Zum Inhalt springen

Leibwinde bändigen: Mittel gegen Blähungen

Mittel gegen Blähungen - Leibwinde bändigenStefanie verabschiedet mit einem Lächeln ihren neuen Freund, wartet bis er im Treppenhaus verschwunden ist und schließt dann mit schmerzverzerrtem Gesicht ihre Wohnungstür. Den ganzen Abend hat sie ihre Blähungen eingehalten und leidet nun unter Magenschmerzen. Wie so viele Menschen hat sie ihr Wohlergehen unseren oft kurios anmutenden Bräuche des sozialen Miteinanders untergeordnet, sie hat kein Lüftchen getrübt und verflucht jetzt den Rosenkohl.

Der Furz oder Pups, die Blähung, die nahezu poetisch als Leibwind bezeichnete Flatulenz gilt heute als unanständig, unhöflich und vulgär. Wer diesen Wind sät, erntet einen Sturm der Entrüstung – oder manchmal des Gelächters, wenn er in vertrauter Runde weht.

Egal wie absurd uns die Ächtung natürlicher menschlicher Vorgänge in der Öffentlichkeit vorkommt: Es gibt einige gute Gründe, die Entwicklung oder das rektale Entweichen von Darmgasen zu vermeiden.

Warum nicht einfach furzen?

Das Furzen ist eine natürliche Körperfunktion. Befindet sich Gas im Darm, so lässt der Körper dies optimalerweise entweichen. Denn staut sich die Luft an, kann sie schmerzhafte Bauchkrämpfe verursachen. Damit hat Stefanie gerade zu kämpfen. Das Pupsen vor ihrem neuen Freund wäre ihr viel zu peinlich gewesen, sie hat eingehalten, die Luft hat sich angesammelt, ihre Bauchdecke spannt sich und die Muskulatur hat zu kämpfen. Die Folge einer einfachen Entscheidung für einen Abend ohne missliche Zwischenfälle wie unvorhersehbare Gerüche.

Die Bildung von Flatulenzen ist abhängig von der Ernährung. Manchmal besteht keine Wahl und man ist zum Verzehr besonders gasverursachender Lebensmittel gezwungen. Vielleicht sogar über längere Zeit. Dann können die abgehenden Blähungen stören oder anstrengend werden, denn eine erhöhte Gasproduktion im Darm verursacht auch bei häufigem Pupsen oft einen gespannten Bauch.

Besonders problematisch ist dies für Patienten mit Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder Reizdarmsyndrom (RDS, IBS), welche entsprechend gute Gründe zur Meidung von Blähungen haben.

Wie entstehen Blähungen?

Woher genau kommen die Gase im Darm? Zu den häufigsten Ursachen gehört der bakterielle Abbau pflanzlicher Nahrung im Dickdarm. Was der Verdauung in Magen und Dünndarm entgeht, landet im Dickdarm. Dort zersetzen unsere besten Freunde, die Darmbakterien, die Reste in ihre Einzelteile und bilden dabei Gase. Verantwortlich für Blähungen sind also nur solche Lebensmittel, die wir nicht bereits selbst in Magen und Dünndarm durch Enzyme verdaut haben. Konkret sind es einige Kohlenhydrate (spezifische Zucker) in diesen pflanzlichen Lebensmitteln, darunter Raffinose und Inulin. Für die Verdauung dieser Stoffe fehlen uns die entsprechenden Enzyme. Inulin finden wir in Topinambur, Pastinaken, Schwarzwurzeln und Zwiebeln (wie auch Lauch und Knoblauch). Raffinose ist besonders in Hülsenfrüchten (Bohnen, Erbsen) und den verschiedenen Kohlsorten enthalten.

Blähungen effektiv vermeiden

Ein radikaler, aber zuverlässiger Weg zur Vermeidung von Blähungen, ist der Verzicht auf diese Lebensmittel. Doch häufig ist das nicht wünschenswert und es gibt Alternativen. Verhindert man, dass die entsprechenden Zucker (s.a. FODMAP) in den Dickdarm gelangen, können die Bakterien dort keine Gase mehr daraus bilden. Dazu gibt es zwei Lösungen.

