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Brauchen wir Enzym-Supplementation?

Neben Vitamin- und Mineralstoffkapseln werden auch Enzym-Präparate angeboten und vielerorts als wichtig für den Menschen beworben. Auch Rohkost-Anhänger schwören auf die Wichtigkeit der Enzyme in rohen Lebensmitteln. Doch was ist dran an den Enzymen, was tun sie und müssen wir sie von außen zuführen? Ist die Einnahme von Enzym-Kapseln wirklich wichtig?

Was sind Verdauungsenzyme?

Enzyme wirken als Katalysatoren für biochemische Reaktionen. Verdauungsenzyme zerlegen unter anderem Nahrung in ihre Einzelteile um sie für den Stoffwechsel verwertbar zu machen. Dabei spalten sie langkettige Moleküle in einfachere Verbindungen auf. Sie sind also ein wichtiger Bestandteil des Verdauungssystems. So ist beispielsweise im Magen Pepsin für die Zerlegung von Eiweißen zuständig.

Wo kommen Enzyme her?

Der Mensch bildet die für ihn wichtigen Enzyme selbst. Sofern keine schwere Erkrankung vorliegt, entstehen in seinem Mund, Magen und Dünndarm alle nötigen Enzyme. Besonders viele Enzyme und Enzymvorstufen produziert die Bauchspeicheldrüse (Pankreas). Auch in Pflanzen und Tieren kommen Enzyme vor. Und da diese als Lebensmittel für den Menschen dienen, steckt unsere Nahrung voller Enzyme.

Enzyme sind empfindlich

Fast alle Enzyme sind Eiweiße und als solche sind sie nicht unzerstörbar. Zu hohe Hitze führt zur Deaktivierung oder denaturierung und sie funktionieren nicht mehr. Aus diesem Grund gilt gegarte Nahrung unter Rohköstlern als weniger gesund, weil die entsprechenden Enzyme nicht mehr enthalten seien. Einige gehen gar so weit, sämtliche erhitzte Nahrung als ungesund zu bezeichnen. Die Enzyme in rohem Gemüse helfen bei der Verdauung, heißt es, und ihre Zerstörung sei folglich ungesund für den Menschen und belastete sein Verdauungssystem unnötig.

Doch Enzyme reagieren nicht nur auf hohe Temperaturen empfindlich, sondern auch auf das falsche Milieu. Sie arbeiten nur in einem bestimmten pH-Bereich. Amylasen beispielsweise, die Enzyme, die für die Verarbeitung von Mehrfachzuckern (Kohlenhydraten) zuständig sind, arbeiten nur bei einem pH-Wert von 3,5-9. Starke Säure hemmt ihre Aktivität oder denaturiert sie. Starke Säure kommt beispielsweise im Magen vor (pH-Wert 2 oder niedriger), aber auch Fruchtsäure kann schon zur Amylase-Hemmung führen.

Pepsin hingegen erreicht im sauren Milieu des Magens seine höchste Aktivität, pH-Werte oberhalb 6 deaktivieren es irreversibel.

Folgerung

Die Enzyme verarbeiten also unterschiedliche Nährstoffe. Einige kümmern sich um Eiweiße, andere um Fette und wieder andere um Kohlenhydrate. Und sie funktionieren nur unter bestimmten Bedingungen, einige mögen es sauer, andere eher pH-neutral – ganz nach ihrem Arbeitsort. Der Magen ist ein eher saurer Ort, der Dünndarm tendenziell neutral (pH-Wert 5-8,3). Dementsprechend werden im Magen Eiweiße verdaut, Fette und Kohlenhydrate passieren ihn jedoch ungehindert und werden erst von den Enzymen im Dünndarm zerlegt. Übrigens arbeitet der weitaus größte Anteil aller Enzyme im Dünndarm.

Die Amylasen, die im Gemüse sitzen und vermeintlich bei dessen Verdauung helfen sollen, müssen zunächst den Mund und den Magen passieren. Im Magen herrscht jedoch ein saures, amylasenfeindliches Milieu. Mit anderen Worten: Ob wir das Gemüse nun kochen oder nicht, die enthaltenen Enzyme schaffen es ohnehin nicht bis in den Dünndarm, ihren Arbeitsort. Das ist aber nicht schlimm, denn der Mensch stellt die nötigen Enzyme selbst her und kann die Nahrung daher auch ohne zusätzliche Enzymzufuhr bestens verdauen.

Gut kauen

Großmütter und Mütter auf der ganzen Welt ermahnen ihre Kinder immer wieder, das Essen gut zu kauen. Selten können sie dies begründen, doch es ist sinnvoll: Ordentliches Kauen durchsetzt die Nahrung bereits im Mund mit Amylase und grundsätzlich sie. Es vergrößert die Oberfläche der Nahrungsmittel und so fällt später die Arbeit der Enzyme leichter und geht schneller vonstatten. Abgesehen davon verlangsamt sich durch ordentliches Kauen die Essgeschwindigkeit, was Vorteile für den Genuss, die Tischkultur und letztlich auch das Sättigungsgefühl mit sich bringt – aber das nur am Rande.

Fazit: Ist Enzym Supplementation sinnvoll?

Sofern keine schwere Erkrankung (oder ein Gendefekt) vorliegt, ist der Mensch auf eine Enzym-Supplementation nicht angewiesen. Er ist bestens mit einem eigenen Enzym-Produktionssystem ausgestattet, das ihm bei der Verdauung aller wichtigen Nahrungsmittel hilft. Gallensalze und Bakterien vervollständigen dieses enge Netzwerk aus aktiven Stoffen.

Es ist praktisch kaum sinnvoll, Gemüse stets nur roh zu verzehren, um von dessen Enzymen zu profiteren. Sicher schadet es in den meisten Fällen nicht und rohes Gemüse kann fantastisch schmecken. Doch die enthaltenen Enzyme sind kein überzeugender Grund, gegartes Gemüse zu verschmähen. Darüber hinaus erleichtert das Garen von zum Beispiel Fleisch dessen enzymatische Aufspaltung.

Die Einnahme von Enzymen in Tabletten- oder Kapselform ist im Normalfall daher auch nicht nötig.

Wer sich Zeit zum Essen nimmt, gut kaut und seinen Speiseplan vielseitig mit frischen Lebensmitteln gestaltet, bietet seiner Darmflora und dem übrigen Verdauungssystem alle wichtigen Voraussetzungen und Nährstoffe, die nötig sind.

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