt man nicht weit. Ein Ökosystem blüht nicht, weil die Tiere und Pflanzen darin möglichst wenig essen; sondern alle Bestandteile stecken ihre gesamte Energie in das eigene Überleben und die Fortpflanzung. Dabei produzieren sie Überfluss: des einen Abfall ist des anderen Futter. Tierkot ist ein Festmahl für Bodenlebewesen und damit essenziell für Pflanzen, welche ihrerseits Tiere nähren. Es bildet sich eine Gemeinschaft aus Zweckbeziehungen. Können wir das mit der Tierhaltung auch schaffen?

Imitieren wir ein erfolgreiches Ökosystem und stellen Rinder auf Grasland: Die Tiere fressen nun kein Getreide mehr, verspeisen stattdessen Gräser und Kräuter. Sie sind wieder Teil ihres natürlichen Lebensraumes und nutzen das Grasland, um daraus mehr Tiere zu erschaffen, die dann wieder Raubtiere – oder Menschen – ernähren. Wiederkäuer entstanden in Co-Evolution mit Gräsern. Grasfresser brauchen Grasland. Und Grasland braucht Grasfresser, sonst verbuscht und verwaldet es; die Gräser und Kräuter stürben und mit ihnen der Lebensraum. Damit verlöre dieses Ökosystem seine einzigartige Stärke: sein Speicherpotenzial für Kohlenstoff.

Der Verbund aus Rind und Weide, Grasfresser und Grasland, baut Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre ab und speichert den Kohlenstoff im Boden. Rinder in Weidehaltung bremsen den Klimawandel, pflegen den Lebensraum Grasland, erhöhen die Bodenfruchtbarkeit und erzeugen Nahrungsmittel.

Der Großteil des Kohlenstoffs gelangt durch Pflanzen in die Böden. Sie nehmen Kohlenstoffdioxid auf und bilden daraus Blatt- und Wurzelmasse. Fressen Tiere das Gras, stirbt ein Teil der Wurzeln und ihr Kohlenstoff verbleibt im Boden und bereichert den Humus. Das Grasland wächst mit Hilfe der Grasfresser stetig, speichert Kohlenstoff und gewinnt Fruchtbarkeit. Auf der Fläche von eineinhalb Fußballfeldern speichert die Beweidung jährlich eine Tonne Kohlenstoff.3 So entstanden einige der weltweit furchtbarsten Böden, darunter die amerikanischen Great Plains, geformt von vierzig bis fünfzig Millionen Bisons.

Nun verursachen wir weniger klimawirksame Gase und entfernen sie obendrein aus der Atmosphäre; die Tiere fühlen sich besser; wir pflegen den Lebensraum Grasland; erhöhen die Bodenfruchtbarkeit; und wir erzeugen Lebensmittel. Wir verwalten das Ökosystem nachhaltig zum allgemein besten Nutzen. Nicht weniger sollten wir anstreben.

Große und kleine Katzen atmen auf: Fleischessen ist nicht schlecht fürs Klima. Auch Tierhaltung schadet der Umwelt nicht grundsätzlich. Probleme bereitet allerdings die industrielle Intensivtierhaltung und die Erzeugung praktisch der gesamten Fleischwaren im Supermarkt, Bio-Fleisch regelmäßig eingeschlossen. Wer solches Fleisch isst, treibt den Klimawandel aktiv voran und beraubt die Natur und sich selbst.

Klimapflege, Bodenfruchtbarkeit, blühendes Tierleben: Das gelingt nur, wenn wir Tiere beharrlich auf der Weide hüten und das Ökosystem klug verwalten. Mit der Natur arbeiten, nicht gegen sie: Immer mehr Landwirte machen das; nicht allen gelingt es vollständig, doch auch sie haben sich wenigstens abgekehrt vom Raubbau des Industriesystems.

Wer auf Fleisch nicht verzichten will, muss diese Alternative für die Zukunft mit aufbauen, wenn ihm Klima, Umwelt, Tiere und die Zukunft seiner Kinder am Herzen liegen. Ein Landwirt kann nur erzeugen, was man ihm abkauft.

Überall auf der Welt, auch in Deutschland, arbeiten solche Landwirte an einer besseren Zukunft. Mitmachen können Sie, indem Sie Ihr Fleisch nur noch dort kaufen. Es gibt immer Aspekte, die man verbessern kann. Sprechen Sie darüber und arbeiten Sie gemeinsam daran. Schaffen Sie ein produktives Ökosystem mit Ihrem Landwirt.

Alles über Weidefleisch erfahren Sie hier: weidefleisch.org

Fußnoten

  1. Maurice E. Pitesky et al. Chapter 1 – Clearing the Air: Livestocks Contribution to Climate Change. Advances in Agronomy Volume 103, 2009, Pages 1 – 40. Die zuvor von der FAO herausgegebene Zahl von achtzehn Prozent war falsch, siehe auch BBC News: UN body to look at meat and climate link (24. März 2010)
  2. Mehr dazu unter weidefleisch.org/tierwohl.
  3. Beweidung führt an neun Graslandstandorten in Europa durchschnittlich zu einer zusätzlichen Tonne Kohlenstoff pro Hektar und Jahr in Boden, siehe auch J.F. Soussana et al. Full accounting of the greenhouse gas (CO2, N2O, CH4) budget of nine European grassland sites. Agriculture, Ecosystems and Environment 121 (2007) 121–134. 18 Jan 2007.

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