Die Erste ist der Abbau der problematischen Zucker vor dem Verzehr. Die einzig praktische Möglichkeit im Haushalt ist dafür Hitze. Raffinose zerfällt bei 118°C. Möchte man etwa Rotkohl durch Hitze entschärfen, benötigt man also einen Schnellkochtopf, unter dessen hohen Druck diese Temperaturen möglich sind. Die Modelle unterscheiden sich allerdings stark und viele erreichen nur 115-116°C. Wer die Eigenschaften seines Küchenwerkzeugs genau kennt, kann diesen Weg wählen. Eine allgemein zuverlässige Methode ist das Erhitzen allerdings nicht, da in der Regel Unklarheit über die Temperatur und deren Verteilung im Topf besteht.

Bleibt als zweite Möglichkeit die enzymatische Zersetzung der Raffinose nach dem Verzehr. Wenn der Mensch von Natur aus nicht über das passende Enzym verfügt, können wir nachhelfen. Zum Beispiel durch die pflanzlich gewonnene alpha-Galactosidase. Die gibt es in Tablettenform in der Drogerie, offenbar ohne jegliche gesundheitliche Bedenken. Im englischen Sprachraum ist das Produkt Beano verbreitet, in Deutschland bietet das Unternehmen Biolabor eine günstigere und höher dosierte Alternative unter dem Namen Verdauungsenzym an. Endlich mal Klartext.

Diese Tabletten habe ich nun längere Zeit und unter erschwerten Bedingungen (haufenweise Gemüse) getestet. Sie funktionieren und bestätigen so die Studienlage. Ein Teller voll Grünkohl oder Rotkohl verursacht mir nun keine einzige Blähung mehr. Die Stille ist beinahe beunruhigend.

Etwa sieben Euro kostet der Spender mit 40 Tabletten, das sind rund 18 Cent für eine krampf- und tonlose Verdauung solcher Lebensmittel und es gibt Alternativen von anderen Herstellern (siehe unten). Die Tablette nimmt man direkt vor dem Essen ein. Möglicherweise funktioniert sie bei einigen Menschen nicht, was an einem ungünstigen Milieu im Magen liegen kann oder an falscher Anwendung. Einen Versuch wert scheint es allemal. Leider habe ich ein entsprechend erhältliches Enzym zur Verdauung von Inulin nicht finden können.

Neugierig war ich, was denn nach der enzymatischen Verdauung der Raffinose passiert. Wenn das Enzym sie in ihre Einzelteile zerlegt, kann mein Körper sie offenbar verdauen. Das bedeutet zwangsläufig einen höheren Nährwert. Recherchen bei den entsprechenden Herstellern bestätigen dies und geben einen durchschnittlich fünf bis zehn Prozent höheren Kohlenhydratanteil der entsprechenden Gemüse an. Prima, mehr Energie aus der gleichen Gemüsemenge und dafür keine Blähungen. Ein guter Tausch. Hinsichtlich des Blutzuckerhaushalts ist diese Änderung praktisch irrelevant, da Kohl ohnehin nur wenige verdauliche Kohlenhydrate enthält.

Stefanie kann also entscheiden, ob sie zum Vermeiden von Blähungen künftig auf ihren geliebten Rosenkohl verzichtet, mit einem Schnellkochtopf experimentiert oder die Hilfe der Tabletten in Anspruch nimmt.

Warum verfügen wir nicht von Natur aus über dieses Enzym? Man kann nicht alles haben und in der Evolution setzen sich nur lohnenswerte Eigenschaften durch. Vermutlich reicht der geringe energetische Mehrgewinn aus der Nahrung durch das Enzym nicht aus, um es zur Standardausstattung des Menschen zu machen. Vielleicht waren andere Teile unseres Organismus wichtiger. Oder vielleicht hat die Natur für uns eine Karriere als Kunstfurzer im Moulin Rouge vorgesehen.

* Verdauungsenzym von Biolabor ist erhältlich bei Amazon, allerdings zu einem höheren Preis als in der Drogerie. Alternativ bietet sich das Produkt Oligase 600 der Pro Natura GmbH* an, welches bei gleicher alpha-Galactosidase-Dosierung weitere Enzyme in geringer Menge enthält. Wer bei Amazon bestellt, kommt mit letzterem Produkt (Oligase 600) erheblich günstiger davon. Ich habe nur Verdauungsenzym getestet.

Einen Schritt weiter geht Doctor’s Best Best Digestive Enzymes*. Meine Ergebnisse damit waren noch zuverlässiger und umfangreicher, allerdings is das Produkt auch etwas teurer.

Die Kommentarfunktion ist deaktiviert.