Schlafstörungen und Schlafmangel zermürben auf Dauer nicht nur das fröhlichste Gemüt. Wer zu wenig Schlaf bekommt, erfährt auf vielen Wegen Schwächungen seines Körpers: Immunsystem, Hormonsystem, körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, psychische Gesundheit leiden. Das Risiko für vielzählige Erkrankungen steigt durch Schlafmangel, darunter Stoffwechselerkrankungen und ihre Folgen, Krebs und Depression. In diesem Artikel stelle ich eine Werkzeugkiste für guten Schlaf und gute Schlafgewohnheiten vor.
Vielen ist die Wichtigkeit guten Schlafs nicht bewusst, so auch die Tatsache, dass ein Erwachsener täglich sieben bis neun Stunden schlafen sollte. Wer von Schlafstörungen oder schlechter Schlafqualität betroffen ist, kann häufig die Ursache nicht ausmachen. Die meisten der folgenden Werkzeuge dienen der Kontrolle der zirkadianen Rhythmik. Diese Reihe von inneren Uhren ist die Grundlage für erholsamen Schlaf.
Dabei taucht wiederholt der Begriff Schlafqualität auf. Einfach nur bewusstlos ins Bett fallen, etwa nach einem alkoholreichen Abend, ist kein guter Schlaf. Der Begriff Schlafqualität bezieht sich auf die objektiv messbare Erholsamkeit des Schlafs.
Da ich seit über zehn Jahren selbst unter Schlafstörungen leide, habe ich mich von der Wirksamkeit jedes einzelnen dieser Werkzeuge überzeugen können. In diesem Artikel stütze ich mich überwiegend auf die Arbeit von Dr. Andrew Huberman und Dr. Matthew Walker. Zugunsten der Kürze erkläre ich die Mechanismen nicht. Wer mehr über die Funktionsweise der Werkzeuge erfahren möchte, findet Quellen am Ende des Artikels.
Schlafstörungen und schlechte Schlafqualität können verschiedenste Ursachen haben. Die folgenden Werkzeuge sind ein Grundstock, der für alle Menschen gilt; sie beruhen auf unserer Biologie und sind auch wissenschaftlich bestens belegt. Ideal wäre, wenn man all diese Werkzeuge jeden Tag beachtet und einsetzt. Die wenigsten Menschen wollen das leisten. Es gilt: Je mehr und je häufiger desto besser.
Nicht alle möglichen Ursachen von Schlafstörungen lassen sich mit den folgenden Werkzeugen für Schlafhygiene beheben. Das ist ein Grund mehr, möglichst viele dieser Tipps anzuwenden: So kann man aus seinen wenigen Stunden Schlaf das Optimum herausholen.
Licht und Dunkelheit
Bade deine Augen binnen 30 bis 60 Minuten nach dem Aufstehen in Sonnenlicht. Nach Möglichkeit draußen, nur in Ausnahmefällen durch ein Fenster. An klaren Tagen für 5 Minuten; an bewölkten Tagen für 10 Minuten; an sehr verhangenen Tagen 20 bis 30 Minuten. Trage dabei keine Sonnenbrille. Gibt es wirklich gar kein Licht, nutze künstliches Licht wie Tageslichtlampen oder Ringlichter. Diese Praxis weckt deine zirkadiane Rhythmik. Befolge dies an wenigstens 80 % der Tage. Es dient deinem Stoffwechsel und begünstigt deine Cortisol-, Melatonin- und Adenosin-Spiegel.
Wiederhole dies am späten Nachmittag vor dem Sonnenuntergang. Die Lichttemperatur bei Sonnenuntergang signalisiert deinem Körper das Ende des Tages. Tageslicht bzw. Sonnenlicht spät am Tag schützt obendrein ein wenig gegen die negative Wirkung von Kunstlicht am Abend. Die Signalunterschiede des Sonnenlichts zwischen morgens und abends rühren von unterschiedlichen Wellenlängen des Lichts.
Nutze nach Sonnenuntergang keine hellen künstlichen Lichter jeglicher Farbe. Dimme das Licht möglichst dunkel. Nutze statt Deckenbeleuchtung solche Lampen, die niedrig und nah am Boden stehen. Das kommt dem optischen Mechanismus der Lichtwahrnehmung entgegen. Nutze allgemein möglichst wenig Licht. Mond- oder Kerzenlicht sind die beste Lösung. Helles, künstliches Licht zum Beispiel auch von Fernsehern, Monitoren und Smartphones senkt deine Melatoninspiegel und damit deine Schläfrigkeit.
