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Der wahre Wasserverbrauch von Fleisch

Wasserverbrauch eines Schottischen HochlandrindesZehntausend! Nein, fünfzehn­tausend! Nein, fünfund­­zwanzig­­tausend Liter! Der Wasserverbrauch bei der Produktion eines Kilogramms Rind­fleisch ist ein häufiges Argument hysterischer Fleisch­feinde und wohlmeinender, aber schlecht informierter Umweltschützer. Ob dieses vermeintliche Argument gegen Fleisch­verzehr motiviert ist durch blinde Ideologie oder aufrichtige Versuche des Umwelt­schutzes, ändert nichts am Wahrheits­gehalt. Fünfzehn­tausend Liter. Statt diese Menge durch Badewannen greifbar zu machen, visuali­sieren wir gleichermaßen hilfreich das Volumen von 79.787 Goldhamstern1.

Verbraucht Fleischproduktion wirklich so viel Wasser?

Die einfache Antwort lautet nein. Tatsächlich verbraucht die Fleisch­produktion gar kein Wasser. Das Wasser verschwindet schließlich nicht, sondern befindet sich weiter­hin im Stoffkreislauf. Das ist die Natur unserer Welt. Nichts verschwindet wirklich, sondern es steckt in Kreisläufen. Auch CO2 entsteht bei der Verbrennung von Kohle nicht einfach aus dem Nichts. Sondern es war zuvor in Form fossiler Brennstoffe im Boden gespei­chert. Das CO2 aus der Luft bauen Pflanzen letztlich wieder zu Kohlen­stoff um, welches über Millionen Jahre wieder fossi­li­sie­ren kann. Das ist ein sehr langsamer Kreislauf. Zu langsam, um mit unserem aktuellen Energie­verbrauch fertig­zuwerden. Es kommt zum Stau, CO2 reichert sich in der Atmosphäre an.

Einen Wasserverbrauch gibt es also nicht, doch durch unsere Nutzung des Wassers nimmt es Umwege, die seinen Weg vor der Rückkehr in die Verfüg­barkeit verlängern. Wenn wir zur Herstellung eines Produktes Wasser verwenden, dann ist das ungefähr so, als würden wir bei Regen einen Eimer nach draußen stellen und das Wasser an der direkten Rückkehr in den Boden hindern. Da das Wasser weiter besteht, gibt es keinen Verbrauch, nur einen Umweg durch Verwendung. Solange die Gesamtmenge des Wassers ausreicht, können wir es benutzen. Probleme können regional entstehen, wenn wir Wasser transpor­tieren. Etwa in Form von Tomaten aus Südspanien nach Deutschland. Auch das ist kein Verbrauch, aber es entfernt Wasser aus dem lokalen Wasser­sys­tem.

Die Frage ist also irreführend. Fleischproduktion verbraucht gar kein Wasser.

Bevor sich die zu erwartende Frage nach der Wasserverwendung anschließt, folgt eine zweite Klärung. Es gibt kein Fleisch:

Viele Menschen neigen zur ungezügelten Vereinfachung der Welt. Schubladen­denken, Pauscha­lisierung und Mittelwerte sind ihre liebsten Werkzeuge. Sie sprechen von guten und schlechten Lebensmitteln, teilen Menschen in Gruppen ein und werten sie anhand des Durch­schnitts. Für sie ist Fleisch immer gleich Fleisch. Ganz gleich von welcher Tierart es stammt oder wie dieses Tier gelebt hat. Sie schauen (bestenfalls) in Tabellen und kommen zu dem Schluss: Ein Kilogramm Fleisch verbraucht 15.415 Liter Wasser. Das ist allerdings, als würde man die 52 weißen und 36 schwarzen Tasten eines Klaviers als durchschni­ttlich 44 Tasten zusammen­fassen. Das hat so viel mit der Realität zu tun wie die moderne Familie mit 1,47 Kindern.

Der Wasserbedarf oder die Wasserverwendung für die Produktion von Fleisch variiert je nach Tierart und Produktionsmethode. Ein Durchschnittswert wie 15.415 l/kg ist daher nutzlos zur Bewertung der Nachhaltigkeit. Woher stammt diese Zahl überhaupt?

Fünfzehntausend Liter für ein Kilogramm Fleisch. Das klingt unglaublich. Sicher trinkt das Rind in seinem ganzen Leben nicht so viel. Zur Berechnung dieses Wasser­auf­wandes betrachten Forscher wie Mesfin Mekonnen und Professor Arjen Hoekstra den gesamten Lebenszyklus des Rindes, also auch dessen Futter2. Frisst das Tier Getreide, kalkulieren sie auch dessen Wasserbedarf ein. Dr. David Pimentel von der Cornell Universität setzt dazu 1.000 Liter Wasser für die Erzeugung eines Kilos Getreide an und kommt in der Folge sogar auf 43.000 Liter Wasser für ein Kilo Rindfleisch.

