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Blumenkohl ist nicht vegan?

Blumenkohl ist nicht veganGemüse zerkleinern, mit etwas Olivenöl, Salz und Pfeffer vermengen und in den Backofen schieben. Geröstetes Gemüse: Köstlich, schnell und einfach. Und vegan. Jedoch nicht, wenn man hinterher feststellt, dass im Blumenkohl eine winzige Schnecke saß, die mitgeröstet wurde.

Dieser Vorfall tut mir aufrichtig leid. Ich weiß nicht, wie es sich für eine Schnecke anfühlt, bei 200°C gebacken zu werden und ich werde gewiss nicht den Fehler machen, zu versuchen, es mir vorzustellen. Denn was weiß ich, was so eine Schnecke fühlt? (Obacht vor Anthropomorphismus.) Es ist passiert, zwischen all den Pflanzen ist auch ein Tier gestorben und ich habe daraus gelernt: Beim nächsten Mal ganz genau hinzuschauen, wenn ich Gemüse zubereite.

Habe ich gemacht. Am nächsten Tag fand sich tatsächlich beim Zerteilen des Blumenkohls wieder eine Schnecke an der Pflanze, diesmal lebendig. Kein Wunder: Schnecken wollen auch etwas essen und so ein Blumenkohl sieht sicher einladend aus. Egal, wie vorsichtig ich die Schnecke entferne und im Grünen (so ich welches finde) aussetze: Ich beraube sie ihres Essens und setze sie durch meine Wahl ihres neuen Wohnorts der Gefahr aus, einem Vogel zum Opfer zu fallen. Ein Tier hungert, leidet oder stirbt womöglich meinetwegen. Und das, wo ich doch heute nur tote Pflanzen essen wollte. Eine Erkenntnis manifestiert sich:

Blumenkohl ist nicht vegan.

Aber kann man das so sagen? Die Präzision soll nicht leiden, also werfe ich einen Blick in die Definitionen.

Was ist vegan?

Der Duden sagt:

Veganer, der: jemand, der [aus ethischen Gründen] völlig auf tierische Produkte bei der Ernährung u.a. verzichtet.

Nehmen wir eine zweite Quelle hinzu, das Oxford Dictionary:

vegan: A person who does not eat or use animal products.

Das klingt eindeutig. Die Geschichte dieser Definitionen zeigt, wie aufwändig und schwierig die korrekte Formulierung ist. Schaltet man sämtliche Propaganda militanter Vereinigungen, Aussagen schlecht informierter Ernährungsberater und hysterisches Ethik-Gekreische von Fundamentalisten aus, bleibt einzig eindeutig: Ein Veganer verzichtet völlig auf tierische Produkte.

Dass wir zur Blumenkohlproduktion Äcker anlegen, die den Lebensraum von Tieren zerstören, dass wir zur Befruchtung die Leistungen von Bienen nutzen, dass der häufige Anbau den Boden und seine übriggebliebenen Bewohner belastet, dass für seinen Lebenszyklus bis zum Erscheinen im Supermarkt fossile Brennstoffe nötig sind, all das ändert nichts daran, dass Blumenkohl ein Pflanzenprodukt – und kein Tierprodukt – ist. Blumenkohl ist vegan, selbstverständlich.

Doch er ist es nur dann, wenn wir ethische, ökologische und gesundheitliche Aspekte ignorieren und die oben genannte, einfache Definition zugrunde legen.

Vegane Ernährung: Natur spielt keine Rolle?

Laut dieser Definition ist es für Veganer grundsätzlich irrelevant, welchen ökologischen Fußabdruck ihre Ernährung hinterlässt, wie viele Tiere, Pflanzen und Pilze darunter leiden und welche Auswirkung diese Ernährung auf ihren Körper, die Gesellschaft und die Umwelt hat.

Alle übrigen Themen werden demnach stets von Individuen in die Diskussion gezogen, mal mehr, meist weniger konsequent. „Ich möchte, dass kein Tier für mich stirbt oder leidet!” ist ein netter Gedanke, hat jedoch nach diesem Konsens mit veganer Lebensweise nichts zu tun: Die Definition nimmt darauf keinen Bezug.

Vegetarische Verbände oft destruktiv

Die Separation von Menschen in vegan, vegetarisch, omnivor oder carnivor lebende Gruppen, wie viele auch weltweit agierende Organisationen dies propagieren, ist ähnlich willkürlich wie eine Einteilung nach Religion, Sprache oder Hautfarbe. Diese Art der Gesellschaftsspaltung ist kontraproduktiv und nutzt nur den Spendenkassen weniger.

Wesentlich sinnvoller wäre die Suche gemeinsamer Interessen und Ziele, so wie etwa die Abschaffung der industriellen Intensivtierhaltung, ein sparsamer Umgang mit natürlichen Ressourcen oder der Erhalt kleinbäuerlicher Strukturen. Mit vereinten Kräften lassen sich solche Ziele durch Verbraucher wesentlich schneller und effizienter erreichen als durch Gruppenbildung und Grabenkämpfe.

Fazit: Blumenkohl ist vegan

Nur wenn man seinen ökologischen Fußabdruck, seine Produktionsmethoden, Tierrechte und moralische Bedenken ignoriert, ist Blumenkohl eindeutig vegan. Bei ganzheitlicher Betrachtung verschwimmt diese klare Abgrenzung schnell und es wird fraglich, ob der Verzicht auf Tierprodukte allein wirklich immer der Intention des Veganers entspricht.

Jedes Stück Lebensmittel ist so individuell wie wir Menschen. Relevant ist daher, woher der einzelne Kopf Blumenkohl stammt und wie er hergestellt wurde und nicht, ob er als ganze Kategorie einer Schublade entspricht. Veganismus als Ideologie ist daher kontraproduktiv. Sinnvoller ist immer die individuelle Betrachtung und letztlich die gemeinsame Verständigung auf ein umsetzbares Ziel.

Die gesunde Umsetzung veganer Ernährung ist nicht einfach. Und wer die Ausbeutung von Menschen für die Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel ablehnt, allergisch gegen Getreide und Hülsenfrüchte ist und wem Fleischersatz, Käseersatz und veganes Rührei aus Tofu aufgrund der enthaltenen Zusatz- und Aromastoffe sowie des aufwändigen Verarbeitungsprozesses schon beim Anblick Übelkeit bereiten, hat es tatsächlich schwer, mit einer veganen Ernährung lange zu überleben.

Wollte so jemand seinen veganen Lebensstil tatsächlich beibehalten, müsste er wohl ganz besonders über die vielen ethischen, ökologischen und gesundheitlichen Grabenkämpfe hinwegblicken und sich auf die einfachste Definition des Veganismus beschränken.

Was tun?

  • Differenzieren: Eine grobe Kategorisierung wie „Gemüse = Gut“, „Fleisch = Schlecht“ oder Bio = Gut“ entspricht offensichtlich nicht der Realität und löst keine Probleme.
  • Realistisch bleiben: Jede Entscheidung hat Konsequenzen, jedes Lebensmittel hat einen ökologischen Preis. Diesen können wir durch Pauschalbewertung kaum für jedes Lebensmittel im Detail erfahren.
  • Ehrliches Bewusstsein schaffen: Erst die Kenntnis und das Eingeständnis der durch die nötige Ernährung verursachten Probleme ermöglicht die Schaffung von Lösungen. Erst wenn Menschen für ein Thema sensibilisiert sind, können sie fachkundig werden und gemeinsam, nicht gegeneinander, an Alternativen arbeiten.

Weiterführende Informationen:

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