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Umami: Glutamat in der Muttermilch

Umami: Glutamat in der MuttermilchTomaten und Fleisch, Käse und Weizen enthalten einen Geschmack, den wir umami nennen. Obwohl er neben salzig und süß auf unser aller Zungen liegt, ist dieser japanische Begriff im Westen noch relativ unbekannt. Seine Entdeckung vor erst rund 100 Jahren erschüttert bis heute das veraltete Weltbild der vier Geschmacksrichtungen. Auslöser des herzhaften Umami-Geschmacks ist die Glutaminsäure – direkter Verwandter eines der größten Feindbilder der heutigen Ernährung: Glutamat.

Was ist Umami und was hat es mit Glutamat zu tun?

Als umami bezeichnet man den fünften Geschmack neben süß, sauer, salzig und bitter. Die Beschreibung fällt schwer, so grundlegend ist dieses Empfinden; viele Menschen beschreiben es als herzhaft, befriedigend, voll oder gar fleischig. Diese Einschätzung gilt kurioserweise nur für das damit versetzte Lebensmittel: Glutaminsäure allein lässt sich geschmacklich nicht einordnen, gilt teils als ungenießbar. Es optimiert praktisch den Geschmack des Lebensmittels, dem es zugesetzt wird.

Der Begriff Umami stammt von seinem japanischen Entdecker Kikunae Ikeda. Zugleich bezeichnet er genau den Stoff, der auf diesen Geschmackssinn wirkt. Erst in den letzten Jahren konzentrieren sich auch westliche Köche auf umami, welches heute unter Fans guten Essens als einer der heißesten Trends gilt. So findet auch Kombu (Seetang) in immer mehr Küchen einzug, da es eine wichtige Zutat der Dashi genannten asiatischen Suppengrundlage ist.

Glutamat wirkt ebenfalls auf unseren Umami-Sinn, so wie Zucker unsere Rezeptoren für Süßes anspricht. Viele Verbraucher kennen Glutamat heute nur als böses Gift, als Unheil und neurotoxischen Geschmacksverstärker.

Ist diese Abneigung gerechtfertigt? Wo ist die Verbindung zwischen Umami und Glutamat?

Was ist der Unterschied zwischen Umami, Glutaminsäure und Glutamat?

Glutaminsäure ist eine für den Menschen nicht-essentielle Aminosäure (ein Proteinbaustein). Sein Körper kann sie selbst herstellen und sie ist lebenswichtig für den Stoffwechsel, wo sie eine Schlüsselrolle im Citratzyklus spielt.

Glutamat gilt in der Wissenschaft als Synonym für Glutaminsäure. Es ist ein Salz der Glutaminsäure und Teil des normalen Stoffwechsels.

Glutamat ist somit ein im Menschen natürlich vorkommender Stoff. Er gilt als der wichtigste exzitatorische Neurotransmitter im zentralen Nervensystem von Wirbeltieren.

Mononatriumglutamat (im Englischen MSG für Monosodiumglutamate) ist das meistverwendete Salz der Glutaminsäure, es ist ein spezifisches Glutamat.

Umami beschreibt das Geschmacksempfinden dieses Stoffs und gilt teils als Synonym für Glutaminsäure in Lebensmitteln. Ein Lebensmittel mit viel Glutaminsäure, etwa eine Tomate, gilt als reich an Umami.

Glutaminsäure und Glutamat sind demnach praktisch das gleiche, während Umami häufig – streng genommen fälschlicherweise – als Synonym gilt.

Glutamat ist lebenswichtig

Glutamat ist Bestandteil der Muttermilch und vieler als empfehlenswert geltender Lebensmittel wie Tomaten, Reis oder Walnüssen. Besonders viel Glutaminsäure steckt in Weizen-Vollkornmehl, Parmesan, Erbsen und Fleisch. Fast alle proteinhaltigen Lebensmittel enthalten auch Glutaminsäure.

Die Nukleoside Inosin und Guanosin wirken ebenfalls auf den Umami-Sinn. Wie Glutamat sind diese Stoffe in unseren Lebensmitteln weit verbreitet. In Kombination mit Glutaminsäure potenziert sich ihre Wirkung. Glutaminsäure allein kann demnach ihr Potenzial nicht ganz entfalten.

Glutamat ist also lebenswichtig, omnipräsent und lecker. Das allein muss nichts heißen. Auch andere lebenswichtige Stoffe wie Wasser oder Glucose können uns zum Verhängnis werden. Stellen wir also die Schlüsselfrage:

Ist Glutamat ungesund?

Die industrielle Produktion bzw. Extraktion von Glutamat begann um 1909. Seit über 100 Jahren gibt es keine Belege für eine schädliche Wirkung des Glutamats auf den Menschen.1 Das überrascht kaum, denn es ist ein lebenswichtiger Stoff. Vereinzelte Versuche mit Tieren deuteten mögliche Zusammenhänge mit Hirnläsionen an. In diesen Untersuchungen umgingen die Forscher jedoch den Verdauungstrakt oder verabreichten extreme Dosen per Magensonde, sie sind daher nicht praxisrelevant. Eine zusammenfassende Studie fand keine gesundheitlichen Risiken für den Menschen.

Glutamat steht oft in der Kritik, appetitanregend zu wirken und so Menschen zu veranlassen, mehr zu essen als ohne Glutamatzugabe. Dies trifft jedoch auf jedes genießbare Lebensmittel zu und verhält sich mit Salz, Zucker und Fett ebenso: Wenn etwas gut schmeckt, isst der Mensch tendenziell mehr davon.

