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Bäume fällen für das Klima

Bäume fällen für das KlimaDer Klimawandel ist spürbare Realität. Häufigstes Schlagwort in diesem Zusammenhang ist CO2 oder Kohlenstoffdioxid, das Gas, welches als Hauptursache für die globale Erwärmung gilt. Eine Reduktion unserer Emissionen und darüber hinausgehend eine Bindung des freigesetzten CO2 scheint höchste Priorität zu verdienen. Doch wer hätte gedacht, dass dazu das Fällen von Bäumen und die Zucht von mehr Rindern hilfreich sein könnte?

Wir sind uns einig

Geben wir für den Moment vor, als seien wir uns darüber einig, dass wir an dem genannten Problem sofort etwas ändern sollten. Das heißt: Unseren CO2-Ausstoß reduzieren, sowie CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Es spielt keine Rolle, woher diese Gase kommen, ob vornehmlich Menschen oder Naturereignisse sie verursachten. Es spielt keine Rolle, ob der Planet schon einmal viel wärmer war. Es spielt keine Rolle, dass wir die Zukunft nicht vorhersagen können und alles vielleicht gar nicht so schlimm wird, wie einige Wissenschaftler aufgrund einer soliden Datenlage annehmen. Warum?

Weil die Lösungsmechanismen für dieses Problem faszinierend sind. Und weil wir daraus sehr viel über die Funktionsweise der Natur und letztlich unserer Nahrungsmittelproduktion lernen können. Nahrungsmittel, die wir jeden Tag zu uns nehmen.

Schieben wir also Horrorszenarien beiseite, denn derlei gibt es bereits ausreichend. Ja, auf unserem bisherigen Kurs könnte es sehr ungemütlich für uns werden. Ja, Eisbären könnten aussterben. Na und? Welche Rolle spielen sie schon für uns?

Relevant für jeden Menschen ist allerdings, ob er etwas zu essen bekommen und ob seine Umwelt ihm eine Überlebensgrundlage bieten kann.

Für den Planeten ist das alles unwichtig. Für den Planeten sind Menschen noch weniger relevant als die sympathischen Eisbären für den Menschen.

Zurück also zum faszinierenden Thema der Kohlenstoffbindung.

Kohlenstoff in der Natur binden

Ein realistischer Lösungsvorschlag ist die Bindung des freigesetzten CO2 in der Natur durch forst- und landwirtschaftliche Praktiken. Wie funktioniert das im Detail?

Mit Hilfe des Sonnenlichtes (Energie) und Wasser (H2O) wandeln Pflanzen Kohlenstoffdioxid in Glucose um. Diese dient als Baustoff weiterer Kohlenstoffverbindungen, Proteine und Kohlenhydrate, darunter auch Stärke. Das ist im Übrigen das Material, das wir essen.

Die Substanz der Pflanzen, das Holz auch der größten Bäume kommt also überwiegend aus der Luft.

Ein Teil der so gespeicherten Energie oder Kohlenstoffverbindungen kann direkt in die Erde geleitet werden, so sie Mikroben füttert. Diese lassen letztlich aus leblosem Mineralboden den Humus entstehen. Mehr aktive, grüne Blätter bedeuten mehr Wurzeln, und das bedeutet mehr Kohlenstoff im Boden. Erst der Humus ist stabil. Ohne Humus kann der an den Boden abgegebene Kohlenstoff wieder oxidieren und zu freiem CO2 werden.

Diesen Vorgang machen sich engagierte Landwirte beim Weidemanagement zunutze und bauen so Jahr für Jahr Mutterboden auf und atmosphärisches Kohlenstoffdioxid ab.

Ein hoher Humusanteil bedeutet auch bessere Wasserfiltrierung und -speicherung.

Grünland hat also ein hohes Potential zur Kohlenstoffspeicherung. Doch warum sollten wir dazu Bäume fällen und Rinder züchten?

Mehr Rinder für bessere Luft

Der Kohlenstoffgehalt eines Bodens kann erhöht werden durch drei Prinzipien: Das Anpflanzen grüner Pflanzen auf zuvor nacktem Boden, die Vertiefung bestehender, gesunder Wurzeln und die Verbesserung der Närstoff- und Wasserkreisläufe.

Weidemanagement mit Wiederkäuern ist der Schlüssel zu allen dreien.

Es ist richtig, dass durch Überweidung und Rinderhaltung im Allgemeinen viele Umweltschäden entstehen können. Schuld daran sind jedoch nicht die Rinder, sondern deren Management durch den Menschen.

20 bis 60 Millionen Büffel dominierten einst die Nordamerikanischen Great Plains. Weitaus größere Wiederkäuerpopulationen zogen durch Afrika. Diese Tiere waren keine Umweltsünder, sondern Teil des Ökosystems, welches mit ihnen, abhängig von ihnen aufblühte. Raubtiere, Aasfresser und Böden eingeschlossen.