Das geht ihm allerdings nicht weit genug und bei Rindern in Weidehaltung erklärt er einen Verbrauch von 120.000 bis 200.000 Litern pro Kilogramm Fleisch3. Eine Zahl, mit deren Nutzung als Argument gegen Fleischverzehr wohl sogar manch aggressiv-militanter Veganismus­propagandist seine Probleme hätte; und sei es nur, weil ihre Quelle auch dem Getreideanbau nicht gerade schmeichelt.

Wir haben uns nun um mehr als den Faktor zehn vom verbreiteten Mittelwert des Wasserverbrauchs von Fleisch entfernt. Das ist eine ganze Größenordnung, über die sich die offiziellen Studien im Namen der Wissenschaft uneins sind. Mit Doktortitel und Professur und Universitäten im Rücken. Spätestens jetzt sollte klar sein: mit den Zahlen kann etwas nicht stimmen.

Pimentel berechnet jegliches Wasser, das mit der Produktion zu tun hat. Steht das Tier auf Weideland, veranschlagt er eben auch den Regen, der auf diese Fläche fällt. Dass der Regen dort auch ohne Tier fällt, spielt für ihn keine Rolle. Genauso der Umstand, dass etwaiges Regenwasser als Trinkwasser für das Tier auf recht kurzem Wege über dessen Urin, gefiltert durch den Boden, direkt wieder ins verfügbare Grundwasser zurückkehrt. Was Pimentel als Verbrauch verkauft, ist tatsächlich bestenfalls eine Dar­stell­ung des Kreis­lauf­durch­satzes. Wer eine so ermittelte Zahl verwendet, um dem Käufer eines Pfundes Rindfleisch ökologische Unverantwortlichkeit vorzuwerfen, ist ein Narr.

Ein Rind, das ganzjährig auf der Weide steht, Gras frisst und Regenwasser trinkt, ver­braucht nicht nur kein Wasser, sondern es verlängert auch den Wasserkreislauf nur minimal. Es hat praktisch keinen Einfluss auf das verfügbare Grundwasser. Sonst müss­ten wir in wasserarmen Gegenden Afrikas umgehend alle Wildtiere erlegen, um die Wasserversorgung der Menschen sicherzustellen.

Die kursierenden Zahlen sind also grundsätzlich mit Vorsicht zu betrachten. Ist also gar nichts dran am Wasserbedarf des Fleischs? Gehen wir von einem Problem mit unserem verfügbaren Grund- und Trinkwasser aus. Wenn sich zu viel Wasser im lang­samen Umlauf befindet, sich zum Beispiel in der Aufbereitung in Kläranlagen staut, dann sollten wir wirklich achtgeben auf unsere Wasserverwendung. Denn wenn der Wasserbedarf der Lebensmittelproduktion zu groß ist, fehlt das Wasser andern­orts. Dass Wassermangel nur ein temporäres Problem ist, kümmert den Verdurstenden nämlich nicht.

Wasserverbrauch und Lebensmittel: Nicht nur Tiere brauchen Wasser

Schauen wir uns daher die von National Geographic zitierten Daten des Water Foot­print Net­works4. Die Weichen ab von den tatsächlichen Zahlen auf der Website des Water Foot­print Network. Aber welche Rolle spielt das schon bei dieser Dis­kus­sion, wenn bereits die Prämisse Unfug ist? Dort gibt es auch Vergleiche verschiedener Produkte. Etwa einen Pro-Kilo-Wasser­verbrauch von 960 l für Ziegen­fleisch und 5000 l für Hirse – in beiden Fällen ist von der industrieüblichen Produk­tions­methode auszugehen.

Für das tugendhafte Getreide sieht es schlecht aus, denn sein Wasserverbrauch ist höher. Ist Ziegenfleisch tatsächlich das effizientere Lebensmittel? Ein Kilo Hirse ent­hält 3780 kcal, die gleiche Menge Ziegenfleisch hingegen 1090 kcal. Umgerechnet auf den Wasser­verbrauch liefert Hirse 0,756 kcal/l, Ziegenfleisch hingegen 1,135 kcal/l5, 6. Das Fleisch der Ziege wäre hinsichtlich des Wasserverbrauchs aus dieser Sicht die bessere Wahl für nachhaltige Ernährung. Vorausgesetzt, die zugrunde­liegenden Zahlen stimmen – was unwahr­schein­lich ist. Und basierend auf der Annahme, es gäbe einen einfach zu bezif­fernden Verbrauch oder Bedarf – was nicht der Fall ist. Dafür sind die jeweils lokalen Bedin­gun­gen und Prozesse zu verschieden.

