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Erhöht Low-Carb das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten?

SpiegelOnline schrieb vor wenigen TagenDiäten: Low-Carb erhöht Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten“ und behauptete daraufhin, die sogenannte Steinzeitdiät sei folglich sehr ungesund. Mit diesem totalen Fehlschluss demonstrierte das Magazin erneut den Stand seiner journalistischen Qualitäten. Man bekommt den Eindruck, das Magazin spiegele tatsächlich etwas: Das Bild einer großen deutschen Zeitung. Doch was ist dran an dem Artikel?

Nicht viel, zeigt sich. Schon in der Einführung finden sich grobe Fehler. So führt der Autor die Steinzeitdiät als LowCarb, also sehr kohlenhydratarme Ernährung. Bereits ein kurzer Blick beispielsweise in die deutsche Wikipedia hätte dem Autoren folgendes verraten:

„Anders als in der kohlenhydratreduzierten Ernährung sind in der Steinzeitdiät unbegrenzte Mengen hochglykämischer Anteile, wie getrocknete Datteln oder Feigen, erlaubt.“

Über den Begriff „erlaubt“ sehen wir hier einmal hinweg, denn grundsätzlich darf natürlich jeder essen was er möchte. Jedoch an dieser Stelle bräuchte der interessierte Steinzeit-Esser den SpiegelOnline-Artikel nicht mehr weiterlesen, denn er ist nicht betroffen.

Allerdings gibt es einen weiteren Grund, warum Ballwiesers Artikel praktisch wertlos ist: Er nimmt Bezug auf eine Studie, die etwas anderes aussagt, als er behauptet. Der Titel der Studie lautet „Low carbohydrate-high protein diet and incidence of cardiovascular diseases in Swedish women: prospective cohort study„. Aus „Low carbohydrate-high protein“ macht der Autor Herr Ballwieser schnell und einfach LowCarb. Das sind jedoch zwei verschiedene paar Schuhe. Er disqualifiziert sich daher für eine ernstzunehmende Betrachtung. Denn LowCarb, also wenig Kohlenhydrate, bedeutet nicht zwangsläufig einen hohen Eiweißkonsum, sondern kann stattdessen auch eine Ergänzung durch viel Fett bedeuten.

Ignorieren wir also den Artikel und schauen uns die Studie an: Wer tiefer blickt, erkenntdie geringe Aussagekraft. Beobachtet wurden rund 50 000 schwedische Frauen zwischen 30 und 49 Jahren. Ein sehr kleiner Ausschnitt der Bevölkerung, zumal die Beobachtung sich auf selbst auszufüllende Fragebögen zur Lebensweise und Ernährung einmalig zu Beginn der Studie beschränkte. Danach hat man rund 15 Jahre beobachtet, welche Frauen Herz-Kreislauferkrankungen entwickelten. Ursache und Wirkung wurden hier also keinesfalls belegt.

Die Autoren schreiben auch hier

„Nevertheless, in this context, a low carbohydrate-high protein score allows the assessment of most low carbohydrate diets, which are generally high protein diets“

Die Behauptung, eine kohlenhydratarme Ernährung sei generell eiweißreich, ist falsch. Denn sie kann auch sehr fettreich und eiweißarm sein.

Weiterhin nimmt die Studie keinen Bezug auf die Lebensmittelqualität, sondern lediglich auf das Verhältnis der Makronährstoffe. Und so mag es tatsächlich sein, dass ein extrem hoher Eiweißkonsum aus Quellen wie minderwertigem Fleisch und Pflanzenprodukten tendenziell des Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen erhöhen könnte. Doch mangels der wichtigen Differenzierung verschiedener Eiweißquellen, beispielsweise Weidefleisch im Gegensatz zu Fleisch aus industrieller Massentierhaltung, lässt sich aus dieser Studie keinerlei zuverlässige Aussage ableiten. Lebensmittel bestehen nicht nur aus Makronährstoffen.

Was bedeutet das für diejenigen, die sich für das Konzept der Steinzeiternährung bzw. Paläo-Diät entschieden haben? Gar nichts. Die meisten mir bekannten Anwender dieser Ernährung essen weder besonders viel Eiweiß, noch fallen sie in die LowCarb-Kategorie (welche nie eine bindende Definition erfuhr). Vielmehr ernähren sie sich vielseitig von hochwertigen Lebensmitteln.

Im weiteren gestehen die Autoren der Studie auch ein, dass ihnen einige Wichtige Daten wie Blutwerte fehlten und dass der Zeitraum der Datenerhebung auch eine Änderung der Ernährung zuließ, ohne dass dies festgehalten werden konnte (15 Jahre sind eine lange Zeit).

Es verbleibt eine allenfalls bemerkenswerte, statistische Auffälligkeit im Zusammenhang zwischen kohlenhydratarmen, eiweißreichen Ernährungsformen und Herz-Kreislauferkrankungen. Vielleicht ein ausreichender Grund, die tatsächlichen Zusammenhänge genauer zu erforschen. Jedoch kaum ausreichende Daten, um die Ernährung umzustellen. Zumal ein Bezug auf Steinzeiternährung bzw. Paläo-Diät ohnehin an keiner Stelle gegeben ist.

Der Anfangs erwähnte Artikel hingegen ist ein weiterer guter Grund, die Lese-Diät umzustellen und das veröffentlichende Magazin grundsätzlich zu meiden.

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