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Bio oder Öko? Der Label-Krieg

Grünstichige Fotos und beruhigende Worte zieren die Broschüren der verschiedenen Bio-Verbände. Sie sollen einlullen und überzeugen von Wert und Richtigkeit genau dieser Produkte. Mehrere deutsche Verbände haben sich die Förderung ökologisch nachhaltiger Lebensmittelerzeugung auf die Fahne geschrieben und erteilen entsprechende Siegel. Laut eigener Aussage stehen diese Verbände in Konkurrenz zueinander. Auch hier steht also die Profitoptimierung im Vordergrund. Das sei jedem gegönnt, sofern dadurch nicht gezielt die Wahrheit verdreht oder unterschlagen wird, um Verbraucher in die Irre zu führen.

Genau das scheint jedoch der Fall. Verbände wie Naturland und Bioland lassen kaum eine Gelegenheit ungenutzt, Beispielsweise auf ihre vermeintliche Überlegenheit gegenüber dem EU Bio Standard hinzuweisen. Theoretisch liegen sie damit auch richtig: Die Richtlinien beider Verbände sind strenger und sorgen beispielsweise für besseren Tierschutz. Das ist gut. Gerne verschweigen die Autoren solcher Broschüren jedoch selbstgefällig, dass die eigenen Richtlinien trotzdem nicht den Gipfel der Nachhaltigkeit und des Naturschutzes darstellen.

Ein Beispiel: In einer Broschüre vom Januar 2011 stellt Naturland die Unterschiede zwischen den eigenen und den EU Bio-Richtlinien unter anderem im Bereich der Verarbeitung gegenüber. Das liest sich so:

Naturland Öko – hohe ökologische Qualität EU Bio – kleinster gemeinsamer Nenner
Naturland erlaubt nur 21 Zusatzstoffe und limitiert sie auf bestimmte Produktgruppen und Verwendungszwecke. 47 verschiedene Zusatzstoffe sind zugelassen.

In der Tat: Nach Naturland-Richtlinien dürfen weniger Zusatzstoffe verwendet werden. Um es anders ausdrücken:

„Skandal – Naturland gestattet die Verwendung von bis zu 21 Zusatzstoffen!“

Welchen Sinn hat die Beschränkung auf unqualifizierte Zahlen? Was hälfe dem Verbraucher Naturlands Ausschluss einiger Zusatzstoffe, wenn die übrigen 21 noch immer gesundheitsschädigend wären? Diese Vorgehensweise zieht sich leider durch das gesamte Heft. Zahlen stehen dort ohne Erläuterung, als hätten sie qualitative Aussagekraft. Nach diesem Standard wären Bio-Produkte schlechter, weil sie teurer sind.

Was möchte uns die Broschüre sagen? Dass Naturland besser ist als „nur“ EU Bio und dass der Aufpreis auf jeden Fall gerechtfertigt ist? Die Broschüre suggeriert die Minderwertigkeit aller Produkte ohne Naturland-Siegel. Sie baut ein ein sortiertes, mit Aufklebern versehenes Schubladen-Weltbild auf und bestraft alle, die nicht mitmachen.

Viele leidenschaftlich und ökologisch nachhaltig arbeitende Landwirte, Menschen wie die De Feijters oder Herr Behrens, kommen hier unter die Räder und landen in der Schublade „schlecht“, denn sie wollen oder können sich kein kostspieliges und aufwändiges Bio-Siegel leisten. Bittere Ironie ist, dass gerade sie sämtliche Grundsätze zu nachhaltiger Landwirtschaft erfüllen und die Standards der genannten Zertifizierungen weit übertreffen. Sie gehen weiter als die vielen zertifizierten Großbetriebe, deren Ziel häufig das Ausloten der unteren Richtliniengrenzen zwecks Profitoptimierung ist.

Bioland und Naturland werben mit Transparenz und Ehrlichkeit, setzen in ihrem Werbematerial jedoch genau auf das Gegenteil. In ihrer Angst vor Kundenverlust an die Konkurrenz (man möchte meinen, dass ökologisch nachhaltige Lebensmittelerzeugung als Ideal konkurrenzlos ist) greifen sie nach jedem Strohhalm, um sich abzugrenzen; ähnlich wie in der Politik geraten dabei die eigentlichen Inhalte und Ziele in den Hintergrund.Klar wird das bei Phrasen wie: 

Ein Produkt mit dem Naturland Zeichen ist nicht nur „Bio“, sondern wirklich Öko.

Es erübrigt sich jeglicher Kommentar.

Warum muss im Kühlregal Naturland-Milch im Tetrapack mit zusätzlichem Plastik-Sichtfenster stehen? Solchen Produkten offenbaren den Fokus dieser Verbände auf Marketing statt ökologische Fortschritte. Die Verpackung jeder konventionell hergestellten Milch ist ökologisch verträglicher als dieses Naturland-Produkt. Das ist sehr schade, dann grundsätzlich könnte man die Arbeit dieser Verbände nur begrüßen. Tendenziell scheint das Ergebnis ihrer Bemühungen tatsächlich positiv. Vorteilhafter für Verbraucher wäre jedoch, wenn die Informationen in ihrer Transparenz dem Naturland-Milchkarton folgen würden.

Kleine grüne Aufkleber mögen beruhigend aussehen und Produktqualität signalisieren. Und oft sind die nach EU Bio-, Naturland– oder Bioland-Richtlinien erzeugten Artikel tatsächlich höherwertig als konventionelle Ware. Doch nicht immer und auch nur in Relation. Sie können nie wirklich die höchstmögliche Qualität garantieren. Denn möglicherweise gibt es in Ihrer Nachbarschaft in einem unscheinbaren Garten ganz ohne Aufkleber, Richtlinien und bunte Werbebroschüren die wirklich besten Gemüse.

Die Prüfung unserer Lebensmittel sollte dem Staat, noch Verbänden überlassen sein. Nur der Verbraucher selbst kann und muss entscheiden, welches das beste Lebensmittel für seinen Körper ist.

Gute Lebensmittel können, abe müssen nicht teuer sein.

Teure Lebensmittel können, aber müssen nicht gut sein.

Dies macht die Suche und Auswahl nicht einfacher. Aber es schärft das Bewusstsein.

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