Warum glauben so viele Menschen, Glutamat sei ungesund?

Glutamat gilt unter Verbrauchern überwiegend als das pure Böse, als Gift und als fauler Trick. Angesichts der Faktenlage scheint dies schwer verständlich. Wie kann ein lebenswichtiger Stoff zu einem solchen Image geraten?

In der mit Ideologien gespickten Welt der Ernährung entdecken wir schnell ähnliche Fälle, etwa Cholesterin oder gesättigtes Fett. Beide sind lebenswichtige Bestandteile des Körpers und auch sie galten jahrzehntelang als ungesund und unter allen Umständen zu meiden. Jüngst erfahren Gluten und Fructose eine ähnliche Behandlung.

In all diesen Fällen zeichnet sich ein Muster ab: Der Verbraucher versteht nichts von Biochemie und lässt sich die Welt lieber vom Fernsehen und der Klatschpresse erklären. Seine Wertschätzung guten Essens schwindet und er entfremdet sich von seinen Lebensmitteln. Egal, welcher Hysterie er gerade anheimfällt: Die Industrie freut sich über jeden Trend und kann noch mehr Alternativprodukte mit entsprechendem Label verkaufen.

Der heutige Ruf des Glutamats ist überwiegend einer unvorteilhaften Vermarktung geschuldet. Unwissenheit und Reduktionismus (Nährstoffismus) taten ihr übriges, um ein großes und bei nüchterner Betrachtung lächerliches Missverständnis aufzublasen.

Wie sind die vereinzelten Symptome zu erklären?

Als Chinarestaurant-Syndrom fasst man seit 1968 eine Reihe von Symptomen wie Trockenheit oder Taubheit im Mund, Halsjucken, Hautrötungen und Herzklopfen zusammen. Ursache dafür sei Glutamat. Bis heute gibt es hierzu keine Belege und Untersuchungen deuten wiederholt auf psychosomatische Ursachen hin. Andere Studien führen die Ursache dieser Symptome auf andere Zutaten zurück. Das Chinarestaurant-Symptom bzw. die Glutamatunverträglichkeit ist demnach ein Placebo- bzw. Nocebo Effekt.

Denkbar ist, dass durch den Verzehr größere Mengen Glutamat bzw. Glutaminsäure ein Überschuss im Körper entsteht. Ob jemand empfindlich reagiert, hinge dann davon ab, wie sein Körper mit dem Überschuss umgeht. Glutaminsäure gilt daher weder als Allergen noch als Toxin.

Möglich ist ebenfalls, dass bei der industriellen Glutamatproduktion Nebenprodukte oder Verunreinigungen entstehen, die in der natürlichen Form nicht vorliegen. Diese könnten gesundheitlich nachteilig wirken.

Auch der Kontext ist ohne Zweifel relevant: Isoliertes Glutamat wirkt, ebenso wie Zucker oder Fett, sicherlich anders auf den Darmtrakt, als der gleiche Stoff in Verbindung mit den übrigen Bestandteilen echter Lebensmittel.

Glutamat ist also super? Geschmack und Esskultur

Glutamat ist zumindest gesundheitlich unbedenklich. Was die geschmackliche Bedeutung angeht, empfiehlt sich eine Betrachtung ähnlich der für Salz, Zucker und Fett: Wer sich für echte Lebensmittel und deren Aromen interessiert, wird wenig Interesse daran haben, stets gleich schmeckende Soßen oder Gewürze zu verwenden.

Aufgrund seiner einmaligen Eigenschaften findet Glutamat besonders in der Industrie oft als Geschmacksverstärker Anwendung, auch um minderwertige Zutaten zu maskieren. Das ist jedoch nicht kritischer zu betrachten als die – oft aus den gleichen Gründen – übertrieben wirkende Anwendung von Salz, Zucker und Fett in Fertigprodukten und in immer mehr heimischen Küchen.

Oft treten hier die immer gleichen Geschmäcker in Soßen und Würzen in den Vordergrund. Sie überdecken die übrigen Aromen und führen letzten Endes zu einer geschmacklichen Abstumpfung.

Das jedoch ist kein generelles Problem, sondern ein Thema, mit dem sich jeder individuell auf dem eigenen Teller beschäftigen sollte.

Was soll ich tun? Soll ich Glutamat meiden?

Glutamat und seinen direkten Verwandten Glutaminsäre zu meiden ist praktisch unmöglich. Es sind feste Bestandteile unseres Körpers und es ist schwierig, sich ohne sie zu ernähren. Offensichtlich gibt es dafür auch keinen vernünftigen Grund.

Glutaminsäure und Umami bieten hingegen viele Gelegenheiten, neues zu entdecken und abseits von süß, salzig, sauer und bitter zu denken. Fermentierte Lebensmittel, Dashi, Seetang und Fischsoße bieten für viele Menschen hierzulande völlig neue Geschmackswelten und Kombinationsmöglichkeiten.

Dabei ist unnötig, zur extrahierten Pulverform Mononatriumglutamat zu greifen. Interessanter scheint, Glutamat mit seinen jeweils natürlichen Begleitaromen – zum Beispiel aus Pilzen, Tomaten, Käse oder Seetang – zu erleben.

Weiterführende Artikel

Foto: ayustety from Urazoe

Fußnoten

  1. Ronald Walker, John R. Lupien (2000) The Safety Evaluation of Monosodium Glutamate. The Journal of Nutrition, Volume 130, Issue 4, April 2000, Pages 1049S–1052S.

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