Ist es also nachhaltig und ökologisch verantwortlich, viel Fleisch zu essen? Absolut nicht, denn es gilt nach wie vor: Es gibt kein Fleisch. Die industrielle Intensiv­tier­hal­tung blockiert nicht nur die genannte Wassermenge und belegt Flächen, sondern sie verursacht auch Treibhausgase, darunter CO2, Methan und Lachgas (durch die Futter­mittel­produktion7). Und der Klimawandel kommt nicht, sondern er ist längst da. Der Verzicht auf jedes Stück Fleisch aus indus­tri­eller Tierhaltung ist daher eine exzel­lente Wahl (natürlich gibt es noch ein Dutzend weiterer guter Gründe). Wer sich über Unwetter wie in Baden-Württemberg und anderen Regionen in 2016 beschwert, sollte keinen Burger bei McDonalds oder Billigfleisch vom Discounter kaufen. Jedes Gramm zählt8.

Auch bei Weidehaltung sollte man differenzieren und sich die Modelle genau an­schauen. Es gibt auch hier Möglichkeiten zur Umweltbeschädigung und nicht jede Weidehaltung läuft so optimal, dass sie netto CO2 reduziert, wie Joel Salatin und Alan Savory das demonstrieren9, 10.

Die Diskussion über den Wasserverbrauch können wir allerdings beenden oder wenigstens in zielführende Bahnen lenken. Fleisch verbraucht kein Wasser. Niemand verbraucht Wasser. Und die Zahlen für den Bedarf sind überwiegend falsch. Wer auf Basis solcher Daten eine einfache Argumentation für oder wider ein be­stimm­tes Lebens­mittel aufbaut, beweist nach­lässige Recherche und mangelndes Ver­ständ­nis von Stoff­kreis­läu­fen. Er produziert nichts als heiße Luft – und trägt damit zur globalen Erwärmung nur bei.

Weiterführende Informationen

Fußnoten

  1. Ausgehend von einer durch­schnitt­lichen Gold­hamster­größe von 15 cm Länge und 2 cm Radius und voraus­ge­setzt, man schichtet und stapelt die bewe­gungs­losen Tiere optimal. [^]
  2. Mekonnen, Hoekstra (2012) A Global Assessment of the Water Footprint of Farm Animal Products. Ecosystems (2012) 15: 401–415 [^]
  3. Pimentel, David et al (2004) Water Resources: Agricultural and Environmental Issues. Bioscience 54 (10): 909–18 [^]
  4. National Geographic: The Hidden Water We Use [^]
  5. Nutritiondata: Millet, raw Nutrition Facts & Calories (17. August 2016) [^]
  6. Nutritiondata: Goat, raw Nutrition Facts & Calories (17. August 2016) [^]
  7. Lachgas, also Distickstoffmonoxid, ist als Klimagas um ein Viel­faches wirk­samer als CO211. Es ent­steht in diesem Fall durch die Düngung des Getreides. Spannend ist: Das wirkt nicht zwin­gend negativ auf den Treibhauseffekt12. [^]
  8. Viehzucht ist nicht für 18% des weltweit durch Menschen verursachten Treibhausgase ver­ant­wort­lich. Die seit 2006 häufig zitierte Zahl ist falsch13, wie auch ein Autor der damaligen Studie ein­ge­steht14. Tatsächlich ist der Trans­port­sektor wohl die größere Treib­haus­gas­quelle. Das än­dert nichts am unnötigen Treib­haus­gas­aus­stoß der indus­tri­ellen Intensivtier­haltung. Ange­sichts der anste­henden Probleme zählt jede Entlastung. Statt mit dem Auto zum Drive-Through bietet sich daher der Weg mit dem Fahrrad zum Wochen­markt an. [^]
  9. Cows, Carbon and Climate | Joel Salatin | TEDxCharlottesville (14. Januar 2016) [^]
  10. Allan Savory: How to green the world’s deserts and reverse climate change (4. März 2013) [^]
  11. Umweltbundesamt: Lachgas und Methan (2. September 2014) [^]
  12. Max-Planck-Gesellschaft: Stickstoff-Dünger spielt beim Klimawandel eine Doppelrolle (3. August 2011) [^]
  13. Maurice E. Pitesky et al. (2009) Chapter 1 – Clearing the Air: Livestock’s Contribution to Climate Change. Advances in Agronomy Volume 103, 2009, Pages 1–40 [^]
  14. BBC News: UN body to look at meat and climate link (24. März 2010) [^]

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