Temperatur
Deine Körpertemperatur ändert sich im Tagesverlauf. Von Natur aus steigt die Körpertemperatur morgens mit dem Aufstehen bis zum Nachmittag und sinkt zur Nacht bis zum Minimum zwei Stunden vor deiner regulären Aufwachzeit. Diesen Verlauf sollte man unterstützen. Beachte dazu auch die Hinweise im Abschnitt Bewegung.
Dusche oder bade nach dem Aufwachen für ein bis drei Minuten in kaltem Wasser. Das löst einen Adrenalinausstoß aus und es erhöht deine Körpertemperatur denn dein Körper gleicht den Kälteschock aus. Es erhöht auch den Dopaminspiegel.
Erhöhe deine Körpertemperatur auch durch ein Workout binnen einer Stunde nach dem Aufwachen.
Im Gegensatz dazu hilft dir am Abend eine lange, heiße Dusche oder Bad beim senken der Körpertemperatur, denn durch die Weitung der Blutgefäße an der Oberfläche sinkt deine Kerntemperatur.
Das Schlafzimmer sollte rund 3°C kühler als die übliche Zimmertemperatur ein, als ideal gilt eine Temperatur von 16 bis 18°C. Sinnvoll könnte sein: Mehrere Decken benutzen und wenn es zu warm wird nachts eine oder mehr Schichten entfernen. Die kühle Umgebung erlaubt dem Körper im Schlaf das Abkühlen, indem er eine Hand oder Fuß unter der Decke heraussteckt. Trage daher besser keine Socken. Zu hohe Körpertemperatur ist ein häufiger Grund für nächtliches Aufwachen.
Bewegung
Lege ein Workout idealerweise innerhalb einer Stunde nach dem Aufwachen ein. Es erhöht deine Körpertemperatur, stellt deine zirkadiane Uhr und unterstützt dadurch einen guten Schlafrhythmus.
Durch ein Workout zu spät am Tag kann die erhöhte Körpertemperatur deine zirkadiane Uhr so beeinflussen, dass du eher später einschläfst. Zwischen einem Workout und deiner Schlafenszeit sollten deswegen wenigstens sechs Stunden liegen. Ist dir das nicht möglich, könntest du eine lange, heiße Dusche zur Senkung der Körpertemperatur nutzen (siehe Abschnitt Temperatur).
Koffein
Wenn du Koffein konsumierst: Trinke Kaffe frühestens 90 bis 120 Minuten nach dem Aufwachen. Ideal ist der Zeitpunkt nach der morgendlichen Routine aus Licht, kaltem Wasser und Bewegung. Durch diese Verzögerung vermeidest du die Nachmittagsmüdigkeit.
Koffein hat eine Halbwertszeit von fünf bis sechs Stunden. Nach rund zwölf Stunden kursiert also noch immer ein Viertel des Koffeins durch deinen Körper. Meide daher Koffein spätestens 8 bis 10 Stunden vor dem Schlafengehen. Koffein mindert die Schlafqualität, auch wenn du gefühlt gut einschlafen kannst. Gehst du um 22 Uhr schlafen, trinke deinen letzten Kaffee (oder Energy Drink) um 10 Uhr.
Ernährung
Essen früh am Tag erhöht die Aufmerksamkeit und stellt die zirkadiane Uhr. Aber: Eine große Mahlzeit macht müde.
Iss deine letzte Mahlzeit des Tages möglichst spätestens drei bis vier Stunden vor dem Schlafgehen. Iss genug, damit du nachts keinen Hunger bekommst.
Auch und besonders bei den Mahlzeiten ist Regelmäßigkeit wichtig.
Iss grundsätzlich reichlich Gemüse und versorge dich mit allen wichtigen Nährstoffen.
Drogen
Alkohol und Cannabis mindern die Schlafqualität. Das Einschlafen mag durch diese Drogen leichter scheinen, aber die Erholsamkeit des Schlafs ist deutlich schlechter. Das gleiche gilt für die meisten Schlaftabletten.