Nachteilig wirken sich diese Tiere erst dann aus, wenn der Mensch sie nicht Umgebungsgerecht hält. Durch korrektes Weidemanagement hingegen können Rinder die oben genannten Prinzipien direkt umsetzen. Wer die Natur aufmerksam beobachtet, kann sie im kleinen Rahmen so imitieren, dass die Wiederkäuer sich bewegen, gruppieren und fressen wie in freier Wildbahn. So können sie das Graswachstum optimal stimulieren und nachhaltig Kohlenstoff binden sowie die Bodenfruchtbarkeit verbessern. Sie zu schlachten ist dazu freilich nicht notwendig. Doch es eröffnet ökonomische Perspektiven, die diese Art des Naturschutzes und der Kohlenstoffbindung durchaus erst attraktiv machen.

Bäume fällen für bessere Luft? Das ist ein Scherz, oder?

Es mag kurios klingen. Bäume, das bekommen wir schon im Grundschulalter beigebracht, „machen“ gute Luft, weil sie Sauerstoff produzieren. Richtig ist auch, dass Bäume Kohlenstoff binden.

Viele Gebiete haben seit jeher mit der Invasion holziger Spezies zu kämpfen. Dies ist oft im Rahmen der Sukzession selbstverständlich. Doch durch die Unterdrückung natürlicher Feuer und anderer Baumfeinde nehmen Holzgewächse stellenweise überhand.

Die Speicherung von Kohlenstoff im Boden durch Gräser bietet gegenüber dem Kohlenstoffspeicher Baum zwei wesentliche Vorteile: Die Kapazität ist größer und die Speicherung ist relativ permanent. Ein Baum kann gefällt werden, an Alter oder Krankheit sterben oder verbrennen. All dies setzt den gespeicherten Kohlenstoff letztlich wieder frei.

Es geht nicht darum, Wälder abzuholzen, um Weideland zu erstellen. Doch verwildertes Grünland könnte seine ursprüngliche Funktion besser ausführen, wenn es von einigen Bäumen befreit würde.

Weitere Praktiken

Damit all diese Konzepte auch langfristig sinnvoll sind, bedarf es weiterer Praktiken, etwa der Direktsaat. Das heute übliche Pflügen des Bodens ist mitverantwortlich für dessen Kohlenstoffverlust. Pflanzen ganzjährig im Boden zu belassen verbessert dessen Stabilität.

Einen Wald zu managen durch gelegentliches Lichten oder gezielte Brandlegung kann langfristig ein katastrophales Feuer verhindern. Das System wird so robuster und das erwirtschaftete Holz ist zugleich eine alternative Energiequelle.

Ökologische und ökonomische Chancen

Zwei Drittel der weltweiten Landmasse sind Weideland und Heimat von 2 Milliarden Menschen, welche wenigstens teilweise zum Überleben auf ihren Viehbestand angewiesen sind. Kohlenstoffsequestration durch entsprechende Praktiken bietet also ein sehr großes Potential. Vieh spielt dabei eine signifikante ökonomische und ökologische Rolle als Quelle von Nahrung, Wohlstand und Kultur.

Was können wir tun?

Das im Mainstream vorherrschende Paradigma lautet „Für besseres Klima brauchen wir mehr Bäume und weniger Fleisch“.

Offensichtlich ist das nicht richtig. Ein Mangel an Bildung und Bewusstsein steht einer tatsächlichen Lösung im Weg. Solange die Fehlinformation fest in den Köpfen sitzt, bleibt die Alternative, die tatsächliche Lösung unzugänglich. Menschen fällt es sehr schwer, ihre Meinung zu ändern.

Doch die Lösungsgrundlagen unterliegen keiner Meinung, sondern naturwissenschaftlichen Fakten.

Wenn wir also die zugrundeliegenden Mechanismen verstehen, können wir sehen, dass Bäume nicht immer die beste Lösung für bessere Luft sind und dass Rinderhaltung durchaus zur Lösung eines möglichen Klimaproblems beitragen kann.

Die Lösung lautet natürlich nicht: „Alle Bäume fällen und mehr Fleisch essen.“ Wie sie aussehen könnte und warum, offenbart eine sorgfältige, differenzierte und nüchterne Betrachtung des Problems und aller Einzelbestandteile.

Weiterführende Informationen und Quellen:

Dieser Artikel bezieht viele Beispiele und Daten aus folgendem, exzellenten Beitrag von Courtney White: The Carbon Ranch: Fighting Climate Change One Acre at a Time

Weitere Themenbestandteile und Quellen habe ich früheren Urgeschmack-Beiträgen entnommen, entsprechende weiterführende Quellen und Verweise auf Primätliteratur finden Sie dort:

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