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Was ist so schlimm an Aquakulturen?

Verursacht die Aquakultur Umweltprobleme?

Aqua. Wasser. Das klingt rein und frisch. Kultur. Kultur ist vieldeutig, ruft oft Gefühle der Erhabenheit hervor, etwa kultiviert genießen. Kunst sei das Produkt unserer Kultur. Da kann doch Aquakultur nur etwas positives, etwas reines sein? Besonders dann, wenn dadurch die Wildbestände unserer Fische geschützt werden. Von Schutz kann jedoch keine Rede sein.

Aquakultur ist Massentierhaltung unter Wasser

Die Weltmeere gelten als überfischt, die Bestände als bedroht und Wildfisch sowieso als schadstoffbelastet. Ist da der Griff zu Fisch aus Aquakultur nicht die beste Wahl? Offenbar nicht:

1. Umweltbelastung

Wie in jeder intensiven Tierhaltung entsteht auch in Aquakulturen sehr viel Abfall. Unnatürlich viele Fische werden auf engstem Raum gehalten und dieser Raum bewegt sich anders als die Reisepläne der Fische in freier Wildbahn nicht. Die Folge sind große Mengen Fäkalien und Futterreste, die die Meere und Flüsse regional überdüngen. Durch die hohen Besatzdichten ist die Seuchenanfälligkeit größer, daher kommen Antibiotika und andere Medikamente zum Einsatz, deren Rückstände ebenfalls eine Belastung der Gewässer darstellen.

2. Zerstörung von Ökosystemen

Der Bau der Aquakulturen nimmt Raum ein und dies findet vorwiegend in Küstenregionen statt. Dort verdrängen sie jedoch einmalige, wichtige Ökosysteme wie Mangrovenwälder. Darüber hinaus leiden auch naheliegende Lebensräume unter der entstehenden Umweltbelastung. Auch Krankheitserreger übertragen sich regelmäßig aus Fischfarmen auf Wildfische.

3. Keine Artgerechte Haltung

Aquakultur ist Massentierhaltung unter Wasser. Fische sind eher stumme Zeitgenossen und ihr Leid ist für den Menschen weniger offensichtlich als das von Säugetieren, doch das macht es nicht weniger real. Die Haltung in Aquakulturen ist nicht artgerecht sondern unterscheidet sich drastisch vom Leben der Tiere in Freiheit. Wir können also davon ausgehen, dass ihnen dieses Leben Stress bereitet. Die regelmäßig ausbrechenden Krankheiten sind guter Indikator dafür, dass hier etwas nicht in Ordnung sein kann.

4. Minderwertiges Produkt

Fisch aus Aquakultur ist Wildfisch ernährungsphysiologisch unterlegen. Er enthält bis zu fünf Mal mehr Fett als wilder Fisch, sein Anteil an Omega-6-Fettsäuren ist dabei signifikant höher. Das bedeutet auch: Pro Portion enthält Fisch aus Aquakultur weniger Protein. Farmfisch ist belastet mit Antibiotika- und anderen Medikamentenrückständen und ihm wurden und/oder werden synthetische Farbstoffe gefüttert, um seine Fleischfarbe zu verändern. Auch die übliche Schadstoffbelastung (z.B. PCB) in Meeresbewohnern ist in Tieren aus Aquakultur größer. Demnach ist Fisch aus Aquakultur mit Blick auf die Schadstoffbelastung keinesfalls besser als Fisch aus Wildfang. Anders kann (!) das aussehen bei Bio-Ware.

5. Bedrohung der Wildbestände

Aus den Aquakulturen ausgebrochene Tiere tragen nicht nur Krankheitserreger in Wildpopulationen, sondern auch fremdes Genmaterial. Für die Zucht wurden sie speziell für schnelles Wachstum selektiert und es zeigt sich wiederholt, dass sie in freier Wildbahn sehr aggressiv mit ihren wilden Artgenossen konkurrieren. Auch werden viele Fischarten in Regionen gezüchtet, in denen sie nicht heimisch sind. So können ausgebrochene Fische als Neozoen das ökologische Gleichgewicht nachhaltig stören. Darüber hinaus dienen zur Fütterung der Farmfische Fischmehl und andere Fische, deren Bestände dabei oftmals nicht nachhaltig befischt werden. Für 1kg Lachs werden rund 4kg Fischeiweiß verfüttert.

Alternativen

Seit einiger zeit arbeiten Verbände und Gemeinschaften an alternativen Modellen. So wurde analog zum MSC (Marine Stewardship Council) das ASC (Aquaculture Stewardship Council) eingerichtet, das für nachhaltige Aqaukulturfischere sorgen soll. Auch die Bio-Anbauverbände haben sich etwas einfallen lassen, so gibt es seit wenigen Jahren ein Bio-Siegel für Fisch aus Aquakultur. Voraussetzung dafür sind unter anderem geringere Besatzdichten und der Verzicht von Fischmehl als Futter. Beides sind erste, erfreuliche Schritte in die richtige Richtung, aber es sind dennoch Kompromisse, die Qualität wilden Fisches kann so nicht erreicht werden. In dieser Hinsicht ähnelt die Situation der Rinderhaltung im Hinblick auf reine Weidehaltung im Gegensatz zur Bio-Haltung (und Fütterung mit Getreide): Nur in artgerechter Haltung kann ein Tier seiner Art gemäß heranwachsen und die Eigenschaften seiner Art ausdrücken.

