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Kein Zucker, kein Fett – trotzdem dick?

Weniger Zucker und Fett essen. Und weniger Fleisch und Gluten. Für viele Menschen sind diese Ratschläge nicht der Weg in die ersehnte Schlankheit. Dabei sind die Anweisungen erforscht und plausibel und zehntausende Einzelfälle zeigen, wie gut man damit abnehmen kann. Auch ein Blick auf die Volksgesundheit zeigt: Die Empfehlungen zu LowCarb, fettarmer oder vegetarischer Ernährung helfen offenbar nicht. Warum?

Albert Einstein sagte einst, man müsse die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher.

Essen ist einfach. Zugegeben: Der Pandabär ist so wählerisch, der macht sich das Überleben schwer. Aber nehmen wir mal uns, den Menschen: Obst, Gemüse, Nüsse, Samen, Fleisch, Fisch, Eier, Milchprodukte, Kräuter, Salate, Insekten, Algen, Pilze – nur wenige Tierarten können von so vielen Lebensmitteln überleben oder sie sich überhaupt erschließen. Wir haben es leicht: Essen ist einfach.

Diese Einfachheit scheint zum Fluch zu werden: Wir werden dick und krank. Erst hielten wir Fett für den Übeltäter, später Kohlenhydrate, besonders Zucker. Doch die Verzichtsempfehlungen helfen oft nicht und auch wer seinen Fleischkonsum einschränkt, verliert dadurch nicht immer die gewünschten Kilos. Warum?

Weil wir gegen Einsteins Rat verstoßen. Wir machen es zu einfach. Essen ist zwar einfach, doch es umspannt Zusammenhänge, die wir bis heute nicht ganz verstanden haben. Der einfache Rat: Iss kein Fett mehr! ist übervereinfacht und wirkt deswegen nicht.

Die Ursache des Übergewichts ist einfach. Wir kennen die Schurken nicht erst seit gestern, es sind keine Errungenschaften der jüngsten Moderne wie das Fernsehen oder Videospiele. Der Franzose Brillat-Savarin1 beschreibt sie schon vor zweihundert Jahren:

Wir essen zu viel und bewegen uns zu wenig. Wir leben ungesund.

Warum ist es dann keine Lösung, weniger Fett zu essen, wo es doch so viele Kalorien hat? Und warum hilft es nicht, einfach weniger Zucker zu essen? Wir wissen doch genau: Zu viel Zucker schädigt den Stoffwechsel und macht fett. Aber wir fragen selten nach dem Grund: Warum essen wir so viel und bewegen uns wenig? Warum leben wir ungesund?

Weil es einfach ist. Es ist der Weg des geringsten Widerstandes. Es ist der Weg der Natur, unser Streben danach ist natürlich. Dass der Weg des geringsten Widerstandes auch ins Verderben führen kann, das war der Natur schon immer egal.

Deswegen genügt es häufig nicht, einfach weniger Fett und Zucker und Fleisch zu essen: Weil wir trotzdem den Weg des geringsten Widerstandes suchen. Wir wollen es trotzdem lecker und einfach haben und greifen stattdessen zu den anderen Produkten der Industrie: zu fettarmen Keksen, die stattdessen mehr Zucker und Salz enthalten. Denn wenn sie fettarm sind, kann man sie ja guten Gewissens essen, oder?

Wir greifen zu den zuckerfreien Pralinen, die stattdessen mehr Fett enthalten und Süßstoff oder Kokosblütenzucker, der nichts anderes ist als Zucker. Oder wir meiden Gluten und kaufen überteuerte Paleo-Produkte, randvoll gestopft mit Kokosfett und Agavensirup und Pfeilwurzelstärke und ranzigen Nüssen und zuckerigen Datteln. Unvergesslich: Das fleischlose vegane Fleisch mit Zutaten, deren bloße Erwähnung drei Kätzchen das Leben kostet.

