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Wahnsinn – EHEC und Journalismus

In dieser Kolumne schreibe ich unregelmäßig über Dinge, die über Ernährung hinaus in den Alltag reichen. Bei meiner täglichen Arbeit sehe ich mich ständig mit Merkwürdigkeiten konfrontiert, mit Unzulänglichkeiten und Kuriositäten, die ich hier anspreche. Denn es zeigt sich, dass, wie alles im Leben, auch die Ernährung nicht losgelöst von der Umwelt betrachtet werden kann.

Kommt es mir nur so vor oder ist den gesamten Medien die Fähigkeit zu ordentlichem Journalismus nun völlig abhanden gekommen? Klar: in einer Welt, in der reihenweise Journalisten sich nicht zu schade sind, für die Boulevardpresse auf den Strich zu gehen, darf man kein all zu hohes Niveau erwarten.

Die Berichterstattung zur aktuellen EHEC-Epidemie spricht Bände.

Immer wieder ist in den Beiträgen die Rede von Bio-Betrieben, die verseuchte Lebensmittel in Umlauf bringen. Ganz abgesehen davon, dass nach wie vor nur wenige fundierte Beweise vorliegen, halte ich für ausgesprochen zweifelhaft, ob hier unbedingt das Wort Bio erwähnt werden muss. Inwieweit ist Bio hier relevant? Welche Rolle spielt es, ob es ein Bio-Betrieb ist oder nicht? Richtig: Gar keine. Versucht jemand zu suggerieren, dass es die Bioprodukte per se sind, die Probleme bereiten? Könnte es sein, dass hier eine Lobby am Werk ist?

Die Welt Online schreibt:

„Außerdem gelten bei der Produktion von Tiefkühlprodukten besondere Hygienestandards. Die namhaften Hersteller dieser Produkte können es sich gar nicht leisten, infizierte Lebensmittel in den Handel zu bringen.“

Die Namhaften Hersteller von Tütenware können also keineswegs Schuld sein. Die würden so etwas niemals tun. Hier wird suggeriert, ein Erzeuger könnte wissentlich und absichtliche kontaminierte Ware in Umlauf bringen. Gemäß dem Motto: „Bei diesen Öko-Freaks weiß man ja nie.“

Derweil vermeiden die Medien es in weiten Teilen sehr zielstrebig, detailliert über den Ursprung des Bakteriums Escherichia coli zu berichten. Es komme, so wird pauschal erläutert, im Kot von Nutztieren vor und wird in Form von Gülle auf die Felder gebracht, wo es dann gegebenenfalls das Gemüse kontaminieren kann. Das stimmt zwar, ist jedoch nicht einmal die halbe Wahrheit.

Hier wird geflissentlich vergessen zu erwähnen, dass diese gefährliche, sehr resistente Form des E. coli vornehmlich im Kot von Rindern vorkommt, die mit Getreide gefüttert werden. Dass eine Getreidefütterung für Rinder alles andere als gesund ist, war hier auf Urgeschmack schon häufiger Thema. Tatsächlich kommt diese Art der Fütterung beinahe ausschließlich in der Massentierhaltung zum Einsatz. Es zeigt sich, dass eine Fütterung ohne Getreide zum Beispiel mit Gras oder Heu zu einer wesentlichen Verringerung solch gefährlicher Bakterien im Kot führt. Dabei geht es um den Faktor 1000*.

In der Massentierhaltung speziell von Rindern werden also gestresste Tiere, schlechtes Fleisch und haufenweise tödliche Keime produziert. In einem Land mit einer so ausgesprochen starken Lobby für die konventionelle Landwirtschaft ist es freilich unbequem, die tatsächlichen Ursachen und Problemherde anzusprechen. Sowohl von Seiten der Politik, als auch der Medien. Stattdessen werden abermals nur Symptome behandelt und bekämpft.

Statt die Massentierhaltung und die damit einhergehende Produktion schwerer Risiken in Frage zu stellen, wird ein neues Regelwerk erarbeitet werden. Darin könnte stehen, dass künftig jedes zum Verkauf bestimmte Gemüse eingehend geprüft werden muss. Eine Aufgabe, die für konventionelle Großproduzenten nur ein weiteres, vernachlässigbares Formular von Tausenden ist. Für Kleinbauern und regionale Erzeuger jedoch wird es eine erhebliche Erschwernis der täglichen Arbeit sein. Dazu schon im Voraus meinen herzlichen Glückwunsch!

*Quelle: Microbes and Infection 2000 Jan;2(1):45-53: „Potential effect of cattle diets on the transmission of pathogenic Escherichia coli to humans.“ Russell JB, Diez-Gonzalez F, Jarvis GN (Diese Studie hat mir ein Leser freundlicherweise zukommen lassen)

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