Weitere Bedenken: Belastung mit Schwermetallen und anderen Toxinen

Nicht nur das reichlich durch die Medien getriebene Mikroplastik gibt Grund zu Bedenken beim Fischverzehr. Auch die Schwermetallbelastung unserer Meere betrifft die Fische, die wir essen – und damit unsere Gesundheit: Arsen, Blei, Cadmium, Quecksilber. Schwermetalle gehören zu den Giften, die unser Körper meist nur schlecht wieder loswird. Selten geht das ohne Nachhilfe in Form von aufwändigen Entgiftungsprotokollen. Mit Darmsanierung allein ist es nicht getan. Schermetallbelastungen können zu erhöhtem oxidativem Stress, chronischen Entzündungen und schweren Erkrankungen wie Krebs führen. Zugleich können sie Mikronährstoffmängel verursachen und auf diesem Weg doppelt der Gesundheit schaden. Gelangen Schwermetalle durch Überwinden der Blut-Hirn-Schranke, wird es umso komplizierter, den Körper zu befreien.

Also sind Bedenken beim Lebensmitteleinkauf durchaus angebracht und der zusätzliche Aufwand für die Suche nach möglichst wenig belasteten Lebensmitteln zahlt such aus.

Aber wie soll man es prüfen? Auf dem Markt oder im Geschäft kann man sich bestenfalls auf etwaige Versprechen oder Gütesiegel der Anbieter verlassen. Damit macht man allerdings den Bock zum Gärtner, wobei offen ist, inwieweit die Anbieter ihre Ware überhaupt prüfen.

Sinnvoller ist, wenn man hohe Belastungen durch die richtige Wahl des Fischs verhindert. Schwermetalle reichern sich im Fisch im Laufe seines Lebens an. Je älter der Fisch, desto mehr Schwermetall hat er angereichert. Je größer ein Fisch, desto älter ist er in der Regel. Ein Thunfisch wäre demnach tendenziell stärker belastet als ein Hering. Und das nicht nur aufgrund seines Alters: Thunfische sind Raubtiere. Sie essen andere, kleinere Fische und nehmen auf diesem Weg noch mehr Schwermetalle auf.

All diese Überlegungen gelten wohlgemerkt tendenziell: Die Belastungen sehen je nach Region unterschiedlich aus. Der Hinweis bezügliche der Größe gilt dennoch. Wenn also Fisch in jedem Fall auf dem Speiseplan steht, die Sorte jedoch egal ist, dann empfehlen sich aus Sicht der Schwermetallbelastung am ehesten: Sardinen, Heringe, Makrelen und ähnlich kleine bzw. junge Fische.

Der nächste Schrei nach Mikroplastik: Nanoplastik

Wer vom Mikroplastik genug hat, wird sich auf die nun (stand 2024) gewiss folgenden Veröffentlichungen zu Nanoplastik freuen: Plastikpartikel in der Größe von Viren oder DNS. Es besteht kein Zweifel, dass dies eine weitere Belastung für den Organismus ist, der es aufnimmt. Und was von Makro- zu Mikro- zu Nanoplastik werden kann, kann sich auch zu Picoplastik zersetzen (aber solange wir danach einfach nicht suchen, müssen wir uns keine Gedanken darum machen).

In der Praxis gelten die Hinweise für Schwermetallbelastung ebenso für Mikroplastik und Nanoplastik: Besser nur kleine Fische kaufen und verzehren. Sardinen, Heringe und Makrelen, sowie ähnlich kleine Fische – oder kleinere wie die Sardelle.

Die Zukunft

In den letzten 20 Jahren hat sich viel getan bei den Aquakulturen. Die Fische wurden weiter auf Effizienz und bessere Eignung gezüchtet, produzieren nun oftmals nur noch ein Sechstel der Abfälle (Fäkalien) und benötigen nur noch einen Bruchteil (teils 0.5%) der ehemals eingesetzten Antibiotika.

Es bleibt spannend, ob wir Wege finden werden, mit Aquakulturen nicht nur die Belastung der Ökosysteme und Wildbestände zu eliminieren, sondern auch die Produktqualität näher an den ernährungsphysiologischen Wert wilden Fischs bringen können und dabei die Lebensqualität der Tiere ebenfalls zu berücksichtigen. Vielleicht in etwa so, wie dies Dan Barber in seinem Vortrag „How fell in love with a fish“ beschreibt.

Fazit

Was ist also die beste Lösung? Welchen Fisch sollte ich kaufen?

Offenbar ist Wildfisch aus nachhaltigem Fang die beste Wahl, wenn Umwelt, Tierwohl und Ernährungsphysiologie gleichermaßen Priorität haben. Welcher Fisch sich hierzu am besten eignet, darüber bestehen unterschiedliche Meinungen. MSC, WWF und Greenpeace sprechen unterschiedliche Empfehlungen aus und kritisieren sich gegenseitig.

Unbedenklich: Hering und Makrele

Einigkeit scheint allein über die generelle Unbedenklichkeit bezüglich Hering und Makrele zu herrschen. Im Übrigen empfiehlt sich, sich nach den jeweiligen, regionalen Gegebenheiten zu erkundigen und dann gezielt Fisch aus jenem Bestand zu ordern bzw. zu kaufen.

Quellen und weiterführende Informationen

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