Nickerchen
Wenn du Tagsüber ein Nickerchen einlegst, schlaf nicht zu spät und nicht zu lang (maximal 90 Minuten), damit es nicht deinen nächtlichen Schlaf beeinträchtigt. Nutze anstelle des Nickerchens gegebenenfalls Meditation, Selbsthypnose oder Yoga Nidra (sog. NSDR).
Nahrungsergänzungsmittel
Vor dem Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln sollte grundsätzlich eine Prüfung und gegebenenfalls Änderung aller relevanten Verhaltensweisen stehen. Erst wenn die Schlafhygiene in den Punkten Licht und Dunkelheit, Temperatur, Bewegung, Ernährung und Drogen stimmt, ist der Einsatz der folgenden Hilfsmittel sinnvoll.
Diese Nahrungsergänzungsmittel unterstützen das Einschlafen und Durchschlafen bei täglicher Einnahme abends 30 bis 60 Minuten vor dem Schlafengehen:
- 145mg Magnesium Threonat,
- 50mg Apigenin (Wirkstoff aus Kamille),
- 100 – 400mg Theanin bzw. L-Theanin (ein beruhigender Wirkstoff aus grünem Tee).
Verzichte auf Zugabe von Melatonin in jeglicher Form. Melatonin beeinflusst eine ganze Reihe anderer Systeme und Hormone im Körper. Es steht unter anderem in Verdacht, bei Kindern bzw. Jugendlichen die Pubertät zu verzögern. Hinzu kommt, dass häufig die tatsächliche Wirkstoffmenge von der Angabe auf der Verpackung stark abweicht: Von 15 Prozent bis hin zum Vielfachen der angegebenen Dosis. Daher besteht ein großes Risiko negativer Nebenwirkungen durch Melatonin-Ergänzungen.
Zusätzlich zu den oben genannten Mitteln haben sich anekdotisch diese Ergänzungen als hilfreich beim Durchschlafen erwiesen:
Jeden zweiten Tag 30 bis 60 Minuten vor dem Schlafengehen:
- 2g Glycin
- 100mg GABA
Im Wechsel mit:
- 900mg Myo-Inositol
Weitere Schlaf-Hilfsmittel
Eine Augenmaske hilft in vielen Fällen und ergibt sinn in zu hellen Räumen. Sie sollte weder zu eng sitzen, noch zu groß sein, damit sie die Temperaturwahrnehmung über die Kopfhaut nicht beeinträchtigt.
Ohrenstöpsel helfen täglich vielen hellhörigen Menschen beim Schlafen. Wer sie tragen mag, dem Schaden sie nicht.
Einigen Menschen hilft es, die Füße höher zu lagern, etwa auf einem Kissen (Neigung 3 bis 5°). Das kann die glymphatische Reinigung begünstigen. Schwangere und Menschen mit Gefäßproblemen sollten darauf verzichten.
Atmung
Schlafapnoe ist eine ernstzunehmende Atemstörung während der Nacht. Sie mindert nicht nur die Schlafqualität, sondern erhöht die Anfälligkeit für schwerwiegende Folgeerkrankungen. Prüfe, ob du betroffen bist. Eine häufig erfolgreiche Therapie heißt CPAP.
Bemühe dich um Nasenatmung. Einige Menschen kleben sich dazu mit medizinischem Klebenband den Mund zu. Genügt dir der Luftfluss durch die Nase nicht, kannst du ihn durch Training verbessern: Die Atemwege sind plastisch, lassen sich also weiten. Der Luftfluss durch die Nase lässt sich trainieren durch Ausdauertraining mit geschlossenem Mund (auch hier bietet sich gegebebenfalls das Zukleben während des Trainings an).
Regelmäßigkeit
Der Mensch ist wie jedes andere Tier wirklich ein Gewohnheitstier: Für optimale Funktion benötigt unser System Routine. Guter Schlaf benötigt Regelmäßigkeit in den Gewohnheiten. Wer am Wochenende länger schläft oder länger wach bleibt, setzt seinen Körper einer ähnlichen Belastung aus wie die Arbeit in Wechselschicht. Verschiebe deinen Schlafrhythmus nicht um mehr als eine Stunde.
Quellen:
- Sleep Toolkit: Tools for Optimizing Sleep & Sleep-Wake Timing | Huberman Lab Podcast #84
- Sleep Foundation – Better Sleep for a Better You