Warum essen wir so etwas? Das steht auf der Verpackung: Fettarm, ohne Zucker, vegan, glutenfrei. Die Ernährung bleibt derweil so schlecht wie die übrigen Gewohnheiten des Lebens. Vielleicht hopsen wir ein, zweimal pro Woche in der Aerobic- oder Pilates-Gruppe im Fitnesscenter herum. Oder wir setzen uns eine halbe Stunde aufs Elektrofahrrad und lassen uns vom Motor herumschieben. Dann haben wir uns viel bewegt, haken das in unserer Aufgabenliste ab, trinken noch einen veganen (abgehakt), fettfreien (abgehakt) Smoothie und essen ein paar zuckerfreie (abgehakt) Kekse zusätzlich, weil wir uns so viel bewegt haben. Wir fragen nicht: Warum bin ich unzufrieden? Warum nasche ich öfter als ich Hunger haben kann?

Bleiben wir also an der Oberfläche: Wir essen zu viel und bewegen uns zu wenig. Die Lösung: Weniger essen, mehr bewegen. Mehr anstrengen, weniger bequem sein. Das ist einfach.

Wie kann man einfach gesünder essen? Mehr selbst kochen. Möglichst viel selbst kochen. Am besten: Alles selbst kochen. Das ist eine einfache Anweisung. Dann wird das Essen so viel Arbeit, da sucht man sich wieder den Weg des geringsten Widerstandes. Und beim Kochen ist das sicherlich nicht die Zubereitung einer Schokoladentorte.

Wenn es selbstgekocht, aber auch einfach und trotzdem lecker sein soll – und das soll es doch immer, oder? –, dann schneidet man ein paar Möhren, Pastinaken, Kartoffeln und Rote Bete klein, würzt die ein wenig und schmeißt sie in den Ofen. Fleisch? Viel zu schwierig: Leicht verderblich, kostet mehr als Gemüse und spritzt die ganze Küche voller Fett. Lieber ein paar Linsen zum Gemüse kochen oder drei Spiegeleier in zwei Minuten auf einen Teller zaubern. Cholesterin? So ein Quatsch. Wer so viel Gemüse isst und sich bewegt, den juckt das nicht2. Rohes Obst als Nachtisch. Einfacher geht es nicht.

Und wie geht einfach mehr Bewegung? Jeden Morgen zwanzig Minuten früher aufstehen und laufen. Oder schwimmen (nicht planschen). Jeden Morgen. Jeden. Das ist viel einfacher als mehr Bewegung, es ist greifbar; denn was heißt schon mehr? Jeden Tag laufen, das ist eindeutig und es braucht keine Fahrt zum teuren Fitnesscenter und keine extra Ausrüstung, auch keine miefenden Laufschuhe.

Dann isst man gesünder und wahrscheinlich auch weniger, denn man isst mehr Gemüse und weniger Zuckerkram. Und man bewegt sich mehr und auch das ist gesünder. Man kann diese Gewohnheiten oberflächlich vor sich hin leben; oder man kann sie sich von innen heraus aneignen, zum Selbstverständnis machen und dadurch nachhaltig viel mehr gewinnen als Schlankheit. Was es damit auf sich hat, beschreibe ich in diesem Video.

Was nicht nachhaltig funktioniert: Listen abhaken. Das ist in Einsteins Sinn eine Übervereinfachung. Wer glaubt, er müsse einfach nur Schritte zählen oder Zucker und Fett, der tappt in die Falle:

Wir wollen Wirtschaftswachstum. So möchte auch die Lebensmittelindustrie wachsen. Dafür braucht sie uns und unsere Mägen, sie kämpft um Magenanteile. Unsere Magengröße ist begrenzt. Die Bevölkerung und ihr Wachstum auch. Das steht dem Wirtschaftswachstum im Weg. Also muss die Industrie alle Mittel nutzen, um uns mehr Futter anzudrehen. Zuckerfrei, fettarm, glutenfrei, geschmacksfrei, das kann und macht sie alles, Hauptsache: wir kaufen es, weil wir diese Übervereinfachung als Lösung zum Abnehmen glauben.

Machen Sie es sich leicht: Bewegen Sie sich mehr, am besten jeden Tag. Und essen Sie viel Gemüse und kochen Sie möglichst viel selbst. Und finden Sie Zufriedenheit im Leben. Dafür muss man nicht schlank sein. Es ist eine Entscheidung, die Sie genau jetzt treffen können.

Fußnoten

  1. Siehe auch: Olschewski, Felix (2016) Eigenverantwortung als Diät. Urgeschmack.
  2. Siehe auch: Olschewski, Felix (2014) Cholesterin ist unschuldig. Urgeschmack.

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